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# taz.de -- „No Wave“-Filmemacherin Beth B: Zurück zum Underground
> Das Silent Green widmet der Filmemacherin Beth B mit „Now Wave: Beth B –
> Glowing“ eine große Ausstellung und Retrospektive mit vielen
> Weltpremieren.
Bild: Szene aus „The Dominatrix Sleeps Tonight“ von Beth B (1983)
Mitte der siebziger Jahre in New York. Die Beatgeneration und die
Hippiebewegung haben ihre Strahlkraft verloren, der Vietnamkrieg liegt in
den letzten Zügen, doch ein Misstrauen gegen die etablierten Strukturen der
Gesellschaft hat sich verfestigt. Getragen vor diesem Hintergrund des
Unwohlseins beginnen Beth B und ihr Mann Scott B Filme zu machen. Auf
Super8 und 16mm. Kleine, schmutzige Statements der Wut und des Misstrauens.
Die beiden finden ähnlich gesinnte Artgenossen in abgelegenen
Kulturkaschemmen wie dem CBGB und dem Max’s Kansas City in New York City,
in denen sie ihre Filme zeigen. Eine kleine, lose Gruppe von Filmemachern
findet sich zusammen, die als „The Cinema of Transgression“ oder
„No-Wave-Cinema“ bekannt werden. Sie propagieren eine Strategie des
visuellen Schocks: „Wir erwarten, uns gegen jede Eingrenzung zu wehren, die
Geschmack, Moralität oder ähnliche alte Wertsysteme uns abverlangen. Wir
arbeiten an einer Transformation durch Überschreitung!“
Jim Jarmusch, der auch Teil dieser Szene ist, kritisiert die Haltung des
Paares; in ihren Arbeiten gebe es keinen „Prozess des Entdeckens“, sondern
das Publikum werde nur zur „Audienz bei der Gegenwart“ aufgefordert. Beth
und Scott B sind zwar ebenfalls Teil der „No Wave Cinema“-Gruppe, aber wo
ihre Kollegen auf Konfrontation und Provokation setzen, arbeiten die beiden
an komplexen, aufklärerischen Narrativen, die sich nur gelegentlich
Provokationen bedienen. Ihnen ist die Analyse von Machtstrukturen in der
Gesellschaft äußerst wichtig.
Ihr bekanntester Film aus dieser Zeit ist vermutlich „Vortex“ (1981), in
dem Punk-Chansonette Lydia Lunch einen windigen Geschäftsmann verfolgt, der
durch Manipulation von Geschäftstreibenden und durch Korruption von
Politikern an hervorragend dotierte Aufträge aus der Rüstungsindustrie zu
gelangen versucht. Hillel Chrystal, der Betreiber des CBGB, nannte ihn den
letzten „No-Wave-Film“.
## Sich mehr und mehr privateren Themen widmen
Das Ehepaar B trennt sich nach Fertigstellung dieser Arbeit, und es dauert
mehrere Jahre, bis Beth B mit „Salvation“ (1987) wieder einen Film
fertigstellen kann. Dieser handelt von einem Fernsehprediger, dem von einer
Frau Vergewaltigung vorgeworfen wird. Sie erpresst ihn und sorgt dafür,
dass ihre Schwägerin Teil des Geschäfts des Fernsehpredigers wird. Vom
daraus folgenden Geldsegen berauscht, übernimmt sie mehr und mehr die
Geschäfte des Fernsehpredigers, der sich gegen ihre Erpressung nicht wehren
kann. Basierend auf wahren Begebenheiten ist „Salvation“, der im übrigen
das Filmdebüt von [1][Viggo Mortensen] ist, eine leichtere, komödienhaftere
Arbeit.
Zwar arbeitet Beth B weiterhin an ihren Themen „Voicing the unheard, Naming
the unnamed“, doch sind ihre Filme nun leichter, und auch publikumsfähiger.
Auch deshalb gelingt es ihr, mit ihren Stoffen im Fernsehgeschäft Fuß zu
fassen und recht kontinuierlich einen Film nach dem anderen zu drehen, und
zwar nicht mehr unter so ärmlichen Bedingungen wie in ihrer Anfangszeit.
„Power, Injustice, Trauma“ werden darin noch immer ambitioniert behandelt,
wenn auch ihre Filme nun eine weniger schwere Note haben.
Schließlich kehrt sie doch wieder in die unabhängige Kinoproduktion zurück,
aber auch die Welt um sie herum hat sich verändert. Und es scheint fast,
als würde sie sich mehr und mehr privateren Themen widmen. So filmt sie
ihre eigene Mutter, die Künstlerin Ida Appelbroog, oder Lydia Lunch, die in
ihrer Anfangsphase immer wieder Protagonistin ihrer Filme war. Es wirkt,
als suche sie nun das Politische im Privaten, und vielleicht ist das auch
eine Reflexion auf unsere Gesellschaft, in der das Politische gegenüber dem
Privaten seine Wirkmacht verloren zu haben scheint.
21 Filme in 35 Jahren, vom Underground ins Fernsehen und wieder zurück in
den Underground. Wo andere aus ihrem ursprünglichen Umfeld im Laufe der
Jahre ganz aufgehört haben, hat sich Beth B gewandelt, ohne sich durch und
durch anzupassen. Und sie hat sich sogar in Richtung Kunst geöffnet. So
besteht die Werkschau, die im Silent Green zu sehen ist, aus drei Teilen.
In der Betonhalle zeigt eine Videoausstellung die Reihe „Glowing“, die in
Kurzfilmporträts von der Überwindung traumatischer Erfahrungen handelt.
Eine zweite Ausstellung präsentiert die Klang-und Video-Installation „Near
Death“, die Beth B speziell für die Räumlichkeiten des ehemaligen
Krematoriums eingerichtet hat. Zahlreiche ihrer Filme sind unter dem Titel
„The War is Never Over“ in der Kuppelhalle des Silent Green zu sehen. Viele
davon erstmalig.
16 Aug 2024
## LINKS
[1] /Westernfilm-The-Dead-Dont-Hurt/!6025498
## AUTOREN
Michael Freerix
## TAGS
Filmreihe
B-Movie
Gesellschaftskritik
Rocko Schamoni
Bodybuilding
taz Plan
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