# taz.de -- Internationale Bauausstellung in Berlin: Chance, aber kein Selbstl�… | |
> Der Senat will in den 2030er Jahren in Berlin eine Internationale | |
> Bauausstellung ausrichten. Die Idee ist nicht verkehrt, aber Skepsis | |
> bleibt geboten. | |
Bild: Das Stadtbild geprägt: Im Zuge der Interbau 1957 wurde auch das sogenann… | |
Inzwischen ist es offiziell: Wenn es nach dem Senat geht, wird Berlin | |
[1][eine weitere Internationale Bauausstellung (IBA)] veranstalten – es | |
wäre die dritte nach den West-Berliner Events von 1957 und 1984/87. | |
Loslegen möchte man baldmöglichst und diesmal in Kooperation mit | |
Brandenburg. Wenn alles glatt läuft, fällt die Präsentation der Resultate | |
in die 2030er Jahre und damit in ein Jahrzehnt, in dem sich Schwarz-Rot | |
wahlweise auch eine Weltausstellung (2035) oder gar [2][Olympische Spiele | |
(2036 oder 2040)] vorstellen kann. | |
So viel Wille zur Stadtentwicklung durch große Projekte macht skeptisch – | |
auch mit Blick auf eine IBA. Das liegt nicht zuletzt an der Ambivalenz der | |
„festivalisierten Stadtpolitik“, wie sie etwa der Berliner Soziologe | |
Hartmut Häußermann in den 1990er Jahren ausmachte: ausufernde Kosten, | |
mangelnde Nachhaltigkeit, Nebenwirkungen wie Gentrifizierung sowie die | |
Konzentration auf Einzelprojekte und oberflächliche Effekte anstatt | |
ganzheitlicher Entwicklung und einer echten Auseinandersetzung mit | |
tiefergehenden städtischen Problemen sind einige der gängigen Vorbehalte. | |
Nun ist eine Bauausstellung keine Olympiade, viele der genannten | |
Herausforderungen bleiben jedoch bestehen – und es kommen andere, | |
spezifische hinzu: Internationale Bauausstellungen gelten als | |
Königsdisziplin der Stadt- und Regionalentwicklung in Deutschland. Sie | |
lassen den ausrichtenden Städten und Regionen viele Freiheiten, weil es | |
keine starren Regeln gibt. Die Ansprüche sind groß. IBA-Macher werden daran | |
gemessen, ob sie Lösungen für städtische Probleme nicht nur konzipieren, | |
sondern auch umsetzen – und zwar auf einem Niveau, das weltweit Beachtung | |
findet. | |
Dass viele Ausstellungen zuletzt – eine Berliner Neuauflage wäre die elfte | |
IBA seit 2000 – nur begrenzt diese Strahlkraft entfalteten, vielleicht auch | |
nicht primär anstrebten, ändert nichts daran, dass die Messlatte hoch | |
liegt. Besonders für eine Berliner IBA, die naturgemäß andere Erwartungen | |
wecken dürfte als eine Ausstellung in Kleinkleckersdorf. | |
## Berlin wäre gerne Vorreiter, hinkt aber hinterher | |
Die Hauptstadt sieht sich zwar gerne als Vorreiter innovativer | |
Stadtentwicklung, hinkt aber, was die Umsetzung angeht, im internationalen | |
Vergleich seit Jahren hinterher. Und so sehr man es sich wünschte: Diese | |
Kluft mit einer IBA zu schließen, wird kein Selbstläufer. | |
IBAs sind Ausnahmezustände auf Zeit, die verkrustete Verwaltungsstrukturen | |
aufbrechen, Planungsprozesse beschleunigen und innovative Lösungen und | |
experimentelle Ansätze hervorbringen sollen. Doch wie bereits [3][frühere | |
Ausgaben, etwa in Hamburg], feststellen mussten, unterliegen auch diese | |
Ausnahmezustände Grenzen. | |
Planungs- und Baugesetzgebungen sowie weitere regulatorische Hürden bleiben | |
bestehen. Verwaltungsdenken und -strukturen lassen sich nicht von heute auf | |
morgen ändern, Ränkespiele und eingefahrene Interessenskonflikte nicht ohne | |
Weiteres aus der Welt schaffen. | |
Überhaupt neue Impulse in Berlin zu setzen wäre daher, im Lichte der | |
aktuellen städtischen Realitäten, beachtlich. Und der lobenswerte Ansatz, | |
die IBA als Katalysator für die gesamte Metropolregion nutzen zu wollen, | |
lässt das Unterfangen noch einmal ambitionierter erscheinen. Nun sind | |
Ambitionen nichts Schlechtes, im Gegenteil. Allerdings stellt sich die | |
Frage nach den konkreten Zielen einer IBA. | |
## Ein eventbasiertes Planungsformat wie jedes andere? | |
Positiv betrachtet werden IBAs oft mit der Schaffung von Möglichkeitsräumen | |
verbunden, in denen die gesamte Stadtgesellschaft teilnehmen und | |
profitieren kann. Eine kritischere Sichtweise betrachtet IBAs jedoch | |
ähnlich wie andere eventbasierte Planungsformate: als Instrument, um unter | |
dem Deckmantel der Innovation vorgefasste oder in elitären Kreisen | |
entwickelte Stadtentwicklungsideen zu legitimieren, umstrittene Vorhaben | |
durchzusetzen und Standortmarketing zu betreiben. | |
Man muss dieser Sichtweise nicht folgen oder den Verantwortlichen von | |
vorneherein sinistre Motive unterstellen, um die Frage zu stellen, welchen | |
Weg Berlins Internationale Bauausstellung nehmen wird. Aus Sicht der | |
Planungsforschung ist klar: Ob eine IBA Erfolg hat, hängt davon ab, ob es | |
gelingt, relevante Akteure zusammenzubringen. Zu ihnen zählen nicht zuletzt | |
auch stadtpolitische Initiativen. | |
Angesichts der jüngsten Entscheidungen des Senats – man denke an den Umgang | |
mit dem Volksentscheid Deutsche Wohnen & Co enteignen, die unnachgiebige | |
Haltung zum A100-Ausbau oder das von oben herab betriebene | |
„Particitainment“ zur Rückabwicklung des Tempelhofer-Feld-Volksentscheids … | |
wäre es verständlich, wenn Initiativen einer Einladung, am „Experiment IBA�… | |
mitzuwirken, skeptisch begegnen würden – sofern sie überhaupt gefragt | |
würden. | |
Eine Berlin-Brandenburg-IBA wäre angesichts der komplexen Herausforderungen | |
des Metropolraums – wie Wohnungsmangel, Mobilitätswende und Klimaanpassung | |
– eine Chance. Allerdings erfordert sie nicht nur länderübergreifende | |
Kooperation, sondern auch die aktive Einbindung der Zivilgesellschaft | |
beider Länder. Gerade in diesem Punkt kann die Geschichte inspirieren: Die | |
IBA 1984/87 setzte in Sachen Bürgerbeteiligung trotz Kontroversen Maßstäbe | |
und schuf einen wichtigen Debattenraum. | |
An diesen Errungenschaften muss sich eine neue IBA messen und orientieren. | |
Angesichts der Zerwürfnisse der vergangenen Jahre stellt sich jedoch die | |
Frage, ob Berlins Politik willens und fähig ist, das derzeit besonders | |
angespannte Verhältnis zur Stadtgesellschaft zu verbessern und somit die | |
Voraussetzungen für eine IBA als gemeinsames Projekt zu schaffen. Ein | |
erster Schritt in diese Richtung wäre, die bisher eher diskret geführten | |
IBA-Vorbereitungen frühestmöglich in einen breiten öffentlichen Diskurs zu | |
überführen. | |
29 Jul 2024 | |
## LINKS | |
[1] https://entwicklungsstadt.de/internationale-bauausstellung-im-metropolraum-… | |
[2] /Gemeinsame-Bewerbung-mit-anderen-Orten/!5973118 | |
[3] /Wohnungsbau-in-Hamburg/!5727404 | |
## AUTOREN | |
Johannes Novy | |
Christoph Sommer | |
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