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# taz.de -- Parfümerie mit speziellen Duftnoten: Hier geht alles der Nase nach
> Seit fast 100 Jahren gibt es in Berlin die Parfümerie Harry Lehmann.
> Tradition heißt hier, dass man sich seinen ganz eigenen Duft mischen
> lassen kann.
Bild: Gewichtiger Spielplatz für den Duft: die Parfümerie Harry Lehmann
Berlin taz | Schon das elegante, doch altmodische Ladenschild lässt den
Passanten stutzen: „Parfums nach Gewicht. Künstl. Blumen“ steht in
geschwungener 50er-Jahre-Schreibschrift über dem Schaufenster in
Berlin-Charlottenburg. Dazwischen eine Apothekerwaage, auf der die Lettern
H und L ausbalanciert werden, darunter: „Seit 1926“.
Die Buchstaben stehen für „Harry Lehmann“ und der Laden ist eine Berliner
Institution: eine der kleinsten Parfümerien der Welt, die 72 eigene Düfte
mit Namen wie Eau de Berlin, Wüstenwind, Sucre oder Lambada anbietet.
Wem das nicht genügt, kann sich aus Aromen wie Vanille und Oud, Akazie und
Maiglöckchen seine eigene, individuelle Duftmischung zusammenstellen und in
Flakons abfüllen lassen. Und zwar immer wieder neu: Die individuelle
Mischung der Duftwässerchen wird handschriftlich auf einer Karteikarte
verzeichnet.
Doch all das wäre fast Geschichte gewesen, als Lutz Lehmann, der das
Geschäft in dritter Generation leitete, 2022 verstarb. Bis zuletzt hatte er
im Laden gestanden und Kunden bei der Duftmischung beraten. Niemand aus der
Familie wollte das Geschäft weiterführen, und so stand der Laden anderthalb
Jahre ungenutzt. Zum Glück hat die Hausverwaltung gewartet, bis sich jemand
fand, der das Geschäft, das zwischen den Döner-Imbissen und
Goldankauf-Filialen auf der Kantstraße nahe der Wilmersdorfer Straße etwas
deplaziert wirkt, im gewohnten Stil weiterführen wollte. Jetzt haben die
beiden Betriebswirte Vianney Lancres und Jannis Lucian Groh „Harry Lehmann“
neu eröffnet.
## Gewogen wird nun nicht mehr
Das „Parfum nach Gewicht“ ist dabei auf der Strecke geblieben – nach
EU-Regeln dürfen Flüssigkeiten zum Verkauf nicht mehr abgewogen werden, wie
es die Lehmanns jahrzehntelange getan hatten. Aber auch wenn jetzt nach
Zentilitern gemessen und bezahlt wird, bleibt man sonst dem Geist des
Unternehmens treu: Die neuen Eigentümer haben die schönsten
Einrichtungsstücke, die sich gut gepflegt seit der Eröffnung der Filiale
1958 an der Kantstraße erhalten haben, im Verkaufsraum gelassen: ein
eleganter Verkaufstisch, Regale mit Spiegelglasleisten, zierliche
Fifties-Sitzmöbel und eine tolle Deckenlampe aus Neonröhren. Sogar der
früher stadtbekannte „Tropfer“ ist wieder da: Einst hing er an der Filiale
in der Joachimsthaler Straße an der Fassade des Geschäfts und ließ rund um
die Uhr alle dreißig Sekunden ein Tröpfchen Parfum du jour fallen, mit dem
sich Passanten einduften konnten.
Die vielen bauchigen Glasflaschen mit den Duftmischungen sind zugunsten
einer übersichtlicheren Präsentation von Flakons gewichen, und die
künstlichen Blumen, die schon lange keine Käufer mehr fanden, wurden aus
dem Sortiment genommen. Dabei waren sie es, die einst zum Geschäftsmodell
des Unternehmens gehörten, als Eduard Lehmann sein Geschäft 1926 in der
Potsdamer Straße eröffnete: Die Kunststoffblumen sollten eingeduftet werden
und so den Raumgeruch verbessern.
Nur mit einem Taler in der Tasche soll dieser Eduard Lehmann als
15-Jähriger aus Schlesien abgehauen und durch die Welt gereist sein. Er
landete in der Nähe der [1][Parfümhauptstadt Grasse] in Südfrankreich, wo
er sich zum Parfümeur ausbilden ließ. 1926 eröffnete er sein Geschäft in
der Nähe des Potsdamer Platzes, 1928 übernahm sein Sohn das Business, das
1938 in die Friedrichstadt-Passage umziehen musste, weil es der
größenwahnsinnigen Planungen der Nazi-Hauptstadt Germania im Weg war. Auch
nach dem Zweiten Weltkrieg beeinflusste die Weltgeschichte die Geschicke
des Geschäfts, das zunächst in der Friedrichstraße Ecke Mohrenstraße neu
eröffnete, aber auf der Flucht vor der Planwirtschaft den Ostteil der Stadt
zugunsten einer Filiale am Zoo in Westberlin verließ. Zwischenzeitlich gab
es auch Dependancen in Neukölln und Frankfurt.
## Durchschnüffeln zum Duft
„Viele Stammkunden sind dem Geschäfts treu geblieben“, erzählt der neue
Eigentümer Vianney Lancres, und in der Tat warten an einem Freitag schon
vor Ladenöffnung um 13 Uhr mehrere Damen, leere Flakons in der Hand, auf
Einlass. Neukunden dürfen sich an einer Reihe von Glasflaschen, die von
„zitrisch-frisch“ über „floral“ und „erdig-holzig“ bis „ledrig�…
sind, durchschnüffeln, um ihren Duft zu finden. „Wenn sie beim Riechen zu
lächeln beginnen, weiß ich, dass ich auf der richtigen Spur bin“, sagt
Lancres, der zusammen mit seinem Partner Groh vorher Duftkerzen entwickelt
hat.
Wie diese Gerüche zustande kommen, bleibt allerdings Geschäftsgeheimnis:
Wie schon beim Vorgänger bleibt das Labor im Keller, in dem die Parfüms
zusammengerührt werden, für Außenstehende verschlossen: „Harry Lehmanns
Hexenküche. Zutritt streng verboten“, steht auf der Tür.
Da muss man sich dann auf die Beschreibungen [2][auf der Webseite]
verlassen: „Ein Duft der Flucht. Ein reiner, überraschender und leuchtender
Duft. Ein sinnlicher Duft mit einer großzügigen Spur. Er ist klar und
transparent, aber seine Frische strahlt Wärme aus“, heißt es zum Beispiel
über die Geruchsvariante Cochabamba.
4 Aug 2024
## LINKS
[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Grasse
[2] https://harry-lehmann-parfum.com/
## AUTOREN
Tilman Baumgärtel
## TAGS
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