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# taz.de -- Elon Musks Raketenfirma SpaceX: Schlechter Start
> Die Firma SpaceX testet in Texas Raketen, die die Menschheit zum Mars
> bringen sollen – und lässt jetzt schon Umweltschäden und Zerstörung
> zurück.
Bild: 3 … 2 … 1: Umweltzerstörung! Start einer „Starship“-Rakete in Bo…
Austin / Boca Chica / Brownsville taz | Wer ins All möchte, muss erst mal
Richtung Äquator. Je näher, desto besser, denn entlang dieser Achse kreist
die Erde ein wenig schneller, eine Rakete bekommt einen letzten Schub auf
ihrem Weg in Richtung Sterne.
Die Europäische Raumfahrtagentur ESA unterhält deswegen eine Startbasis in
Französisch Guayana, die berühmtesten Flüge der Nasa starteten im
tropischen Florida, und auch die Sowjetunion versuchte mit dem „Kosmodrom“
Baikonur im südlichen Kasachstan möglichst nah an den warmen Breitenkreis
heranzukommen.
Der Boca Chica-Strand in Texas ist vielleicht nicht der südlichste Punkt
der USA und damit dem Äquator am nächsten, doch für die größte Rakete aller
Zeiten reicht es trotzdem. Boca Chica liegt zumindest am südlichen Ende von
Texas, umgeben von Salzwiesen, aus denen Stöße von Wandervögeln in den
Himmel steigen. An einem diesigen Morgen steht die 50 Meter lange Raumfähre
vom Typ „Starship“ wie abflugbereit neben ihrer Startrampe. Ihre
schillernde Metallhülle reflektiert das Morgenlicht und erinnert an einen
überdimensionierten alten Wohnwagen, der auf seinem Heck steht und
senkrecht in die Höhe ragt.
Über 90.000 Kilonewton Schub hat die neueste Ausführung der Rakete, die
neben dem Starship steht und die Fähre ins Weltall bringen soll – fast
dreimal so viel wie die „Saturn V“, mit der die ersten Menschen zum Mond
geflogen sind. Die Rakete selbst ist wiederverwendbar und soll bis zu 150
Tonnen Ballast tragen können. „Tor zum Mars“ steht auf der Mauer des
Firmengeländes von SpaceX. Eigentümer [1][Elon Musk] prophezeit, dass der
rote Planet dank der Erfindungen seiner Firma kolonisiert werden wird. Am
Strand von Boca Chica testet SpaceX das System, um es marktreif zu machen.
Die Region, aus der seit genau einem Jahr und einem Tag die Raketen
starten, heißt Rio Grande Valley, viele Menschen in Texas nennen das Gebiet
schlicht „das Tal“. Es wird eingerahmt durch den Golf von Mexiko im Osten
und den Fluss Rio Grande im Westen, dessen Verlauf zugleich die Grenze zu
Mexiko bildet. Zwischen den Ballungsgebieten im Zentrum des Bundesstaates
und dem Rio Grande Valley liegen Hunderte dünn besiedelte Kilometer – und
mehrere Welten.
„Elon Musk hat selbst gesagt, dass hier unten nichts ist, und dass es
deshalb auch in Ordnung ist, wenn er hier alles explodieren lässt“, sagt
Gloria Thomas. Die junge Aktivistin mit dem schnellen Lächeln kommt aus
Brownsville, mit 190.000 Menschen die größte Stadt im Rio Grande Valley,
etwa eine halbe Stunde Autofahrt von Boca Chica gelegen. Vor einem kleinen
Café in der historischen Innenstadt erzählt sie von ihrer Heimat.
„Brownsville hat eine ganz eigene Kultur, die meisten Menschen hier haben
auf beiden Seiten der Grenze gelebt.“
Zum nächsten Grenzübergang in die mexikanische Stadt Matamoros sind es nur
wenige Minuten zu Fuß, doch schon hier ist der Unterschied zum Nachbarland
nicht mehr zu greifen. An die 90 Prozent der Einwohner:innen der Region
sind Latinos, in den Straßen wird Spanisch gesprochen, viele Geschäfte
kommen ganz ohne englischsprachige Schilder aus.
Im subtropischen Süden des Staates ist es noch ein wenig wärmer als im
ohnehin schon heißen Texas. Morgens zieht dichter Nebel vom Meer heran, in
den fruchtbaren Feldern wachsen Zuckerrohr, Zitrusfrüchte und Baumwolle.
„Die USA sehen Mexiko schon lange nur als Lieferant für Rohstoffe und
billige Arbeitskräfte, und zu einem gewissen Maß trifft das auch auf uns
hier zu“, sagt Thomas. Das Rio Grande Valley, kurz vor der Grenze, liefert
zwar immense Mengen an Lebensmitteln, gehört aber zu den benachteiligten
Gegenden des Landes, ein Drittel aller Einwohner:innen lebt in Armut.
Gloria Thomas wehrt sich zusammen mit der Gruppe South Texas Environmental
Justice Network gegen den Ausbau der Weltallinfrastruktur im Rio Grande
Valley, denn sie fürchtet dessen Folgen für ihre Heimat.
Die ersten Tests der gigantischen Rakete am Boca Chica Beach ließen
Fensterscheiben umliegender Häuser zerbersten, ein Feuer auf dem
Startgelände setzte 16 Hektar Grünflächen in Brand. Als es bei einem
missglückten Test auf der Startfläche zu einer Explosion kam, schleuderte
diese Feinstaub und große Betonsteine durch die Luft, die mehr als einen
Kilometer weiter im Meer landeten. Ende letzten Jahres setzte ein weiterer
Test solche Energien frei, dass diese auch 30 Kilometer weiter von Geräten
erfasst wurden, mit denen Erdbeben gemessen werden. „Bei vielen Leuten, die
in billig gebauten Häusern und Wohnungen leben, zerbarsten die Rohre“,
erzählt Thomas.
„Boca Chica ist alles andere als ein perfekter Ort für Raketenstarts“, sagt
Erich Roesch. Der Mittdreißiger arbeitet seit Jahren als Ingenieur in
großen Industriewerken und stellt sicher, dass deren Betriebsabläufe mit
geltenden Umweltauflagen im Einklang sind. „Mit Weltraumsachen habe ich
eigentlich gar nichts zu tun, aber ich habe mich für die Startbasis
interessiert und mit der Zeit gemerkt, dass niemand genau mitzukriegen
scheint, was dort passiert.“
Roesch betreibt einen Blog mit dem Namen „ESG Hound“, dessen Lektüre für
Aktivist:innen und Mitglieder der Presse mit einem Interesse an Boca
Chica fast obligatorisch ist. Mit langen, hoch detaillierten und von
Sarkasmus triefenden Einträgen widmet sich Roesch den vielen
Ungereimtheiten, die dazu führen konnten, dass ein winziger Landstreifen an
der Küste von Texas zum Testgebiet für die größte Rakete aller Zeiten
werden konnte.
„Das Gesetz sieht eigentlich vor, dass eine umfangreiche ökologische Studie
vorgenommen wird, bevor solche Anlagen in Betrieb gehen können“, erzählt
Roesch der taz. Betreiber sind dazu verpflichtet, in einem umfangreichen
Verfahren zu überprüfen, ob die von ihnen geplanten industriellen Abläufe
in diesem Umfang an einem bestimmten Ort stattfinden können, ohne Mensch
und Umwelt maßgeblich zu beeinträchtigen. Im Fall von SpaceX in Boca Chica
„war das alles Bullshit“, sagt Roesch,
Die Ungereimtheiten beginnen für Roesch schon mit der Rakete, für die das
Startgelände eigentlich geplant war. SpaceX hatte bei den Anträgen auf
Baugenehmigungen angegeben, dass auf diesem Areal eine Variante der
„Falcon“-Rakete getestet werden sollte, die den größten Teil der SpaceX
Flotte ausmacht. Nachdem sich die Firma das Gelände gesichert hatte, machte
sie eine Kehrtwende und erklärte es zum Testgebiet für Starship – eine
Rakete, die mehr als viermal so groß ist wie die Falcon.
Roesch beschloss, sich neben seiner Arbeit intensiver mit Boca Chica zu
beschäftigen, nachdem er auf die Blaupausen im ersten Antrag des Konzerns
gestoßen war. „Eigentlich hatten sie auch noch ein Gaswerk geplant“, sagt
Roesch, über dieses könnte das Methangas direkt verarbeitet werden, das
einen maßgeblichen Teil des Antriebs für das Starship liefert. „Als ich
gesehen habe, was sie alles mit diesem winzigen Streifen Land vorhaben,
habe ich mir gedacht, dass ist doch wahnsinnig.“
Für Roesch ist einer der eigenartigsten Umstände des eigentlich
ungenehmigten Ausbaus an der Küste, dass SpaceX von der zuständigen
Luftfahrtbehörde FAA weiter Startgenehmigungen für ihre Prototypen bekommt.
„Sie spielen einfach mit“, sagt er. Trotz des Umstandes, dass der
Musk-Konzern bis heute keine umfassende ökologische Studie für seine
Startbasis vorgelegt hat, und dass er eine vollkommen andere Anlage
betreibt als eigentlich angemeldet, darf er weiter seine Marsrakete testen.
Eine schmale Asphaltpiste führt von Brownsville zum Strand von Boca Chica.
Links und rechts der Straße breiten sich die salzigen Marschlandschaften
aus, die auf mehrere Naturschutzgebiete aufgeteilt sind. Das Ökosystem um
den Strand ist einzigartig, in den Dünen brüten Meeresschildkröten, zwei
Migrationskorridore für Zugvögel laufen über ihm zusammen. Die „Starbase�…
wie Elon Musk die Startbasis nennt, ist auf mehrere Parzellen aufgeteilt.
Ein Entwicklungsgelände, auf dem mehrere Prototypen stehen, liegt keinen
Meter höher als die angrenzende Lagune, sie scheint wie eine Fata Morgana
am Horizont zu schweben.
Christopher Basaldu führt an der Startplattform mit der gleißenden
Starship-Rakete vorbei zum Strand und von dort weiter zur Mündung des Rio
Grande. Wenn in Boca Chica die Raketen starten, lässt SpaceX die gesamte
Straße und damit den Zugang zum Meer sperren. Heute ist das Publikum eine
Mischung aus schaulustigen Weltraumfans, Strandbesucher:innen und
Angehörigen der Grenzpolizei, die mit Pick-up-Trucks und Geländefahrzeugen
den Strand patrouillieren.
Basaldu kommt aus Brownsville und ist Angehöriger der Esto’k Gna, einer
indigenen Gruppe, deren Geschichte im Süden von Texas weit zurückgeht. Er
ist groß, mit sanften Gesichtszügen, und schwitzt ein wenig, während er die
letzten Schritte vom Meer zur Mündung des Flusses zurücklegt. „Boca Chica“
heißt „kleine Mündung,“ diesen Namen gab die Spanische Kolonialmacht der
Gegend, als sie in das heutige Texas kam. Der große Fluss Rio Grande hat
hier sein schlammiges Ende und vermischt sich mit dem Golf von Mexiko, ein
Randmeer des Atlantiks. Am vermüllten Flussufer zwischen USA und Mexiko
treiben Pelikane, ein bulliger Grenzbeamter sitzt in seinem Auto und schaut
Richtung Meer.
„Die Mündung des Flusses ist für uns der Ursprungsort“, erzählt Basaldu
später in seiner Wohnung in Brownsville. „Hier hat der Schöpfer die erste
Frau gemacht, die unser aller Mutter ist.“ Die Esto’k Gna, von den Spaniern
„Carrizo Comecrudo“ genannt, lebten auf beiden Seiten der heutigen Grenze,
heute zählt die Gruppe ein paar hundert Mitglieder, von denen Basaldu einer
der politisch aktivsten ist. Basaldu hat an der Harvard Universität
studiert, promoviert, und sich dabei auch fachlich mit dem Umgang mit
Amerikas indigener Bevölkerung auseinandergesetzt. In seiner Heimatstadt
Brownsville engagiert er sich wie Gloria Thomas beim South Texas
Environmental Justice Network.
„Ich habe einen Ablehnungsreflex gegen alles, was sich Kolonisierung
nennt“, sagt Basaldu über die Bestrebungen von SpaceX, über Boca Chica
Beach den Mars zu erobern. Basaldu lacht über die Ideen und Projekte des
Science-Fiction-Fans Elon Musk: „In diesen Namen und Ideen spiegelt sich
immer wieder das gleiche. Terra-Forming zum Beispiel, bei dem andere
Planeten umgeformt werden sollen, um der Erde zu ähneln. Der Mars kann doch
einfach der Mars bleiben.“
Basaldu versteht nicht, warum Milliarden in die Raumfahrt investiert
werden, während im Rio Grande Valley die Armut grassiert. Die Esto’k Gna
haben eine schwierige Position, da sie von der Bundesregierung in
Washington nicht anerkannt werden. Obwohl ihre Geschichte historisch belegt
ist, steht ihnen offiziell kein Land und kein Platz an den
Verhandlungstischen zu.
Basaldu kämpft mit seiner Gruppe gegen die Industrialisierung entlang der
Küste. In diesem Jahr wurde nach langem Widerstand eine alte Kultstätte der
Esto’k Gna umgegraben, um Platz für ein [2][LNG] Exportwerk zu machen. „Wir
geben Milliarden in die Hände des reichsten Kolonialisten der Erde, statt
uns hier um Wasser, Essen und Wohnräume für Menschen zu kümmern.“
560 Kilometer weiter nördlich steht Mary Branch in ihrem Haus in Austin und
regt sich auf. „Sie nannten es früher das magische Tal, und es war
unvergleichlich“, erzählt Branch von ihrer Kindheit in Brownsville. Die
Pensionärin hat wache, braune Augen und flucht im breiten texanischen
Dialekt, während sie ihre Aktenordner durchgeht. „Jetzt zünden sie dort
Raketen und bauen LNG-Werke“, sagt sie und schüttelt den Kopf. „Es wird nie
wieder so sein wie früher.“
Auch Branch engagiert sich gegen SpaceX, ihr anderes Haus in dem winzigen
Ort Port Isabel liegt an derselben Bucht, wie die Startbasis. Branch hat
über Jahre beobachtet, wie Elon Musk sich in Texas den Boden bereitet hat.
„Kurz nachdem sie die Baugenehmigung bekommen haben, haben sie die
Bundestaatsregierung dazu bewegt, Gesetze zu verabschieden, über die die
Industrie geschützt wird.“ Unter dem republikanischen Gouverneur Greg
Abbott erließ die Regierung von Texas einen Klageschutz für SpaceX,
aufgrund dessen es unmöglich ist, die Firma rechtlich für die Folgen ihrer
Tests zu belangen.
Der Konzern hat in der Lokalpolitik großen Einfluss. Nachdem ein
Starship-Prototyp über Boca Chica explodierte und die Trümmer Häuser in der
Gegend beschädigten, versprach Elon Musk 20 Millionen Dollar für Schulen
und die Wiederbelebung der schönen, aber maroden Innenstadt von
Brownsville. Unter den Firmen, die Gelder für die Renovierung eines
historischen Gebäudes bekamen, befand sich auch eine in der Hand des
damaligen Bürgermeisters Trey Mendez, erzählt Branch.
Während seiner Amtszeit veröffentlichte Mendez zudem die privaten Daten
eines Mitglieds des South Texas Environmental Justice Network, das
beschuldigt wurde, ein von SpaceX in Auftrag gegebenes Wandbild mit einer
Anti-Gentrifizierungs-Parole übermalt zu haben. Mendez ist mittlerweile
zurückgetreten, arbeitet aber nach wie vor in der örtlichen
Immobilienbranche.
Mary Branch ist auch deswegen gerade in der texanischen Hauptstadt Austin,
weil in dieser entschieden wird, ob der Bundesstaat Land mit SpaceX
tauscht, damit das Gelände am Boca Chica Beach weiter ausgebaut werden
kann. Für die Entscheidung zuständig ist die Natur und Wildnis Behörde
„Texas Parks and Wildlife Department“ (TPWD).
Ein paar Tage später haben sich in einem brutalistischen Betonbau am
Stadtrand von Austin um die 100 Aktivist:innen, Anwälte und Presserverteter
eingefunden, um an der Anhörung teilzunehmen. TPWD wird von einer
Kommission geleitet, deren Mitglieder persönlich vom Gouverneur berufen
werden. Wer zu den SpaceX Vertretern gehört, und wer aus dem Rio Grande
Valley angereist ist, lässt sich nicht nur an der Sitzverteilung im dunkel
getäfelten Sitzungssaal erkennen, sondern auch demografisch: Fast alle
Anwohner:innen sind Latinos oder indigen, die Delegation der
Befürworter fast ausschließlich weiß.
Zur Entscheidung steht, ob TWPD SpaceX einen 17 Hektar großen Landtrakt
abtritt, der an einem der Naturschutzgebiete liegt. Dieses hatte sich die
Behörde einst gesichert, um das empfindliche Ökosystem zu schützen. SpaceX
bot im Tausch eine mehr als 20-mal so große Fläche weiter nördlich an.
Die Stimmen aus dem Rio Grande Valley sind fast einvernehmlich: Nein. Einer
Verkleinerung des geschützten Gebietes am Meer widersprechen sie vehement.
Der Reihe nach sprechen junge und alte Menschen, die die 6 Stunden
Autofahrt aus dem Süden auf sich genommen haben, über die Relevanz von Boca
Chica. Für Menschen in Brownsville ist es der einzige Strand, erzählen sie.
Schon jetzt schränken die regelmäßigen Schließungen durch die Starbase den
Zugang ein, viele fürchten sich vor noch mehr Testflügen, mehr Explosionen,
mehr Umweltverschmutzung.
Mary Branch schreitet energetisch ans Mikrofon und erzählt von den
einzigartigen Lebensformen, die durch SpaceX bedroht sind. Auch Christopher
Basaldu ist angereist, um vorzusprechen, der Öl-Milliardär Jeffery
Hildebrandt, der der Kommission vorsitzt, spricht ihn als „Frau Basaldi“
an. Nach ein paar Stunden werden die öffentlichen Beratungen beendet, die
Kommission zieht sich zurück, um sich zu besprechen. Kurz danach wird die
einstimmige Entscheidung bekannt gegeben: Der Tausch darf stattfinden. Rund
einen Monat später gibt das South Texas Environmental Justice Network
bekannt, dass es gegen den Beschluss der Kommission Klage eingelegt hat.
Zurück am Boca Chica Beach sitzt Calvin Wehrle an seinem alten
Pick-up-Truck, auf dessen Ladefläche er eine kleine Holzhütte gebaut hat.
Wehrle ist um die 60, hager und von der Sonne gezeichnet. Neben seinem
Campingstuhl steht ein Fernglas auf einem Stativ. „Basecamp Zero“ hat er
auf die Seite des Fahrzeugs gemalt. Wehrle ist oft an der Starbase
anzutreffen, meistens zeltet er dann ein wenig versteckt in den Dünen und
parkt wie heute direkt gegenüber des Startgeländes. „Es ist ein desolater
Ort“, gibt er zu, aber „unheimlich aufregend.“
Darauf angesprochen, was ihn an der Starbase so anzieht, erzählt Wehrle
erst mal lange von einer schwierigen Trennung und einer Tochter, zu der er
keinen Kontakt mehr hat. „Deshalb steht auch hinten auf meinem Pick-up
‚Wertschätzt Väter wieder‘“, sagt er. Er stehe vor allem oft hier und
verteile selbst gedruckte Pamphlete und Aufkleber, „für die Kinder“, wie er
sagt.
„Es geht mir gar nicht so doll um den Mars“, sagt Calvin Wehrle. Er deutet
auf die Startbasis hinter sich, von der Lautsprecherdurchsagen herüber
schallen. „Damit können wir alles machen.“ Für ihn ist das Versprechen der
Raketen wichtiger, als die Orte, zu denen sie fliegen. „Elon hat nicht
gesagt, wir werden mit dem Starship zum Mars fliegen, sondern er hat
gesagt, wir werden damit zu einer interplanetaren Spezies“, sagt Wehrle
überzeugt. „Also wird das auch passieren.“
Elon Musk hat Millionen in das Rio Grande Valley als Raumfahrtzentrum
investiert. Über Steuervergünstigungen und Gesetzesänderungen haben
Bundesstaats- und Lokalpolitiker ihrerseits das gleiche getan. Der
Umweltingenieur Eric Roesch bezweifelt jedoch, dass SpaceX wirklich vorhat,
am Boca Chica zu bleiben. „Ich glaube, es geht vor allem darum, der Nasa zu
beweisen, dass das System funktioniert, damit SpaceX in ein paar Jahren
über die Basis in Florida starten kann“, sagt er. Roesch muss an die
sogenannten „Boom-Bust“- Zyklen denken, in denen ganze Städte durch
fallende Ölpreise in den Bankrott gestürzt werden. „Ich wäre nicht
überrascht“, sagt Roesch. „Das ist die Geschichte von Texas.“
Diese Recherche wurde durch das Olin / Netzwerk Recherche Stipendium
unterstützt.
18 Apr 2024
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Johannes Streeck
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