# taz.de -- Streit um Klärschlammverbrennungsanlage: Sinnvoll oder nicht? | |
> Eine Bürgerinitiative wirft einer neuen Bremer Anlage für | |
> Klärschlamm-Verbrennung eine hohe Schadstofflast vor. Die Umweltsenatorin | |
> hält dagegen. | |
Bild: Beispiel für eine neue Klärschlammverbrennungsanlage – in diesem Fall… | |
Osnabrück taz | Toiletten sind geduldig. Sie spülen auch runter, was keine | |
Fäkalie ist. Rein damit, weg. Geht ja alles in die Kläranlage. | |
Aber die Abwasserbehandlung hinterlässt Klärschlamm. Der darf nicht mehr | |
auf die Deponie, zu hoch ist die Schadstoffbelastung. Auch [1][als | |
phosphorhaltiger Dünger für Agrarflächen ist er suboptimal], denn er | |
enthält Schwermetalle, Chemikalien, Rückstände von Medikamenten. | |
Eine Lösung: Verbrennung. Ab 2029 ist das für große Kläranlagen Pflicht. | |
Keine Bodenbelastung mehr, dafür die Rückgewinnung von Phosphor aus der | |
Asche, Abwärme fürs Fernwärmenetz, im Idealfall nachhaltig erzeugter Strom. | |
Dazu braucht es Klärschlammverbrennungsanlagen. Eine davon geht demnächst | |
am Bremer Industriehafen in Betrieb, verantwortet von der Bremer | |
„Klärschlammentsorgung Nordwestdeutschland“. | |
Doch die Bremer „Bürgerinitiative Oslebshausen und umzu“ [2][erhebt seit | |
Langem Vorwürfe gegen die Verbrennungsanlage]. Ende Juli hat die Initiative | |
mit dem Vorwurf „Etikettenschwindel“ noch mal nachgelegt. In einem | |
Kommuniqué schreibt ihr Sprecher Dieter Winge von einer „hohen | |
Schadstofflast“ und einer „negativen Energiebilanz“. | |
Besonders die genehmigten Schadstoffwerte empören Winge. Sie liegen am | |
oberen Ende der Emissions-Bandbreite, welche die [3][EU-Richtlinie über | |
Industrieemissionen] zulässt. Es reiche nicht, sich innerhalb der | |
Bandbreiten zu bewegen, sagt Winge der taz. „Die Betreiber müssen erst | |
einmal die niedrigsten Werte anstreben. Ist dies nicht möglich, muss | |
nachgewiesen werden, warum diese so nicht erreicht werden können.“ | |
## Schadstoffwerte vergleichsweise hoch | |
In Bremen wie auch an anderen deutschen Standorten sei man „so nicht | |
vorgegangen“, man habe „schematisch die maximal möglichen Schadstoffwerte | |
innerhalb dieser Bandbreite beantragt und auch genehmigt“. Die Bremer | |
Anlage habe „fast durchgängig wesentlich höhere Schadstoffwerte“ als eine | |
vergleichbare Anlage im niederländischen Delfzijl. | |
Zudem verbrauche die Anlage mehr Energie, als durch die Verbrennung des | |
Klärschlamms erzeugt werde. „Dies ist im politischen Prozess und auch im | |
anschließenden Genehmigungsverfahren immer anders kommuniziert worden“, | |
schreibt Klaus Koch vom Gutachterbüro Umweltnetzwerk Hamburg in Winges | |
Kommuniqué. Der Bevölkerung sei gesagt worden, „dass die KVA-Anlagen | |
klimagünstige Effekte hätten, zusätzlichen Strom und Fernwärme erzeugen | |
können“. Das sei eine „Klimalüge“. | |
Winges Bürgerinitiative verlangt zusammen mit dem Umweltnetzwerk Hamburg | |
von Kathrin Moosdorf, der Bremer Senatorin für Umwelt, Klima und | |
Wissenschaft, nun eine Studie zur Energieeffizienz. | |
Eine solche Studie werde „als nicht zielführend angesehen“, schreibt Jonas | |
Kassow, Leiter des Büros der Senatorin, der taz. Eine Energiebilanz habe | |
für die Genehmigungsfähigkeit der Anlage „keine Rolle“ gespielt. Ihr | |
Hauptzweck sei nicht die Energieerzeugung. Es gehe darum, Phosphor | |
„umfassender als bisher wieder in den Wirtschaftskreislauf zurückzuführen“ | |
und gleichzeitig „die herkömmliche bodenbezogene Klärschlammverwertung“ | |
einzuschränken. | |
Den „Klimalüge“-Vorwurf wertet Kassow als Unterstellung. Die Anlage könne | |
„weitgehend energieautark betrieben werden“, Transportwege würden | |
entfallen. Zu der über den Eigenverbrauch hinausgehenden Erzeugung von | |
Strom und Fernwärme gebe es keine Zahlen des Betreibers, schreibt Kassow. | |
Solche Zahlen seien für die Genehmigung und Überwachung der Anlage aber | |
auch nicht maßgeblich. | |
Die Anlage erfülle „alle geltenden gesetzlichen Anforderungen und | |
-Vorschriften“, schreibt Oliver Ladeur der taz, Sprecher des Betreibers | |
„Klärschlammentsorgung Nordwestdeutschland“, sie sei auf „dem Stand der | |
Technik“. Die Umweltsituation am Standort verbessere sich deutlich: „Das | |
Kohlekraftwerk Block 6 ist vom Netz gegangen und die thermische | |
Klärschlammverwertung kommt. Das muss immer im Zusammenhang gesehen | |
werden.“ Am Standort würden eine Million Tonnen weniger CO2 emittiert, | |
außerdem reduziere sich der Feinstaub deutlich. Die | |
Rauchgasreinigungsanlage setze „höchste Umweltstandards“. | |
Winge wird das nicht zufriedenstellen. Auch an der | |
[4][Phosphor-Rückgewinnung] hat er Zweifel. Es gebe „noch kein marktreifes | |
Verfahren“, schreibt er. „Somit wird die Bevölkerung auch zum Hauptzweck | |
dieser Anlagen in die Irre geführt.“ | |
4 Aug 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Menschliche-Faekalien-als-Duenger/!5869619 | |
[2] /Streit-um-neues-Kraftwerk-in-Bremen/!5879966 | |
[3] /EU-Rat-fuer-strengere-Umweltregeln/!5922564 | |
[4] /Abfallwirtschaft-in-Deutschland/!5965004 | |
## AUTOREN | |
Harff-Peter Schönherr | |
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