# taz.de -- MannSein-Event: Kuscheln, Eisbaden & Brusttrommeln | |
> Auf Europas größtem Männer-Event tauschen sich in Berlin am Wochenende | |
> Männer über das „Mannsein“ aus. Es wird gekuschelt, gekämpft und | |
> eisgebadet. | |
Bild: Auf der MannSein tanzen Männer grölend und brusttrommelnd den Maorische… | |
BERLIN taz | Wann ist ein Mann ein Mann? Wenn er empathisch und sanft ist? | |
Stark und kriegerisch? Oder, wie Herbert Grönemeyer singt, „baggert wie | |
blöde“? Diese Frage beschäftigt nicht nur den Bochumer Musiker. Sie | |
beschäftigt auch die rund 350 Männer, die sich an diesem Wochenende in den | |
Tegeler Seeterrassen zur diesjährigen [1][„MannSein“, dem größten | |
Männer-Event Europas], versammeln. In Vorträgen und Workshops, Kuschel- und | |
Kampfgruppen, beim Eisbaden und Haka-Tanzen suchen sie gemeinsam nach | |
Antworten. | |
[2][Seit 2014 wird das Event jährlich von „MalEvolution“ organisiert], eine | |
Art moderner Männerbund, gegründet von dem Berliner Männercoach John | |
Aigner. Zwei Tage lang referieren Väter- und Männerrechtler, Männercoaches | |
und Männerpsychologen (darunter auch Schauspieler von „Berlin Tag und | |
Nacht“) über „Männerthemen“: „Wie dein Sohn von deiner Männlichkeit | |
profitiert“ oder „Was ich von meinem Vater gebraucht hätte“, lauten eini… | |
der Vortragstitel. Ein Presseticket bekommt die taz auf Anfrage nicht. Das | |
Event sei für die Teilnehmer „sehr intim“. | |
„Männer leiden sehr darunter, dass das bisherige Männerbild | |
zusammengebrochen ist und ihnen noch nicht gelungen ist, ein Bild des | |
zukünftigen Mannes aufzubauen“, erzählt einer der Redner, Gerald Hüther, | |
der taz. Er beobachte mit Sorge, dass die Autonomie des Mannes verloren | |
gehe. Männer folgten nicht mehr ihrer Intuition, sondern probierten | |
lediglich den Erwartungen der Partnerin gerechtzuwerden. „Das fängt beim | |
Vegan sein an und hört beim Windelwickeln auf.“ Mit seinem Vortrag auf der | |
MannSein möchte er Männern in dieser „komplizierten Übergangsphase“ eine | |
Gelegenheit bieten, sich besser zurechtzufinden. | |
Hüther ist Neurobiologe und Autor des Buches „Das schwache Geschlecht und | |
sein Gehirn“. Demzufolge sind nicht etwa die Frauen schwach, nein, es sind | |
die Männer. Warum? Ihnen fehlt das zweite X-Chromosom. Daher seien sie | |
konstitutionell schwächer als Frauen, weil sie von Anfang an „nach Halt“ | |
suchten. | |
Die „weiblichen Fähigkeiten“ könne man von Frauen erlernen, die mit dem | |
weiblichen Pol auf natürliche Weise verbunden seien, glaubt ein weiterer | |
Redner, Männercoach Ansgar Schmitz. Gleichberechtigung könne jedoch nur | |
entstehen, wenn die Frau in ihrer „weiblichen Energie“ und der Mann in | |
seiner „männlichen Energie“ klar verankert sei. | |
## Kein beabsichtigter Antifeminismus | |
Die Männer, die sich hier versammeln, sind keine bekennenden | |
Antifeministinnen: Schmitz spricht über die Bedeutung von | |
Gleichberechtigung, Hüther von einer „neu überdachten Emanzipationsbewegung | |
nicht als Mann oder Frau, sondern als Mensch“. Männer sollen Zärtlichkeit | |
zeigen, Sorgen und Ängste teilen. Klingt nicht verkehrt, wäre es nicht | |
dieselbe Konferenz, auf der Männer grölend und brusttrommelnd den Haka | |
(Kriegertanz der Maori) tanzen, auf dem „Männerspielplatz“ „Kräftemesse… | |
Rangeln und Boxen“ und ihre „männliche Energie beim Baden in rund 300 | |
Kilogramm Eis aktivieren“. | |
Gut gemeint ist nicht gleich gut gemacht, findet auch Männerpsychologe | |
Björn Süfke. Vor zwei Jahren hielt er auf der MannSein einen Vortrag, er | |
würde jedoch „niemals wieder dort auftreten“, sagt er der taz. „Statt an | |
einer Überwindung von Geschlechterstereotypen zu arbeiten, wurden dort | |
Stereotype verstärkt, wenngleich nicht immer in böser, sondern oft einfach | |
naiver Absicht.“ Es seien vor allem Redner aufgetreten, die „eine Stärkung | |
des Maskulinen“, oder eine „Besinnung zur Männlichkeit“ propagierten. | |
Auch Männlichkeitsforscher Christoph May kritisiert MannSein als eine | |
„maskulistische, antifeministische Veranstaltung“. Dass Männer sich | |
Orientierung verschaffen wollen, sei nicht verwerflich. In den vergangenen | |
Jahren seien auf dem Event jedoch Vorträge von Pick-up Artists, | |
Väterrechtlern und Maskulinisten gehalten worden, in denen die Frau als | |
Sexobjekt gehandhabt wird. Durch Rituale, wie gemeinschaftliches Knurren | |
und sich auf die Brust trommeln, reproduzierten sie ein archaisches | |
Männerbild. | |
Zudem werde der Diskurs emotional, nicht wissenschaftlich geführt. „Es geht | |
kaum um Strukturen, sondern nur um Emotionen. Wörter, wie Patriarchat und | |
Feminismus werden nicht in den Mund genommen“, sagt May. Das größte Problem | |
sieht er in dem Ausschluss von Frauen. [3][Im Patriarchat brauche es keine | |
Räume ausschließlich für Männer], „vielmehr braucht es Interesse und | |
Bewusstsein für die gewaltvollen und sexistischen Lebensrealitäten von | |
Frauen und Queeren“. | |
## Maskulinistische Angebote in Berlin | |
Auch außerhalb des Events tendieren die Angebote der Veranstalter und | |
Redner zu Maskulinismus und Antifeminismus. MannSein-Initiator John Aigner | |
veranstaltet in Berlin das ganze Jahr über Männerworkshops und -coachings | |
mit dem Versprechen, dadurch ein „potenter, selbstbewusster Mann mit | |
Lebensvision, einem erfüllten Sex- und Liebesleben sowie männlicher | |
Führungsstärke“ zu werden. Teil des Netzwerkes „MalEvolution“ sind auch… | |
Berliner Männerblogger Sven Philipp und Martin Rheinländer, die in ihrem | |
Blog und Youtube-Kanal „Männlichkeit Stärken“ Männern Tipps geben, wie s… | |
Frauen ansprechen, ins Bett bekommen oder die Ex-Freundin zurückgewinnen. | |
Kann es eine Konferenz geben, bei der es um das „Mannsein“ geht, die nicht | |
kritisch zu bewerten ist? Ja, glaubt May: „Wenn sie sich an alle | |
Geschlechter richtet, das Programm sich für die Lebensweltlichkeiten von | |
Frauen und Queeren interessiert und sowohl im Publikum als auch dem Podium | |
alle Geschlechter vertreten sind.“ Zudem müsse über Strukturen gesprochen | |
und der Fokus auf Wissenschaft, nicht auf Emotionen gelegt werden. | |
„Der Emotionsdiskurs ist ein Abwehrdiskurs, wenn er nur unter Männern | |
stattfindet und die Strukturen außer Acht lässt“, sagt der | |
Männlichkeitsforscher. „Dann können die weinen, ringen, reden und kuscheln | |
so viel sie wollen, das Männerbündische wird sich dadurch nur weiter | |
bestärken.“ | |
13 Jun 2024 | |
## LINKS | |
[1] https://mannsein.org/ | |
[2] /MannSein-Konferenz-in-Berlin/!5507675 | |
[3] /Rudel-Phaenomen-auf-Social-Media/!6000234 | |
## AUTOREN | |
Lilly Schröder | |
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