# taz.de -- Immobilieninvestor Ioannis Moraitis: Untergang am Hafenplatz | |
> Eine Spur unfertiger Projekte durch Berlin: Zweifel an der Seriosität des | |
> Unternehmers stehen den Neubauplänen für den Hafenplatz entgegen. | |
Bild: Nur Spekulationsmasse? Bestandsgebäude am Hafenplatz | |
Berlin taz | Eins der größten innerstädtischen Neubauprojekte steht vor dem | |
Aus. In dem Quartier Am Hafenplatz zwischen Mendelssohn-Bartholdy-Park und | |
Anhalter Bahnhof wollte ein Immobilieninvestor mehr als 900 Wohnungen und | |
noch mehr Raum für Gewerbe errichten und dafür die [1][bestehenden Gebäude] | |
– Plattenbauten aus den 1970er Jahren – abreißen. Doch der Bezirk | |
Friedrichshain-Kreuzberg, der das Bauvorhaben beschließen muss, namentlich | |
Baustadtrat Florian Schmidt (Grüne), hat sich kürzlich per Mitteilung von | |
dem Projekt und dem Investor distanziert. Aus gutem Grund. | |
Hinter den Plänen steht mit Ioannis Moraitis ein 42-jähriger | |
Bauunternehmer, der mit seinem in Berlin ansässigen Unternehmen Hedera | |
Bauwert an zahlreichen Immobilienprojekten vor allem in Berlin und Potsdam | |
beteiligt ist. Auf seiner Website verkauft er sich als Macher gegen die | |
Wohnungskrise, propagiert Wohneigentum als Lösung. | |
Einst hieß seine Firma Gekko Real Estate, wie Gordon Gekko, der skrupellose | |
Finanzkapitalist aus dem Film „Wall Street“. Schon 2015 galt er dem Magazin | |
Zitty als einer der „bissigsten Haie im Becken“. Damals hatte Moraitis den | |
Gemüseladen Bizim Bakkal in der Kreuzberger Wrangelstraße vor der Tür | |
gesetzt – und damit unfreiwillig zur Gründung der [2][Initiative Bizim | |
Kiez] beigetragen. | |
Zu Moraitis’ Imperium zählen mehr als 80 Gesellschaften, mindestens die | |
Hälfte davon mit dem Namen „hb Wohnimmobilien GmbH“. Ob „Errichtung | |
hochwertiger Neubauprojekte“ oder „Modernisierung von Altbauten und | |
denkmalgeschützter Bestandsimmobilien“ – stets sind die Ankündigungen | |
salbungsvoll: Auf schicken Websites werden Eigentumswohnungen zum Verkauf | |
angepriesen und damit geworben, wie viel Prozent der Wohnungen bereits | |
verkauft sind. | |
Doch die Liste an nur halb fertiggestellten Bauprojekten ist lang. | |
Unfertige Projekte gibt es etwa in der einstigen Bronzegießerei in | |
Friedrichshagen und der Havelberger Straße in Moabit, bei Neubauprojekten | |
in der Cranachstraße in Schöneberg oder der Saßnitzer Straße in | |
Schmargendorf. Warum das so ist, konnte Hedera auf Anfrage der taz binnen | |
drei Tagen nicht sagen. | |
## Viele Geschädigte | |
Die Geschädigten sind die Wohnungskäufer:innen, die zwar schon Raten | |
bezahlt und Kredite aufgenommen haben, aber nicht einziehen können oder auf | |
Baustellen leben müssen. Viele Geschädigte haben sich zusammengeschlossen. | |
Betroffenen sind laut [3][Berliner Zeitung] auch „Baufirmen, Handwerker und | |
Ingenieure“, die davon berichten, von Moraitis’ Firmen nicht bezahlt worden | |
zu sein. Der Name ihrer Chat-Gruppe: „Moraitis Albtraum“. Manche von ihnen | |
haben ihr Geld eingeklagt, einige Wohnungskäufer:innen einen | |
Insolvenzantrag gegen Moraitis gestellt – bislang ohne Ergebnis. | |
Viele der Projekte liegen seit Jahren brach, doch bis zuletzt galt Moraitis | |
der Stadt als Geschäftspartner. So liefen bis vor Kurzem Gespräche mit dem | |
Bezirksamt über die Abriss- und Neubaupläne am Hafenplatz, auch Baustadtrat | |
Florian Schmidt (Grüne) war aufgeschlossen. Doch das ist vorbei. | |
Vergangene Woche [4][teilte der Stadtrat mit]: „Meine Gespräche ergaben, | |
dass das Vertrauen vieler Beteiligter in die Hedera Bauwert derzeit stark | |
reduziert ist.“ Eine Kooperation mit Moraitis’ Firma sei „unter den | |
gegenwärtigen Bedingungen nicht möglich“. Schmidt warf ihm zudem vor, die | |
Häuser am Hafenplatz vergammeln zu lassen und dies als „Druckmittel“ | |
einzusetzen, damit die Bezirksverordnetenversammlung den hochtrabenden | |
Plänen zustimmt. | |
Die Hedera Bauwert wiederum hält an dem Projekt fest: Ziel sei es, „ein | |
Wohnquartier mit deutlich mehr Wohnraum auf modernem Stand zu schaffen“. | |
Über die Mitteilung des Bezirksamtes sei man „mit dem Bezirk im Austausch“. | |
Man sei „zuversichtlich, dass das erforderliche Vertrauensverhältnis | |
vollumfassend nach Ausräumung jeglicher Vorwürfe wiederhergestellt und das | |
Projekt wie geplant umgesetzt werden kann“. | |
## Gewobag erteilt Absage | |
Wahrscheinlich ist das nicht: Denn zu den Grundbedingungen gehörte stets, | |
dass alle bisherigen Mieter:innen bezahlbare Neubauwohnungen auf dem | |
Gelände erhalten, so wie es Hedera auch weiterhin als Plan ausgibt. Doch | |
der dafür vorgesehene Kooperationspartner, die städtische Gewobag, die noch | |
im Mai ihre Interessensbekundung mit Moraitis abgegeben hatte, will davon | |
nichts mehr wissen. Auf taz-Anfrage heißt es: „Die Gewobag ist nicht | |
Projektbeteiligte.“ Und: „Generell kooperieren wir ausschließlich mit | |
seriösen und verlässlichen Projektpartnern.“ Eine Zusammenarbeit mit | |
Moraitis sei „nicht geplant“. | |
Für die derzeitigen Bewohner:innen, darunter auch viele Geflüchtete, | |
bedeutet das aber auch weiter Ungewissheit. Sie sind Teil einer | |
Spekulationsmasse. 2021 wurde das Filetgrundstück unweit des Potsdamer | |
Platzes für, so schreibt es die Berliner Zeitung, weit mehr als 100 | |
Millionen Euro gekauft, mutmaßlich in einem Share-Deal. | |
89,9 Prozent der Anteile übernahm die Gamma Invest, die zum | |
Moraitis-Imperium gehört, den Rest eine Firma, deren Geschäftsführerin auch | |
für Moraitis arbeitete. Die Konstruktion half womöglich, eine | |
Grunderwerbsteuer von mehreren Millionen Euro zu umgehen. Hedera selbst | |
will zu „Einzelheiten des Erwerbs keine Auskunft erteilen“. | |
Geld für den Grundstückskauf und andere Projekte der Hedera Bauwert oder | |
verschiedener Untergesellschaften lieh sich Moraitis vom Hochrisiko-Fonds | |
Verius mit Zinsen von bis zu 15 Prozent; laut Handelsblatt insgesamt 127 | |
Millionen Euro. Der Fonds geriet in Schieflage, stand sogar vor der | |
Zwangsliquidation. Eine Rückzahlung von Moraitis, die für 2023 geplant war, | |
sei verschoben worden. Die [5][Zeitung berichtete im Dezember], dass eine | |
Tranche von 23 Millionen Euro, die an Verius gehen sollte, „durch den | |
Verkauf eines weiteren Objektes erfolgen sollte“. Hedera teilt unterdessen | |
mit, es bestünden „keine Störungen in Bezug auf das Vertragsverhältnis mit | |
der Verius“. | |
Die Zweifel an der Seriosität von Moraitis dürften vorerst bleiben. | |
Anmerkung der Redaktion: Wir haben den Text aus rechtlichen Gründen | |
gekürzt. | |
3 Jul 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Sozialbauten-am-Hafenplatz-in-Kreuzberg/!5987116 | |
[2] https://www.bizim-kiez.de/ | |
[3] https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/hedera-bauwert-warum-hinte… | |
[4] https://www.berlin.de/ba-friedrichshain-kreuzberg/aktuelles/pressemitteilun… | |
[5] https://www.handelsblatt.com/finanzen/immobilien/immobilien-krise-trotz-exi… | |
## AUTOREN | |
Erik Peter | |
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