# taz.de -- „Polizeiruf“ aus Magdeburg: Wenn Claudia Michelsen influenct | |
> Weniger eine Geschichte über das Internet, sondern über die Sehnsüchte | |
> junger Frauen: Der „Polizeiruf“ aus Magdeburg lebt von etwas ganz | |
> anderem. | |
Bild: Aalisha sucht die Nähe zu ihrer Familie, doch Mutter Halime und Schweste… | |
Ja, mach den „Polizeiruf“, meldete die Redaktion, man sei gespannt, wie | |
Influencer im Sonntagskrimi dargestellt werden. Erste Erkenntnis: Ich bin | |
entweder so alt oder so entfernt von Youtube-Shorts und Tiktok, dass mir | |
die ARD wirklich alles vorsetzen, es „[1][Influencer]“ nennen kann – und | |
ich denke: joah, okay. Was weiß denn ich, ob das authentisch ist oder total | |
hanebüchener Quark. | |
So wie Hauptkommissarin Brasch. Am Tatort, unter der hohen Glaskuppel eines | |
Einkaufszentrums, liegt eine junge Frau, kirschrote Haare, tot. Eine Zeugin | |
sagt: „Das ist Lisha, oder?“ Und Brasch, nur tausend Fragezeichen im | |
Gesicht: „Wer ist Lisha?“ | |
Alisha Mansour (Hannah Gharib) eben, die mit Red-Carpet-Lives und | |
Abnehmprodukt-Kollaborations-Kram Geld verdient, nach Problemen mit jenem | |
Abnehmprodukt nur noch Hassnachrichten bekommt, von 1.5 Millionen Followern | |
bleiben 200.000, kein Geld mehr hat – und jetzt dort auf dem Steinboden | |
liegt. Suizid, so die Anfangsthese. | |
Zweite Erkenntnis: [2][Mich interessiert nur eins am Magdeburger | |
„Polizeiruf“: Claudia Michelsen.] Sowieso und immer – und ihre Brasch dann | |
erst recht. Und Uwe Lemp als ihr Chef Vörtler, der Überfall auf ihn in der | |
vorigen Folge hat Spuren hinterlassen, Krücken, mies gelaunt, alles. Die | |
zwei taugen nach einem Jahrzehnt Zusammenarbeit langsam als eines der | |
unaufgeregtesten und selbstverständlichsten Siez-Duos der | |
Sonntagabendkrimilandschaft. | |
## Sehnsucht junger Frauen | |
Aber nach der Hälfte von „Unsterblich“ dreht sich was. Bilder einer | |
Doppelgängerin von Alisha tauchen im Rahmen der Ermittlung auf – als | |
Vermisste. Für sich genommen eine etwas abseitige Idee. Als | |
Erzählungstreibstoff aber wirksam. Oder wie Brasch sagt: „Eindeutig ist | |
hier gar nichts mehr.“ | |
Die Story von [3][Michael Gantenberg] ist weniger die Geschichte über | |
Internetzeug, sondern über die Sehnsucht junger Frauen, jemand zu sein. Und | |
die Angst, nicht mehr „jemand“ zu sein. Über den Kampf einer Familie mit | |
Fluchtgeschichte, sich ein neues Leben aufzubauen, mit einem Restaurant, | |
dabei ist der Vater eigentlich Physiker. Darüber, wie diese Familie, die | |
Kinder auseinander- und gegeneinanderdriften. Und darüber, wie die Polizei | |
mit Stereotypen ermittelt, erst mal den Bruder verdächtigt, „Familienehre“, | |
die übliche Leier – und Brasch sich aufrichtig über ihre eigenen | |
rassistischen Vorurteile ärgert. | |
Florian Knittel hat das Ganze meist präzise inszeniert. Das Miteinander und | |
Gegeneinander der jungen Frauen, die Sollbruchstellen von Vörtler, | |
ansonsten Michelsen ihr großartig unauffälliges Ding machen lassen. Nur die | |
Auftaktszene mit dem Nachtfalter, der erst an den großen Schminkspiegel | |
knallt, sich ans Fenster setzt, bis die junge Frau mit den roten Haaren ihn | |
rauslässt, ins Freie – puh. Und manchen Dialog hätte man besser noch mal | |
angefasst. „Du bist so billig und fake“ als Onlinebeschimpfung, joah, okay. | |
Aber der Satz geht noch weiter: Sie sei „so hohl wie eine Christbaumkugel“, | |
ist dann doch seltsam altertümlich für junge Social-Media-Beschimpfungen. | |
Das merken dann sogar Leute, die total abgekoppelt sind von dieser Blase. | |
Aber zum Schluss noch das, sie sind es wert: Zwei Menschen spielen in | |
diesem „Polizeiruf“ mit, die Anfang dieses Jahres verstorben sind. | |
Volksbühnen-Schauspieler Hendrik Arnst als Altenheimbewohner. Und der | |
BHZ-Rapper Pablo Grant als Kriminalobermeister. | |
12 May 2024 | |
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## AUTOREN | |
Anne Haeming | |
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