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# taz.de -- Arbeiten mit Flugscham: Als ich neulich in Neuseeland war
> Eigentlich hat der Autor Probleme mit langen Flugreisen. Zumindest seine
> rechte Gehirnhälfte. Die linke Hälfte sagt: Die Pflicht ruft.
Bild: Außenministerin Baerbock stapft über den Strand vor der Siedlung Toguru…
Berlin taz | Als ich neulich in Neuseeland war, hätte es mich fast … („Du?
In Neuseeland? Was hast du denn da verloren?“, höre ich plötzlich eine
Stimme in meinem Kopf, gleich neben dem rechten Ohr. „Wie kommst du als
Ober-Öko denn ans andere Ende der Welt? Mit dem Fahrrad?“ Dann ein
schrilles Lachen. Hallo, liebe rechte Hirnhälfte, zuständig für Gefühl,
Spontaneität, Halligalli. „Nein, natürlich nicht mit dem Fahrrad, da ist
doch Wasser dazwischen“, klingt es ruhig und in tiefer Tonlage aus der
Region in meinem linken Kiefer. „Du weißt doch, dass er mit der
Außenministerin im Flugzeug nach Neuseeland gereist ist.“ Ah, willkommen
auch an die linke Hirnhälfte. Die Stimme der Vernunft, der Ratio, der
Logik.)
Also, als ich neulich in Neuseeland war, hätte es mich fast … („Ja, wie
jetzt?“, tönt es von rechts. „War mir schon klar, dass wir geflogen sind,
ich bin ja nicht doof. Ich wollte nur wissen, wie der feine Herr seine
Klimaschuld rechtfertigt. Gerade er, der immer über die Fliegerei für den
Kurzurlaub seiner Freunde lästert. Wie lange waren wir noch mal in
Neuseeland?“ Von links kommt die ruhige Antwort: „Einen Tag. Genauso wie
vorher in Australien. Und danach waren wir noch zwei Tage auf [1][Fidschi].
Es ist der Job von Journalisten, das Regierungshandeln zu beobachten und zu
begleiten.“ – „Ja, ja, und sich die Welt auf Staatskosten anschauen, was?…
schreit es von rechts, „kritische Distanz zu den Mächtigen?“ Von links
wieder ein Brummen: „Du weißt genau, dass wir das nicht auf Staatskosten
machen. Wir zahlen die Flüge und Hotels selbst. Wir reisen mit, sammeln
eigene Informationen und stellen so dumme oder kritische Fragen wie zu
Hause. Vielleicht solltest du mal ein bisschen nachdenken, ehe du redest,
Rechts! Aber das war noch nie deine Stärke!“ – „Oh, Links, du wirst ja
richtig emotional, kenne ich gar nicht von dir“, gackert es von rechts. „Da
habe ich wohl einen Nerv getroffen“ – „Ja, das mit dem Nerven stimmt
schon.“)
Also, Ruhe jetzt mal da oben. Was ich eigentlich denken wollte: Als ich
also neulich in Neuseeland war … („Das sieht dir ähnlich! Immer so liberal
tun, und wenn es ernst wird, den Autoritären rauskehren. Aber meine
Gedanken sind frei: Du bist ein verdammter Heuchler! Den Leuten von
Flugscham, Verzicht und „gutem Leben mit weniger“ predigen und sich dann
auf einem [2][21-Stunden-Flug im Regierungsflieger amüsieren] …“ Ein Ächz…
an meinem linken Backenzahn: „Amüsieren? Hast du Alzheimer da drüben?
Erinnerst du dich an diese Sitze, wo wir die Beine nicht ausstrecken und
nicht schlafen konnten und an die Angst vor der Thrombose? Es ist doch wohl
ein Unterschied, ob man im Urlaub freiwillig nach Neuseeland fliegt, um die
Gletscher zu sehen, die schmelzen, weil man dahin fliegt – oder ob das
globale Thema eines Klimajournalisten nun mal bedeutet, Entwicklungen auch
an diesen Orten genau zu beobachten. Wäre er für Berliner Politik
zuständig, säße er nicht in diesen Flugzeugen.“ – „Ausreden, alles
Ausreden“, kam es wieder von links.)
Achtung, hier meldet sich das Kontrollzentrum zwischen Links und Rechts.
Wir bitten um Entschuldigung für diese Unterbrechungen und liefern die Idee
für diese Kolumne hier nach: Der Autor war beim Besuch in Auckland vom
Linksverkehr und dem ungewohnten Sonnenstand (mittags im Norden)
überfordert. Er dachte: Auch die Klimaneutralität, die wir alle wollen,
verschiebt alle gewohnten Koordinaten. Also verständlich, dass so viele
Leute davon überfordert sind. Das Down Under der Klimapolitik sozusagen.
Diesen schlichten Gedanken wollte er gewohnt langatmig ausführen, kam aber
(siehe oben) nicht dazu.
Der Autor verspricht: Das nächste Mal hat er seine Gedanken wieder unter
Kontrolle. Und jetzt muss er mal ein ernstes Wort mit Links und Rechts
reden.
10 May 2024
## LINKS
[1] /Fragile-Demokratie-im-Suedseeparadies/!5905506
[2] /Staatsbesuche-per-Linienflug/!5950347
## AUTOREN
Bernhard Pötter
## TAGS
Wir retten die Welt
Neuseeland
Flugscham
Wale
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Am Boden geblieben
Klimaneutralität
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