# taz.de -- Die Wahrheit: Knochentrocken einen am Rad haben | |
> Irlands Parlamentarier möchten gern aufs Fahrrad umsteigen, aber nicht | |
> auf nassen Drahteseln sitzen. Also wurde etwas sehr Irisches gebaut. | |
Irlands Abgeordnete wollen mit gutem Beispiel vorangehen und mit dem Rad | |
zum Parlament fahren. Damit die Drahtesel nicht nass werden, musste ein | |
Unterstand her. Er hat Platz für 18 Fahrräder – also für 11,25 Prozent der | |
160 Abgeordneten. Die können sich nun über eine Luxusunterkunft für ihre | |
Räder freuen. Der neue Fahrradschuppen hat mehr als 335.000 Euro gekostet. | |
Im Preis enthalten sind 2.952 Euro für „archäologische Dienstleistungen“. | |
Damit ist die Aushebung für das Fundament gemeint. | |
Die Minister der konservativen Koalitionsregierung raufen sich die Haare, | |
wollten sie doch das Stimmvieh davon überzeugen, dass sie öffentliche | |
Gelder inzwischen bedacht ausgeben und dass Korruption eine Sache der | |
Vergangenheit sei. So haben sie die Errichtung vieler Wartehäuschen an | |
Bushaltestellen auf Eis gelegt, um Geld zu sparen. Doch die | |
Abgeordnetenräder sollen es trocken haben. Aber für den exorbitanten Preis | |
gab es nur ein L-förmiges Vordach. Bei dem Regen, der in Irland oft | |
waagerecht fällt, werden die Fahrräder trotzdem nass. | |
Die Kosten pro Quadratmeter waren etwa doppelt so hoch wie die Kosten für | |
den Bau eines Fünf-Sterne-Hotels, sagte ein Architekt, der lieber anonym | |
bleiben will. Der Unterstand kostete 11.000 Euro pro Quadratmeter, während | |
ein Luxushotel höchstens 6.000 Euro kosten würde. Und er war sogar 200 Mal | |
so teuer wie ein Fahrradunterstand gleicher Größe, den man online kaufen | |
kann, allerdings dann selbst zusammenbauen muss. | |
Für die 335.000 Euro hätte man auch ein Haus mit 233 Quadratmetern | |
Wohnfläche kaufen können, mit einem Garten, in dem Hunderte von Rädern | |
Platz hätten. Und es wäre sogar genug Geld übrig geblieben, um zwei stabile | |
Fahrräder anzuschaffen. | |
Der Bau des Unterstands habe „einzigartige Herausforderungen“ mit sich | |
gebracht, erklärte das verantwortliche Amt für öffentliche Arbeiten (OPW), | |
da er sich auf dem Grundstück des Parlamentsgebäudes befindet, einem | |
„geschützten Bauwerk von nationaler Bedeutung“. Die verwendeten | |
Materialien, darunter irischer Granit, seien wegen ihrer Kompatibilität mit | |
der historischen Umgebung sorgfältig ausgewählt worden. | |
Der Rechnungsprüfungsausschuss soll nun nach Dokumenten suchen, die | |
Aufschluss darüber geben, wer das Geld eigentlich bewilligt hat. Die | |
Abgeordneten waren es jedenfalls nicht. Das Geld stammte aus dem Budget des | |
OPW. Es wäre angesichts vergangener irischer Praktiken keine Überraschung, | |
wenn ein OPW-Verwandter den Unterstand gebaut hätte. | |
Der für das Amt zuständige Minister Kieran O’Donnell hat eine Überprüfung | |
der Kosten angekündigt. Diese Aufgabe soll dem OPW zugeschanzt werden, das | |
sich dann selbst befragen muss. Eine nostalgische Idee, die an Zeiten | |
erinnert, als in Irland über die Vergabe öffentlicher Aufträge mit Hilfe | |
brauner Umschläge entschieden wurde. Oder immer noch wird? | |
9 Sep 2024 | |
## AUTOREN | |
Ralf Sotscheck | |
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