# taz.de -- Wenn Flüchtlinge mal willkommen sind: Abholen statt Abschieben | |
> Herr Krummsack mag keine Flüchtlinge, wollte aber mit mir Flüchtlinge | |
> abholen gehen. Irgendwas stimmte damit nicht. Zum Glück rettete mich | |
> meine Frau. | |
Bild: Bleiben dann doch an Ort und Stelle: Bremens berühmteste Flüchtlinge | |
Unser Hausmeister Herr Krummsack wirft mich frühmorgens energisch aus dem | |
Bett. „Los, los, Herr Engin, kommen Sie schon. Wir wollten doch heute | |
zusammen Flüchtlinge abholen gehen.“ | |
„Was? Wie? Ich wollte mit Ihnen Flüchtlinge abholen? Zu mir nach Hause?“, | |
frage ich völlig überrascht. | |
„Quatsch! Das kann ich doch keinem noch so leidgeprüften Flüchtling | |
zumuten. Nach zwei Tagen würden die armen Menschen betteln, wieder zum IS | |
oder zu Assad zurück zu dürfen.“ | |
„Herr Krummsack, ich hatte das Gefühl, dass Sie [1][Migranten] nicht so | |
sehr mögen. Von den Flüchtlingen ganz zu schweigen“, frage ich total | |
irritiert. | |
„Ich habe doch nichts gegen Flüchtlinge. Unsere weltberühmten [2][Bremer | |
Stadtmusikanten] sind ja auch Flüchtlinge“, sagt er freundlich. | |
„Wirklich? Die sind jetzt auch auf der Flucht? Kein Wunder, wer will denn | |
schon den ganzen Tag von tausend japanischen Touristen angegrapscht und | |
fotografiert werden.“ | |
„Kommen Sie schon, unser Flugzeug wartet bereits auf uns.“ | |
„Welches Flugzeug denn?“ | |
## Söder und Bild chartern Flugzeuge | |
„Die bayrische Regierung und die Bild-Zeitung chartern mehrere Flugzeuge in | |
die Türkei, damit wir die Flüchtlinge retten können, bevor sie den | |
Menschenhändlern in die Hände fallen und dann im Meer ersaufen.“ | |
„Herr Krummsack, bisher hatte ich wirklich den Eindruck, dass Sie Ausländer | |
nicht so besonders mögen?“ | |
„Herr Engin, Sie bringen ja wie immer alles durcheinander. Ich liebe | |
Ausländer. Nur Sie persönlich kann ich überhaupt nicht leiden“, gesteht er. | |
„Ach so, super! Dann ist ja alles in bester Ordnung“, sage ich erfreut. | |
Unsere Nachbarn klatschen begeistert Beifall und begleiten uns mit einem | |
langen Autokonvoi zum Flughafen. Das riesige Flugzeug ist fast leer. Die | |
Bremer Stadtmusikanten flüchten also nicht in die Türkei. | |
„Hallo, Osman, setzt dich doch hierher zu mir“, bietet mir jemand ganz | |
vorne einen Platz an. | |
„Herr Merz, Sie auch hier? Gerade habe ich gehört, dass Sie der nächste | |
[3][Kanzlerkandidat der CDU] sind“, staune ich. | |
„Der Sarrazin wollte unbedingt, dass ich auch mitkomme. Wenn es um | |
Menschenleben geht, ist uns kein Opfer zu viel“, meint Herr Merz und deutet | |
mit dem Kopf auf seinen weißhaarigen Kumpel vor ihm. In dem Moment schleppt | |
Frau Weidel mehrere Tüten mit Plastik-Plüschkatzen ins Flugzeug, um den | |
Flüchtlingskindern eine Freude zu machen. Frau Weidel ist immer auf der | |
Seite der Schwachen. Eine echte Humanistin eben. | |
„Osman, jetzt steh endlich auf, sonst kommst du wieder zu spät zur Arbeit“, | |
ruft meine Frau Eminanim und dreht die Morgennachrichten auf | |
Brülllautstärke, damit ich aufwache. | |
[4][Friedrich Merz] schimpft im Bundestag über die unerträgliche | |
Flüchtlingsflut. Sarrazin erklärt anhand von zwei Statistiken, was für eine | |
große Gefahr die Flüchtlingskinder für Deutschland darstellen und Frau | |
Weidel tut es leid, dass Hitler-Deutschland im Zweiten Weltkrieg verloren | |
hat. Und ich denke: „Nie wieder drei große Pizzas direkt vor dem | |
Schlafengehen!“ | |
„Herr Engin, jetzt kommen Sie doch endlich“, brüllt Herr Krummsack draußen | |
im Flur. | |
„Häää?“ | |
19 Sep 2024 | |
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## AUTOREN | |
Osman Engin | |
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