| # taz.de -- Antisemitismusvorwurf in Mädchenzentren: Kritik an Schließungen | |
| > Der Jugendhilfeausschuss diskutiert über die Rücknahme der Kündigungen. | |
| > Der Stadtrat spricht vom Verdacht auf antisemitische Strukturen beim | |
| > Träger. | |
| Bild: Möglichst bald sollen die Mädchenzentren wieder geöffnet werden (Symbo… | |
| BERLIN taz | Im Fall der Mädchenzentren Alia und Phantalisa versucht | |
| Friedrichshain-Kreuzberg nun den Schaden zu begrenzen. Das Jugendamt hatte | |
| dem Träger Frieda Frauenzentrum im April überraschend außerordentlich | |
| gekündigt, weil [1][leitende Mitarbeiter*innen sich antisemitisch | |
| positioniert haben sollen]. Die Mädchenzentren sind seitdem geschlossen. | |
| Ziel sei, die Arbeit möglichst schnell wieder aufnehmen zu können – und vor | |
| allem die Kontakte zu den Mädchen und jungen Frauen nicht abbrechen zu | |
| lassen. Das betonten am Donnerstag zahlreiche Redner*innen im | |
| Jugendhilfeausschuss des Bezirks. Der hatte sich zu einer öffentlichen | |
| Sondersitzung zusammengefunden, um über die Kündigung und ein mögliches | |
| Fortführen der Angebote zu diskutieren. | |
| Kritik kam dabei von Grünen, Linken und SPD, gemeint war damit vor allem | |
| das Vorgehen an sich. Der Jugendstadtrat von Friedrichshain-Kreuzberg, Max | |
| Kindler (CDU), hätte den Jugendhilfeausschuss in seine Entscheidung mit | |
| einbeziehen und anhören müssen, betonte etwa Olja Koterewa von den Grünen. | |
| Außerdem kritisierte sie, dass Kindler gekündigt habe, ohne vorher mit dem | |
| Träger zu sprechen oder andere Lösungen zu suchen. Die Situation sei | |
| dadurch verfahren. Die Vorwürfe müssten vollständig aufgeklärt werden. | |
| Auch aus dem Vorstand vom Frieda Frauenzentrum kam deutliche Kritik. Das | |
| Jugendamt habe private Konten ausgespäht und Tätigkeiten in der Freizeit | |
| von Mitarbeiter*innen bewertet. „Wir arbeiten intersektional. | |
| Antisemitismus hat bei uns keinen Platz“, sagte ein Mitglied aus dem | |
| Vorstand von Frieda. Sie betonte auch, dass der Stadtrat [2][allein | |
| aufgrund eines Verdachts] agiert habe. Das sei also noch keine Tatsache. | |
| Und auch eine Anzeige sei noch keine Verurteilung. | |
| ## Keine Details wegen Datenschutz | |
| Stadtrat Kindler verteidigte seine Entscheidung – erklärte aber, wegen | |
| Persönlichkeitsrechten nicht ins Detail gehen zu können. Die Gründe habe er | |
| in der nicht-öffentlichen Sitzung des Ausschusses dargelegt, und sie seien | |
| dort auch verstanden worden. Die Kündigung sei notwendig gewesen, denn | |
| Mitarbeiter*innen hätten Israel das Existenzrecht abgesprochen, zur | |
| Unterstützung der Hamas aufgerufen und sich eindeutig antisemitisch | |
| positioniert, deutete Kindler an. Woran genau er das festmachte, blieb | |
| vage. | |
| Dass die Aussagen und Positionierungen antisemitisch seien, habe er sich | |
| von Expert*innen bestätigen lassen. In der Diskussion betonte Kindler | |
| auch erstmals, dass es nicht nur um einzelne Mitarbeiter*innen gehe, | |
| sondern der Verdacht bestehe, das „im Träger eine Struktur ist, die die | |
| antisemitische Haltung unterstützt“. | |
| Im [3][von Frieda veröffentlichten Kündigungsschreiben] hatte Kindler | |
| Berichte über die Teilnahme an einer aufgelösten Mahnwache, Instagram-Posts | |
| und Likes für antisemitische Posts als Gründe für die Kündigung benannt. | |
| „Es ging eben nicht nur um Kritik am Staat Israel, oder um Teilnahme an | |
| Demonstrationen, beides ist natürlich möglich“, sagte er. Auch ihm sei | |
| daran gelegen, dass die Mädchentreffs möglichst schnell ihre Arbeit wieder | |
| aufnehmen könnten, möglicherweise mit neuem Träger. „Aber am Ende ist mir | |
| ein geschlossener Mädchentreff doch lieber, als einer, der möglicherweise | |
| von Antisemiten geleitet wird“, sagte er. Ob die Kündigung rechtens gewesen | |
| sei, das müsse nun das Verwaltungsgericht entscheiden. | |
| ## Beschluss am kommenden Dienstag | |
| Vier Stunden lang tauschten sich Ausschussmitglieder und zahlreiche Gäste | |
| über die Kündigung aus. „Wie kann es sein, dass der Stadtrat die Mädchen | |
| und jungen Frauen unbedingt vor einem vermuteten Mangel an Neutralität | |
| schützen will – und ihnen damit einen wichtigen Schutzraum raubt?“, fragte | |
| eine Sozialarbeiterin. Eine gerichtliche Entscheidung werde vermutlich | |
| mindestens mehrere Wochen, wenn nicht Monate, dauern, hieß es. Bis dahin | |
| müssten die Zentren nach jetzigem Stand komplett geschlossen bleiben. „Die | |
| Kündigung war ein Fehler“, sagte Frank Vollmert von der SPD. Das sei | |
| einmalig, „in der Schärfe habe ich das in 30 Jahren nicht erlebt“. | |
| SPD, Grüne und Linke haben Beschlussvorlagen vorbereitet. Sie fordern, dass | |
| die Kündigung zurückgenommen wird oder aber der Betrieb – möglicherweise | |
| mit dem gleichen Personal – möglichst schnell wieder aufgenommen wird. Die | |
| Beschlussvorlagen regen außerdem einen Fachtag über politische | |
| Bildungsarbeit und das Neutralitätsgebot an und fordern Jugendamt und | |
| Träger auf, entsprechende Leitlinien oder Geschäftsordnungen zu erarbeiten. | |
| Am kommenden Dienstag soll der Jugendhilfeausschuss darüber entscheiden. | |
| Allerdings ist bisher unklar, ob das Jugendamt an einen Beschluss des | |
| Ausschusses gebunden ist. | |
| Außerdem solle Frieda sich zu den Vorwürfen äußern und möglicherweise auch | |
| intern Konsequenzen ziehen. Von Frieda wiederum hieß es, dass es nicht | |
| darum gehen könne, einfach die Räume wieder aufzumachen. „Unsere Arbeit ist | |
| Beziehungsarbeit, die unsere Mitarbeiter*innen zu den Mädchen und | |
| jungen Frauen direkt aufgebaut haben. Wir sind nicht einfach austauschbar“, | |
| sagte ein Mitglied. | |
| 3 May 2024 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Palaestina-Israel-Konflikt/!6003366 | |
| [2] /Repression-propalaestinensischer-Proteste/!6003372 | |
| [3] https://www.frieda-frauenzentrum.de/informationsschreiben-von-frieda-frauen… | |
| ## AUTOREN | |
| Uta Schleiermacher | |
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