Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Leichtathletik-EM in Rom: Hochspringer mit zwei Gesichtern
> Gianmarco Tamberi gehört seit Jahren zur Weltspitze im Hochsprung. Bei
> der EM hat der 32-Jährige erneut triumphiert – nicht ohne Showeinlage.
Bild: Zwei Gesichter: Gianmarco Tamberi nach seinem Sieg bei der EM im Hochspru…
Berlin taz | Nur mit falscher Hobbypsychologie könnte man Gianmarco Tamberi
zwei Gesichter andichten. Das eine, seine rechte Gesichtshälfte, war
nämlich am Dienstagabend glatt rasiert. Die andere Hälfte zeigte die
Eleganz eines Siebentagebarts. Die Art aber, wie sich der 32-jährige
Italiener beim Hochsprungfinale der Leichtathletik-EM in Rom präsentierte,
war wie immer: Tamberi, wie man ihn kennt.
Mit einer übersprungenen Höhe von 2,37 Metern wurde er Europameister, damit
reist der Olympiasieger von 2021 in wenigen Wochen auch als Favorit zu
[1][den Spielen nach Paris].
Wie man Tamberi, geboren in den mittelitalienischen Marken, kennt, kam
diesmal seinem Konkurrenten Vladyslav Lavskyy zugute. Bis zur
übersprungenen Höhe von 2,29 Meter führte der Ukrainer den Wettbewerb noch
an, und Tamberi fiel es schwer, sich auf seine Sprünge zu konzentrieren.
Immer wieder musste er für die zeitgleich laufenden
10.000-Meter-Finalistinnen Platz machen und seinen Anlauf verkürzen. Als
das Publikum in Rom plötzlich bei Lavskyy laut wurde, hob Tamberi seinen
Arm und nutzte seinen Einfluss als Lokalheld, um für seinen Konkurrenten
faire Verhältnisse herzustellen.
2021 in Tokio wurde Tamberi auf ähnlich sympathische Weise [2][Olympia]-,
man muss sagen: Doppelolympiasieger. Er und Mutaz Essa Barshim aus Katar
hatten beide 2,37 Meter übersprungen, je dreimal über 2,39 Meter gepatzt.
Eigentlich war ein Stechen mit einem letzten Sprung vorgesehen, doch die
zwei befreundeten Sportler fanden heraus, dass das Regelwerk auch
ermöglicht, den Olympiasieg beiden Athleten zuzusprechen. Als Tamberi das
hörte, sagte er zu Barshin: „History, my friend.“
## Extrovertierteste in einer extrovertierten Szene
Innerhalb der Szene der ohnehin oft extrovertierten Weltklassespringer
zählt Tamberi zu den extrovertiertesten. Am Dienstag in Rom war das wieder
zu besichtigen. Er dirigierte das Publikum nicht nur, um seinen
Konkurrenten nicht bei der Konzentration zu stören, sondern auch um sich in
Stimmung zu bringen – und am Schluss, um zu feiern.
Den Höhepunkt seiner Show bildete eine Einlage, als er das Publikum glauben
machte, er habe sich ausgerechnet beim Jubeln verletzt. Plötzlich humpelte
Tamberi, tat so, als müsse er sich hinsetzen, öffnete seine Schuhe – und
heraus holte er lauter Sprungfedern. Tamberi lachte aus vollem Herzen, das
italienische Publikum, das ihn liebt, reagierte erleichtert, aber so
richtig verstanden hat niemand, wie – und warum! – diese Federn plötzlich
in den Schuhen des Europameisters auftauchten.
Sein halber Bart, mit dem er bei den Titelkämpfen in Rom für Aufmerksamkeit
sorgte, ist übrigens nicht neu: Gerade bei Finals taucht er mit einer
halben Rasur auf, „Half Shaved“ wird er von manchen gerufen. „Das ist mein
Markenzeichen. Ich mag es, dazustehen und die Leute zu unterhalten“, sagte
Tamberi schon 2015.
Wie sehr er die Bühne liebt, merkt man auch seinem Hobby an: Schlagzeug
spielt er, auch manchmal öffentlich. Als Freund des großen Auftritts hat
ihn Italiens Olympisches Komitee auch, gemeinsam mit der Fechterin Arrianna
Erriga, zum Fahnenträger bei der olympischen Eröffnungsfeier im Juli in
Paris ernannt.
Seit neun Jahren gehört Tamberi zur Weltspitze der Hochspringer. 2016
wurde er erstmals Europameister. Seither springt er bei wichtigen Meetings
und Meisterschaften über 2,30 Meter, seine persönliche Bestleistung beträgt
2,39 Meter. Auch die – finanziell sehr lukrative – Diamonds League des
Weltleichtathletikverbands konnte er schon gewinnen.
12 Jun 2024
## LINKS
[1] /Olympia-in-Paris-2024/!6013048
[2] /Olympia-Berichterstattung-vor-100-Jahren/!6007826
## AUTOREN
Martin Krauss
## TAGS
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
Leichtathletik-EM
Rom
Leichtathletik
Sprinter
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
Sportgeschichte
Leichtathletik
## ARTIKEL ZUM THEMA
Leichtathlet Owen Ansah: In 9,99 Sekunden zur Weltklasse
Der 23-jährige Sprinter Owen Ansah ist 100 Meter unter zehn Sekunden
gelaufen. Neben dem deutschen Meistertitel hat er damit noch etwas
geschafft.
Paris löst Camps auf: Olympia ohne Obdachlose
Vor den Olympischen Spielen werden in Paris systematisch Obdachlosencamps
aufgelöst und Geflüchtete vertrieben. Viele sind noch minderjährig.
Sportgeschichte von ganz früher: In 59 Tagen nach Kalkutta laufen
Schon im 18. und 19. Jahrhundert gab es sensationelle Leistungen. Sie
galten den Gentlemen-Athleten bloß nicht als „Sport“.
Olympiasieger über Leichtathletik-Krise: „Es geht zu sehr um Pfründe“
Hochsprung-Olympiasieger Dietmar Mögenburg vermisst in der zuletzt so
erfolglosen deutschen Leichtathletik Eigenständigkeit und
Risikobereitschaft.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.