# taz.de -- Abtreibungen in Deutschland: Keine schnelle Legalisierung | |
> Eine ExpertInnenkommission empfiehlt die Liberalisierung des | |
> Abtreibungsrechts. Die zuständigen Ministerien reagierten am Montag | |
> zurückhaltend. | |
Bild: Vier Expertinnen (vl.n.r) stellen den Abschlussbericht der Kommission vor… | |
[1][Nach den Empfehlungen einer ExpertInnenkommission zur möglichen | |
Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen] sind kurzfristige Neuerungen | |
vonseiten der Ampelkoalition nicht zu erwarten. | |
Die 18-köpfige Kommission hatte im Auftrag der Bundesregierung unter | |
anderem geprüft, ob und wie Schwangerschaftsabbrüche außerhalb des | |
Strafgesetzbuchs geregelt werden könnten. Die ExpertInnen kommen zu dem | |
Schluss, dass das bisher geltende grundsätzliche Abtreibungsverbot „nicht | |
haltbar“ sei. Am Montag übergaben sie ihren Abschlussbericht offiziell an | |
die drei beteiligten MinisterInnen. | |
Die reagierten mit Zurückhaltung. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach | |
(SPD) lobte zwar die „hervorragende“ Arbeit der Kommission. Er sagte aber | |
zugleich, für Veränderungen brauche es einen „breiten gesellschaftlichen | |
und natürlich auch parlamentarischen Konsens“. Bundesfrauenministerin Lisa | |
Paus (Grüne) sagte, die Empfehlungen der Kommission böten eine „gute | |
Grundlage“ für den nun nötigen offenen Diskurs. | |
Und Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) kündigte an, die | |
Bundesregierung werde den Bericht zunächst „gründlich auswerten“. Was man | |
nicht gebrauchen könne, seien Debatten, „die die Gesellschaft in Flammen | |
setzen“. Um nun das weitere Verfahren festzulegen, so Buschmann, sei es zu | |
früh. | |
Im Wahlprogramm hatten sowohl Grüne als auch SPD die Legalisierung von | |
Schwangerschaftsabbrüchen gefordert. Doch ganz offensichtlich scheut die | |
Ampelkoalition im Superwahljahr die politische Kontroverse. | |
## Mehrheit der Bevölkerung für Liberalisierung | |
Dabei sprechen die gesellschaftlichen Mehrheiten klar für eine | |
Legalisierung: Ebenfalls am Montag [2][konnte die taz exklusiv Ergebnisse | |
einer repräsentativen Umfrage des Bundesfrauenministeriums einsehen.] | |
Derzufolge halten es mehr als 80 Prozent der deutschen Bevölkerung für | |
falsch, dass ein Schwangerschaftsabbruch, zu dem eine ungewollt Schwangere | |
sich nach einer Beratung entscheidet, rechtswidrig ist. Rund 75 Prozent | |
finden zudem, dass Abbrüche künftig eher nicht mehr im Strafgesetzbuch | |
geregelt werden sollten. | |
Bemerkenswert ist, dass die WählerInnen aller im Bundestag vertretenen | |
Parteien die Rechtswidrigkeit von Abbrüchen deutlich ablehnen. Selbst bei | |
der Union, die keine Legalisierung von Abtreibungen will, sind es 77,5 | |
Prozent, bei der AfD 67,4 Prozent. 93,9 Prozent der Linken-WählerInnen und | |
92,4 Prozent der Grünen-WählerInnen halten die Rechtswidrigkeit für falsch, | |
unter SPD-WählerInnen sind es 87,5 Prozent. | |
Während die MinisterInnen erst jetzt Stellung zu den Empfehlungen der | |
Kommission nahmen, [3][werden diese schon seit Bekanntwerden vor einer | |
Woche gesellschaftlich kontrovers diskutiert]. Am Montag nun sprach sich | |
die Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Irme | |
Stetter-Karp, gegen eine Legalisierung von Abbrüchen aus. „Wir halten es | |
nicht für richtig, dem Embryo in den ersten Wochen keinen Schutz mehr zu | |
geben.“ | |
Gökay Akbulut, Sprecherin für Frauenpolitik der Gruppe Die Linke im | |
Bundestag, sagte: „Wir fordern die Bundesregierung auf, | |
Schwangerschaftsabbrüche zu legalisieren“. Abbrüche müssten „ein normaler | |
Teil der gesundheitlichen Versorgung werden – ohne Zwangsberatung und | |
Wartepflicht“. | |
## Frauenrechtsorganisation mit klarer Haltung | |
Auch Sina Tonk von der Frauenrechtsorganisation Terre des Femmes sagte, es | |
sei längst überfällig, „dass der frauenfeindliche Paragraf 218 endlich aus | |
dem Strafgesetzbuch gestrichen wird“. Jede Frau müsse frei entscheiden | |
können, ob, wann und mit welcher medizinischen Methode sie eine | |
Schwangerschaft abbrechen möchte. Jede Frau habe Anspruch auf kostenlose | |
und qualifizierte Betreuung. | |
Katharina Masoud, Expertin für Geschlechtergerechtigkeit bei Amnesty | |
International, sagte: „Die Bundesregierung muss endlich handeln und die | |
deutsche Gesetzgebung zu Schwangerschaftsabbrüchen mit internationalen | |
menschenrechtlichen Standards in Einklang bringen.“ | |
15 Apr 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Schwangerschaftsabbrueche-in-Deutschland/!6000620 | |
[2] /Umfrage-zu-Abtreibungen-in-Deutschland/!6004352 | |
[3] /CSU-Politikerin-Baer-zu-Abtreibungen/!6000649 | |
## AUTOREN | |
Patricia Hecht | |
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