# taz.de -- Europa und der Gaza-Krieg: Unerwünschter Redner | |
> Dem britisch-palästinensischen Chirurgen Ghassan Abu Sitta wurde in | |
> Frankreich die Einreise verweigert – so wie im April in Deutschland. | |
Bild: Darf er gar nicht mehr in die EU einreisen? Der britisch-palästinensisch… | |
PARIS/BERLIN taz | Ghassan Abu Sitta, ein für seine humanitären Einsätze in | |
Gaza bekannter britisch-palästinensischer Chirurg und Rektor der | |
Universität Glasgow, wurde am Samstag von der französischen Grenzpolizei | |
auf dem Flughafen Paris-Charles-de-Gaulle an der Einreise gehindert. | |
Mitte April war er bereits in Deutschland am Flughafen in Berlin an der | |
Einreise gehindert worden. Er hätte damals auf dem [1][umstrittenen | |
Palästina-Kongress] in Berlin sprechen sollen, der von der Polizei | |
aufgelöst und verboten wurde. Als Motiv für das französische Einreiseverbot | |
wurde nun auf den deutschen Entscheid vom 12. April verwiesen, Abu Sitta | |
wie andere Gastredner aus nicht einreisen zu lassen. | |
Ein französischer Beamter sagte der Nachrichtenagentur AP zufolge, Abu | |
Sitta sei abgewiesen worden, weil ihm die Einreise in alle Länder des | |
Schengen-Raums aufgrund eines deutschen Ersuchens verwehrt worden sei. Der | |
französische Beamte, der gemäß der Regierungspolitik nicht öffentlich | |
genannt werden darf, wollte keine Einzelheiten oder weitere Informationen | |
nennen. Das Präsidentenamt im Elysée-Palast erklärte hingegen, über den | |
Vorgang nicht informiert zu sein. | |
Ghassan Abu Sitta hatte am Samstag auf X geschrieben, dass er nicht wie | |
vorgesehen bei einer Konferenz im französischen Senat sprechen könne, | |
[2][weil er von Deutschland für ein Jahr aus der gesamten EU „verbannt“ | |
worden sei]. | |
## Das Einreiseverbot wirft Fragen auf | |
Ghassan Abu Sitta war aufgrund seiner humanitären Tätigkeit als Arzt in | |
Gaza in der Zeit nach dem 7. Oktober und bis Mitte November von einer | |
Senatorin der französischen Grünen als Augenzeuge zu einer Konferenz über | |
das Völkerrecht eingeladen worden. Das Thema der Debatte war: Respektiert | |
Frankreich das internationale Recht? | |
Abu Sitta war während des Krieges mit einer Delegation der Organisation | |
Ärzte ohne Grenzen als Chirurg in Gaza gewesen und hatte in Interviews mit | |
internationalen Medien geschildert, unter welchen Bedingungen er als | |
Chirurg in den Krankenhäusern al-Schifa und al-Ahli operieren musste: unter | |
äußerst prekären hygienischen Bedingungen und oft ohne Narkose und | |
Schmerzmittel für die schwerverletzten Patienten, bei denen es sich um | |
Opfer der israelischen Bombardierungen des Gazastreifens handelte. Im | |
Januar hatte er diesbezüglich auch vor dem Internationalen Strafgerichtshof | |
in Den Haag ausgesagt. | |
Vor dem Senat in Paris aber scheinen seine Darstellungen nicht erwünscht zu | |
sein. Oder hatten ihn die schlecht informierten französischen | |
Grenzpolizisten womöglich mit dem (allerdings viel älteren) Historiker | |
Salman Abu Sitta verwechselt? Der war im April ebenfalls nicht als | |
Gastredner in Berlin zugelassen worden und hatte dann das Redeverbot per | |
Video umgangen und damit den Abbruch des Kongresses veranlasst. | |
Im Kontext der propalästinensischen Proteste an der [3][Pariser Hochschule | |
Sciences Po] und anderen Universitäten wirft das Einreiseverbot Fragen auf. | |
Der kommunistische Senator Ian Brossat bezeichnete das Einreiseverbot ohne | |
Zögern als „Schande“. Im Verlauf des späteren Nachmittags wurde bei der | |
Konferenz im Senat eine aufgezeichnete Videobotschaft des unerwünschten | |
Arztes ausgestrahlt. | |
Unklar ist, welche deutsche Behörde das Betätigungsverbot gegen Ghassan Abu | |
Sitta verfügt hat – und warum. Kritiker werfen ihm vor, der „Volksfront zur | |
Befreiung Palästinas“ (PFLP) nahezustehen, weil er vor vier Jahren auf der | |
Beerdigung eines verstorbenen Gründers der Organisation eine Trauerrede | |
hielt. Die PFLP steht seit 2023 auf der EU-Terrorliste. | |
Aber ist das der Grund für das Betätigungsverbot? Auf Anfrage der taz | |
verwies das Bundesinnenministerium am Sonntag auf die Bundespolizei und die | |
Berliner Senatsverwaltung für Inneres. Ghassan Abu Sittas Anwälte wollen | |
sich damit nicht zufriedengeben: Sie bereiten rechtliche Schritte vor, wie | |
sie der taz sagten. | |
5 May 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Palaestina-Kongress-in-Berlin-aufgeloest/!6004209 | |
[2] https://twitter.com/GhassanAbuSitt1/status/1786673587673239605 | |
[3] /Nahost-Proteste-an-Sciences-Po/!6008414 | |
## AUTOREN | |
Rudolf Balmer | |
Daniel Bax | |
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