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# taz.de -- Verfassungsschutz-Bericht: Hunderte Rechtsextreme bei Polizei
> 364 Beschäftigte etwa bei Polizei oder Bundeswehr sind mutmaßlich
> rechtsextrem. Das zeigt ein Bericht des Bundesamts für Verfassungsschutz.
Bild: Wollen hinschauen: Nancy Faeser (SPD), Bundesministerin für Inneres und …
Berlin dpa | Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) hat sich innerhalb
von eineinhalb Jahren mit insgesamt 739 Fällen von Mitarbeitern der
Sicherheitsbehörden beschäftigt, zu denen Hinweise auf mögliche
rechtsextremistische Einstellungen und Aktivitäten aufgetaucht sind. In
etwa jedem zweiten Fall seien tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen
gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gefunden worden, stellt
der Verfassungsschutz in seinem aktuellen Lagebericht zu Rechtsextremisten
in den Sicherheitsbehörden fest. Der Bericht betrachtet den Zeitraum vom 1.
Juli 2021 bis zum 31. Dezember 2022 und nimmt sowohl die Landesbehörden als
auch die des Bundes in den Blick.
Am häufigsten festgestellt wurden den Angaben zufolge extremistische
Äußerungen in sozialen Medien oder Chats, politisch motivierte
Beleidigungen sowie Kontakte zu oder Mitgliedschaften in extremistischen
Organisationen und Parteien oder deren Unterstützung. Nur in wenigen Fällen
seien gewaltorientierte Handlungen aufgefallen.
Von insgesamt 364 Beschäftigten, bei denen es konkrete Anhaltspunkte für
Verstöße gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gab, waren 175
bei den Bundessicherheitsbehörden beschäftigt. 189 Fälle entfielen laut
Bericht auf die Landesbehörden. Das Bundesinnenministerium weist allerdings
darauf hin, dass sich sowohl bei den Verdachtsfällen als auch bei den
Fällen, in denen sich tatsächliche Anhaltspunkte fanden, jeweils zu mehr
als der Hälfte um Fälle handelt, die bereits im zurückliegenden Lagebericht
ausgewiesen wurden. Grund dafür sei die bislang oft lange Dauer der
Disziplinar- und arbeitsrechtlichen Verfahren. Für den Bund könnten diese
durch die am 1. April in Kraft getretene Reform des
Bundesdisziplinargesetzes beschleunigt werden.
## Gefahr durch Polizisten im „Reichsbürger“-Milieu
„Es sind gemessen an mehr als 384 000 Beschäftigten allein im Bund wenige
Fälle“, [1][betont Faeser]. Trotzdem sei es wichtig, dass hier genau
hingeschaut werde. Durch eine gute Zusammenarbeit zwischen Landes- und
Bundesbehörden seien auch extremistische Sachverhalte entdeckt worden, die
dem Verfassungsschutzverbund bisher unbekannt gewesen seien, berichtet
BfV-Präsident Thomas Haldenwang. Er sagte: „Welche konkreten
Gefahrenpotenziale von Extremisten ausgehen, die im öffentlichen Dienst
tätig sind oder waren, hat die „Reichsbürger“-Gruppierung um Heinrich XII…
[2][Prinz Reuß] gezeigt.“
Reuß und seinen mutmaßlichen Mitverschwörern wird vorgeworfen, Mitglieder
einer terroristischen Vereinigung gewesen zu sein beziehungsweise diese
unterstützt zu haben. Es soll ein bewaffneter Umsturz geplant gewesen sein.
Dabei sollen die Mitglieder der Gruppe bewusst Tote in Kauf genommen, so
die Anklage.
## Mangelndes Problembewusstsein
Die von Haldenwangs Behörde veröffentlichten Zahlen bilden allerdings nicht
nur den Umfang des Phänomens in den Sicherheitsbehörden des jeweiligen
Bundeslandes ab, sondern auch das Problembewusstsein, das jeweils vor Ort
herrscht. Mit anderen Worten: Wo Vorgesetzte eher wegschauen oder
rechtsextreme Vorfälle verharmlosen, gibt es automatisch weniger
Verdachtsfälle.
Den höchsten Anteil aktenkundiger Verdachtsfälle weist – gemessen an der
Zahl der Beschäftigten – mit 0,67 Prozent Berlin auf. In der
Bundeshauptstadt war im August 2020 ein „Konzept zur internen Vorbeugung
und Bekämpfung von möglichen extremistischen Tendenzen“ vorgestellt worden,
wonach Mitarbeiter verpflichtet sind, entsprechende Sachverhalte zu melden.
In Hessen lag der Anteil bei 0,2 Prozent, in Sachsen bei 0,13 Prozent.
## Gewerkschaft fordert mehr Unterstützung
Bei der Bundespolizei, die im betrachteten Zeitraum rund 54 000
Beschäftigte hatte, kamen den Angaben zufolge 16 Fälle hinzu. Beim
Bundeskriminalamt (BKA) und dem Bundesnachrichtendienst (BND), wo deutlich
weniger Beamte arbeiten, fielen jeweils zwei mutmaßliche Rechtsextremisten
auf. Unter den 263 000 Menschen, die im Geschäftsbereich des
Verteidigungsministeriums tätig waren, wurden in den eineinhalb Jahren 53
sogenannte Altfälle sowie 75 neue Fälle betrachtet.
Beamtinnen und Beamte, die sich nicht auf dem Boden der freiheitlich
demokratischen Grundordnung bewegen, müssten so schnell wie rechtsstaatlich
möglich aus dem Dienst ausscheiden, sagt der Bundesvorsitzende der
Gewerkschaft der Polizei (GdP), Jochen Kopelke. „Beschäftigte des
öffentlichen Dienstes müssen populistischen, rassistischen und
extremistischen Einflüssen gegenüber resilient sein“, betont er. Wichtig
sei jedoch auch, dass der Dienstherr bei falschen Verdächtigungen und nicht
gerechtfertigten Disziplinarverfahren für eine komplette Rehabilitation,
der zu Unrecht Beschuldigten sorge.
1 Jul 2024
## LINKS
[1] https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/pressemitteilungen/DE/2024/07/lageberich…
[2] /Durchsuchungen-in-BaWue-und-Sachsen/!6015314
## TAGS
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