# taz.de -- Schokoriegel Prince Polo in Island: Tausche Fisch gegen Keks | |
> Auf einer Islandreise entdeckt unsere Autorin einen Schokoriegel aus | |
> ihrer Kindheit wieder. Wie ist er bloß dorthin gekommen? | |
Bild: Süße Erinnerung: Schoko-Waffeln schmecken nach Kindheit | |
Reykjavík taz | Unter seinem goldenen Gewand ist er süß; fünf dünne | |
Waffelplatten, getrennt durch Schokocreme und ummantelt von einer dünnen | |
Schicht Zartbitterschokolade. Der knusprige Schokoriegel hat mich durch | |
meine Kindheit in Deutschland begleitet, obwohl er damals Import- und damit | |
stets Mangelware war. „Bringen sie Prince Polo mit?“, fragte ich Babcia – | |
Oma –, wenn sie ankündigte, dass Onkel Janusz oder andere Verwandte aus | |
Polen bald auf Deutschlandbesuch kommen würden. Und als meine Großeltern | |
mit mir in den Sommerferien an die polnische Ostsee fuhren, bestand ich | |
darauf, dass vor der Rückfahrt mindestens eine gelbe Pappbox (besser zwei | |
oder drei!) mit rund dreißig Prince-Polo-Riegeln im Kofferraum lag. | |
Prince Polo ist besonders. Umso mehr freute ich mich, ihn nun an einem Ende | |
der Welt zu finden, an dem ich gar nicht mit ihm gerechnet hätte: [1][in | |
Island.] Ob an der Tankstelle in Akureyri, im Bónus, dem Supermarkt mit dem | |
dicken pinken Schweinchen als Logo, oder am Hot-Dog-Stand vor der | |
Laugardalslaug, einem der sieben Schwimmbäder in Reykjavík: Überall gibt es | |
„Prins Póló“, wie er hier genannt wird. Abgesehen von der Namensänderung | |
kann ich bestätigen: Er ist es. Es ist der von der südpolnischen Firma Olza | |
im Jahr 1955 erfundene Schokoriegel, der heute vom Lebensmittelkonzern | |
Mondelez International hergestellt wird. | |
## Ein halbes Kilo pro Jahr | |
Den Riegel kann man inzwischen unter anderem auch in Tschechien, der | |
Slowakei und der Ukraine kaufen. Doch nirgendwo außerhalb Polens ist er so | |
beliebt wie im hohen Norden. Im Jahr 2014 lag der isländische | |
Pro-Kopf-Verbrauch bei einem halben Kilo Prins Póló. Wieso feiern die | |
Isländer*innen einen polnischen Schokoriegel so sehr? | |
Man könnte denken, es läge am Europäischen Wirtschaftsraum. Seit Polen | |
diesem im Jahr 2004 beitrat, können polnische Arbeiter*innen mit | |
wenigen Einschränkungen in anderen EWR-Staaten arbeiten. Von insgesamt | |
knapp über 61.000 Migrant*innen, die im Jahr 2022 in Island lebten, kamen | |
34,4 Prozent aus Polen. Mit seiner kleinen Population war es für Island | |
nicht immer einfach, den Bedarf an Arbeitskraft aus dem eigenen Land heraus | |
zu decken. | |
Doch die Pol*innen, die nach Island migrierten, hatten den Schokoriegel | |
nicht mitgebracht, nein: Der Prins war schon da – und das seit 1955. | |
## Der Trick mit dem Keks | |
Polnische Händler wollten damals Fisch importieren und nun war die Frage, | |
was sie im Gegenzug nach Island liefern könnten. Dabei kamen sie, neben | |
Holz und Wodka, auch auf Prince Polo. Das Problem? Die meisten Süßwaren – | |
wie zum Beispiel Schokoriegel – durften nicht nach Island importiert | |
werden, um die heimische Industrie zu schützen. Kekse und Kuchen waren | |
okay. Jemand beim isländischen Handelsunternehmen Ásbjörn Ólafsson hatte | |
schließlich einen Einfall: Bei so wenig Schokolade und so viel Waffel geht | |
das Ding doch als Keks durch, oder? Diese Erklärung reichte, um Prince Polo | |
an den Richtlinien vorbeizuschmuggeln. | |
So hatte Prins Póló lange ein Alleinstellungsmerkmal als internationaler | |
Schokoriegel in den isländischen Supermarktregalen. Bis 1982 bestand das | |
Importverbot, erst dann kamen Mars und Snickers auf die Insel. Genug Zeit, | |
sich ins isländische Gedächtnis einzugraben, auch ins kulturelle: Schon im | |
Jahr 1968 wurde einer der Protagonisten im Roman „Kristnihald undir Jökli“ | |
(deutsch „Am Gletscher“) zu Kaffee und Prins Póló eingeladen. Und der im | |
Jahr 2022 verstorbene isländische Musiker Svavar Pétur Eysteinsson nannte | |
sich auf der Bühne „Prins Póló“, während er singend Sozialkritik übte. | |
Einst [2][mit dem Schiff über den Atlantik nach Island] gekommen, setzte | |
Prince Polo nachhaltig Anker in Island. Generationen von Isländer*innen | |
wuchsen mit dem Riegel auf – wie für mich schmeckt er für viele von ihnen | |
nach Kindheit. | |
2 Jul 2024 | |
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## AUTOREN | |
Klaudia Lagozinski | |
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