# taz.de -- taz Panter Forum in Chemnitz: „Bleiben ist Widerstand“ | |
> Die sächsische Linke fürchtet die bröckelnde Brandmauer. Bald schon | |
> könnte die oppositionelle Verantwortung in den Händen des BSW liegen. | |
Bild: Trotz allem: Unternehmerin Claudia Jahn-Wolf (m.) versuchte beim Panter F… | |
CHEMNITZ taz | Schiere Angst schien ihre Äußerungen auf diesem Podium zu | |
begleiten. Sachsens Spitzenkandidatin der Linkspartei, [1][Susanne | |
Schaper], formuliert auf dem letzten Debattierpanel vor der Panter | |
Preis-Verleihung auf dem zweiten [2][taz Panter Forum im Chemnitzer | |
Weltecho] ebendiese Angst. Der Titel: „Unregierbares Sachsen?“ | |
Ihre Partei, einst die stärkste und selbstbewussteste Oppositionspartei im | |
seit 1990 CDU-dominierenden Freistaat, droht ausweislich aller | |
demoskopischen Prognosedaten unter die Fünfprozenthürde zu fallen – das | |
Zeichen, dass eine Partei im allgemeinen politischen Geschehen kaum Gewicht | |
hat. Aber Schaper spricht sehr laut und dringlich: Wären sie und die Ihren | |
nicht mehr in Dresdens Landtag, gäbe es eine Repräsentationslücke, eine | |
starke. | |
Das sieht die sächsische Wählerschaft aktuell offenbar anders: Die CDU | |
liegt knapp hinter der AfD. Vielleicht schaffen es die Grünen und die SPD, | |
genug Stimmen fürs Parlament zu bekommen – gewiss aber wird das Bündnis | |
Sahra Wagenknecht der big player des Wahlabends sein. Diesem wird | |
zugetraut, eventuell sogar koalitionsnötig für die Union zu sein, um die | |
AfD von der Regierungsteilhabe fernzuhalten und die „Brandmauer“ gegen die | |
Völkischen zu halten. | |
## Durchlöcherte Brandmauer | |
Die Themen Brandmauer und die Rechten – viele im Publikum sprachen von | |
„den Nazis“ – standen im Mittelpunkt des taz Panter Forums „Was auf dem | |
Spiel steht“. Jedenfalls – die Beiträge und Statements der eingeladenen | |
Menschen aus den NGOs, kommunalen Projektträgern und Parteien | |
unterfütterten dies intensiv – ist von einer Brandmauer auf den Ebenen | |
unterhalb des Landtags keine Rede mehr. | |
Dort wählen FDP-Abgeordnete – und sie nicht allein – AfD-Mandatsträger und | |
solche ähnlicher, teils noch rabiaterer Listen zu stellvertretenden | |
Bürgermeistern. Da wird fleißig gekungelt und gedealt, wie es eben auf den | |
unteren Etagen des politischen Gefüges üblich ist. So auch der Bericht vom | |
[3][Aktivista Ocean Hale Meißner aus Döbeln]. Frauke Wetzel, in Chemnitz | |
einer der Köpfe der Vernetzung von Initiativen und Trägern für eine Stadt, | |
die auf antivölkische Diversität hält, greift ein in der nichtrechten | |
Szene geflügeltes Wort auf, um die momentane Haltung zur rechten | |
Machtteilhabe zu skizzieren: „Bleiben ist Widerstand.“ | |
Verblüffend am Chor all der Stimmen, die in Chemnitz am Samstag zur Geltung | |
gebracht wurden, war indes, dass von dystopischer, weltuntergangsmäßiger | |
Atmosphäre keine Rede war. Auch – bei aller politischen Differenz in vielen | |
landespolitischen Bereichen – trug dazu bei, dass Susan Leithoff, | |
CDU-Abgeordnete im Landtag und aus der Nähe von Chemnitz, kaum betonen | |
musste, dass ihre Partei nach den Wahlen auf gar keinen Fall mit der AfD | |
koalieren werde. | |
Was der neben ihr sitzende Jörg Scheibe vom BSW ebenfalls unterstrich: | |
Seine Fraktion werde weder mit der AfD koalieren noch einen von ihr | |
aufgestellten Kandidaten für das Amt des Ministerpräsidenten mitwählen. Das | |
Publikum zollte ihm allerdings kaum Beifall für diese die Brandmauer | |
stützende Aussage. Vielmehr erntete er Kritik, weil er von der Wichtigkeit | |
sprach, abgelehnte Asylbewerber schneller abzuschieben, überhaupt die | |
Migration per Flucht strikt begrenzt sehen möchte – aber legale | |
Einwanderung, aus welchen Weltregionen auch immer, sehr klar befürwortete. | |
## Ein Kampf, der nie aufhört | |
Das mehrheitlich junge Publikum spendete auch am schon sehr gut besuchten | |
Forumsmorgen besonders Michael Nattke vom Sächsischen Kulturbüro Beifall. | |
Dieser hatte die umfänglichen „Dialoge“ und Gesprächskreise benannt, die | |
eigens eingerichtet wurden, nachdem die auch schon mindestens sehr | |
zwielichtigen Pegida-Demos vor zehn Jahren Krawall stifteten. Und wo, | |
fragte er, waren die Gesten des Dialogs, des Willkommens im demokratischen | |
Gefüge jenen Initiativen gegenüber, die unter den militanten Gangs der | |
[4][Baseballschlägerjahre] schon litten und etwa auf CSDs immer noch um | |
Leib und Leben zu fürchten haben? | |
Claudia Jahn-Wolf, Unternehmerin aus Sachsen und extrem rührig in aller | |
Welt – wie viele andere sächsische Unternehmen auch –, um die so heftig | |
benötigten Fachkräfte anzuwerben: Sie versuchte auch Mut zu machen, der | |
politischen Atmosphäre gegen das tonangebende Establishment in Berlin zu | |
widerstehen. | |
Tobias Burdukat, seit 20 Jahren Kämpfer – weitgehend in Grimma in der von | |
ihm mitbegründeten Spitzenfabrik, ein autonomes Haus am Rande der Altstadt | |
–, sagte: „Der Kampf gegen rechts zermürbt, macht dich fertig, jeden Tag. | |
Es hört nie auf.“ Ein paar Tage in der Woche fährt er zum Studium nach | |
Nürnberg, kommt aber immer wieder zurück: „Ich brauch’ auch mal Abstand. | |
Aber gegen rechts einzustehen, da haben wir keine Wahl.“ | |
Die [5][taz Panter Foren] sind ein Kooperationsprojekt der [6][taz Panter | |
Stiftung] mit der taz-Redaktion. | |
26 Aug 2024 | |
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## AUTOREN | |
Jan Feddersen | |
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