# taz.de -- Rechtsextremismus in Unternehmen: Viele Fälle bleiben folgenlos | |
> Firmen reagieren auf ein Drittel der rassistischen Anfeindungen am | |
> Arbeitsplatz. Die Organisation Gesicht Zeigen fordert stärkere | |
> Aufmerksamkeit. | |
Bild: Klare Position gegen Diskriminierung: Bei vielen Unternehmen noch kein Th… | |
BERLIN taz | Mehr Unternehmen positionieren sich gegen Rechtsextremismus. | |
Praktisches Handeln lassen viele Firmen aber anscheinend noch vermissen. | |
Bei nur 37 Prozent der rechtsextremen Vorfälle am Arbeitsplatz habe der | |
Betrieb deutlich reagiert, sagen befragte Beschäftigte. Das ist ein | |
Ergebnis der Umfrage „Unternehmen in Verantwortung“ der | |
[1][Anti-Rassismus-Organisation „Gesicht Zeigen!“]. | |
Um die Situation zu verbessern, sollten die Firmen „verbindliche Strukturen | |
schaffen“, lautet einer der Ratschläge von Rebecca Weis, der | |
Geschäftsführerin von Gesicht Zeigen, anlässlich der Veröffentlichung am | |
Donnerstag. Die Wirtschaft müsse sich zum Beispiel fragen: „Wie handeln | |
wir, wenn es zu solchen Vorfällen kommt? Wer ist die Ansprechperson bei | |
diesem Thema?“ | |
Nach Angaben der Organisation handelt es sich um die erste Bestandsaufnahme | |
zu rechten Anfeindungen, die die reale Lage in den Firmen abbildet. | |
Zwischen Januar und Februar dieses Jahres befragte das Institut Civey | |
repräsentativ 2.500 Beschäftigte und 2.000 Entscheider:innen, womit in | |
diesem Fall „Leitende Angestellte, Unternehmer:innen mit festen | |
Mitarbeitenden und Beamte im höheren Dienst“ gemeint sind. Die Untersuchung | |
geht über die Studie des Instituts der Deutschen Wirtschaft vom Mai hinaus, | |
die die Stellungnahmen von Unternehmen zur hartrechten AfD, nicht aber die | |
Firmenpraxis untersuchte. | |
Etwa ein Drittel der Beschäftigten hat an ihren Arbeitsplätzen bereits | |
„nationalistische, rassistische, antisemitische oder demokratiefeindliche | |
Äußerungen“ wahrgenommen, lautet ein weiteres Ergebnis der Umfrage. Bei den | |
Entscheider:innen waren es mit 28 Prozent etwas weniger. | |
In manchen westdeutschen Bundesländern sind die Werte leicht höher als in | |
ostdeutschen Regionen, was daran liegen kann, dass Menschen in | |
verschiedenen Regionen unterschiedlich sensibilisiert für solche Äußerungen | |
sind. Acht Prozent der befragten Beschäftigten gaben an, in ihrer Firma, | |
Verwaltung oder Institution selbst schon von rassistischem oder ähnlichem | |
Verhalten getroffen worden zu sein. Allerdings klärt die Umfrage nicht, | |
welche Art von Vorfällen genau damit gemeint sind. | |
## Viele Vorgesetzte handeln nicht | |
Interessant ist, [2][wie die Arbeitgeber nach Angaben der Beschäftigten | |
reagierten]. In dem guten Drittel der Vorfälle, nach denen etwas | |
unternommen wurde, kam es bei 29 Prozent zu Kündigungen und Entlassungen. | |
In 23 Prozent der Fälle wurden die Missetäter:innen von den | |
Vorgesetzten zum persönlichen Gespräch geladen, 14 Prozent erhielten | |
Abmahnungen, 12 Prozent wurden zu Fortbildungen geschickt, Anzeigen | |
erstatteten die Firmen bei fünf Prozent. | |
Wenn sich die Unternehmen zu reagieren entschieden, waren die Maßnahmen | |
meistens auch erfolgreich. In drei Viertel der Fälle hätten sich | |
rechtsextremistische Anfeindungen dann nicht wiederholt, erklärten die | |
Beschäftigten. Die Kehrseite der Medaille ist jedoch, dass die Mehrheit der | |
Vorgesetzten bei solchen Vorkommnissen bisher scheinbar nicht aktiv wird – | |
und nur die Hälfte der Beschäftigten eine Ansprechperson im Betrieb hat, | |
die für Hilfe zur Verfügung steht. | |
Trotz dieser Befunde existiert unter den Beschäftigten keine eindeutige | |
Mehrheit, was sie sich von ihren Arbeitgebern erhoffen. 42 Prozent | |
befürworten [3][ein stärkeres Engagement der Firmen], 44 Prozent sind | |
dagegen. Bei den Vorgesetzten ist die Gewichtung klar: 27 Prozent sind für | |
zusätzliche Interventionen, 62 Prozent dagegen. Eine Erklärung könnte darin | |
liegen, dass die Mehrheit der Arbeitnehmer:innen und | |
Arbeitgeber:innen bisher keinen Rechtsextremismus am Arbeitsplatz | |
erlebt hat und die bisherigen Schutzmaßnahmen für ausreichend hält. | |
Die Organisation Gesicht Zeigen fordert jedoch konsequenteres Einschreiten. | |
„Ein erster Schritt“ solle für die Unternehmen darin bestehen, „ein | |
Leitbild zu erarbeiten, damit sich die Beschäftigten drauf beziehen können | |
und auch wissen, wo ihre Arbeitgeber:in steht“, sagt Geschäftsführerin | |
Weis. Zentral seien auch „Fortbildungen, die zu Demokratiekompetenz, | |
Respekt und Wertschätzung am Arbeitsplatz beitragen und den Umgang mit | |
rechtsextremen und menschenfeindlichen Einstellungen trainieren“. | |
6 Jun 2024 | |
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## AUTOREN | |
Hannes Koch | |
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