# taz.de -- Obdachlosigkeit in Neukölln: Leitfaden für Vertreibung | |
> Neuköllns „Leitfaden Obdachlosigkeit“ soll nach Kritik überarbeitet | |
> werden. Betroffene fordern mehr Hilfsangebote anstatt Zwangsmaßnahmen. | |
Bild: Mit einem umstrittenen Leitfaden will Neukölln gegen Obdachlosigkeit im … | |
BERLIN taz | „Wir akzeptieren auf keinen Fall Vertreibung unter dem Vorwand | |
eines Leitfadens für Obdachlosigkeit!“, stellt Uwe Mehrtens am Montagmittag | |
vor dem Neuköllner Rathaus klar. Er ist Gründungsmitglied der Union für | |
Obdachlosenrechte Berlin (UfO), die zur Kundgebung gegen den Neuköllner | |
„Leitfaden Obdachlosigkeit“ aufgerufen hat. Knapp ein Dutzend Menschen sind | |
dem Aufruf gefolgt, manche haben Schilder mitgebracht, auf denen Slogans | |
wie „Mit Obdachlosen entscheiden statt gegen sie!“ stehen. | |
Der „Leitfaden Obdachlosigkeit“ war im Mai vergangenen Jahres vom | |
Neuköllner Bezirksamt veröffentlicht worden. Offiziell will das Bezirksamt | |
mit dem Dokument Transparenz herstellen und Vertrauen aufbauen in seinem | |
Umgang mit Obdachlosigkeit. Insbesondere die UfO kritisierte den Leitfaden | |
jedoch dafür, dass Betroffene kaum in seine Erarbeitung mit einbezogen | |
worden seien. Montag Mittag fand nun ein Gespräch zwischen UfO-Mitgliedern | |
und dem Neuköllner Sozialstadtrat Hannes Rehfeldt statt, um eine | |
Überarbeitung des Leitfadens zu besprechen. Auch an der Kundgebung, die | |
direkt im Vorfeld stattfand, nahm der Sozialstadtrat teil. | |
Nur kosmetische Änderungen | |
Die [1][UfO ist eine Interessenvertretung von und für wohnungslose Menschen | |
in Berlin], die sich für ein Ende der Wohnungslosigkeit einsetzt. Bereits | |
nach Veröffentlichung des Neuköllner Leitfadens im letzten Jahr kritisierte | |
die Initiative, dass sich dieser zu stark auf [2][Räumungen] und die | |
Einführung von Verbotszonen fokussierte. Im Leitfaden heißt es unter | |
anderem, dass es an Orten, an denen wohnungslose Menschen sich vermehrt | |
aufhielten, immer wieder zu „Nutzungskonflikten“ käme, die eine „Gefähr… | |
der öffentlichen Sicherung und Ordnung“ darstellen und somit auch ein | |
Eingreifen der Ordnungsbehörde begründen könnten. Auch ein „mittelloser | |
Verbleib in Deutschland“ müsse aus diesen Gründen vermieden werden. Im | |
Leitfaden heißt es aber auch, dass keine Räumung „ohne das Angebot einer im | |
Einzelfall angemessenen Unterkunft“ durchgeführt werden solle. | |
Nach der Kritik durch die UfO kündigte das Bezirksamt bereits im Juni eine | |
Überarbeitung an, an der die Initiative aktiv mitwirken sollte. In einer | |
Pressemitteilung Ende April dieses Jahres teilte die UfO aber mit, dass man | |
bei den Treffen den Eindruck gewonnen habe, „dass keine grundsätzliche | |
Überarbeitung, sondern vor allem ein Feilen an Formulierungen“ geplant | |
gewesen sei. Die UfO fordert daher eine Neuausrichtung des Leitfadens, die | |
unter anderem eine personelle Stärkung der sozialen Wohnhilfe sowie | |
[3][niederschwelliger Hilfsangebote] wie Straßensozialarbeit beinhalten | |
soll. | |
Nach der Veröffentlichung der Pressemitteilung habe man von Sozialstadtrat | |
Rehfeldt nichts mehr gehört, erzählt Uwe Mehrtens. Daher habe man sich dazu | |
entschieden, vor dem Gesprächstermin noch einmal an die Öffentlichkeit zu | |
gehen. Auch Bálint Vojtonovszki, Projektleiter der UfO, meldet sich während | |
der Kundgebung zu Wort. Vojtonovszki kommt aus Ungarn und erzählt, dass | |
dort nach verstärkten Repressionen mittlerweile ein Verbot von | |
Obdachlosigkeit sogar im Grundgesetz verankert sei. „Es wird viel schwerer, | |
obdachlosen Menschen zu helfen, wenn sie vertrieben werden“, sagt er, „Das | |
habe ich selbst erlebt in Ungarn.“ Auch ein Anwohner meldet sich zu Wort: | |
„Wir müssen in diesen Zeiten, in denen es härter wird, unsere | |
Menschlichkeit bewahren. Daher meine Bitte: Schaut jetzt nicht weg!“ | |
24 Jun 2024 | |
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## AUTOREN | |
Clara Zink | |
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