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# taz.de -- Osterfest in Jerusalem: Eine Botschaft der Hoffnung
> Die Stimmung in Jerusalem ist angespannt, der Krieg in Gaza
> allgegenwärtig. Christliche Osterprozessionen finden weitestgehend ohne
> Musik statt.
Bild: Christliche Gläubige nehmen in der Altstadt von Jerusalem an der der Kar…
Jerusalem taz | Die Via Dolorosa, eine enge Gasse in der Jerusalemer
Altstadt, ist am Karfreitag durch ein Metallgitter getrennt. Auf der einen
Seite schieben sich christliche Pilgergruppen aus Kamerun und Mexiko mit
schweren Holzkreuzen auf den Schultern den Leidensweg Jesu entlang.
Auf der anderen Seite spazieren Muslime im Fastenmonat Ramadan zum
Freitagsgebet auf den Haram Al-Scharif, den Tempelberg. Dazwischen
schlängelt sich vereinzelt ein orthodoxer Jude durch die Menge, in der Hand
letzte Einkäufe vor dem Beginn des Schabbat. An jeder Straßenecke
beobachtet eine Traube israelischer Grenzpolizisten die Szene.
Als die Karfreitagsprozession der Jerusalemer Katholiken in die Gasse
einbiegt, rücken die Polizisten die Gitter ein Stück beiseite. Hunderte
Gläubige schreiten singend hinter einem von zehn Trägern balancierten
Kreuzbalken her. „Normalerweise ist es am Karfreitag viel voller“, sagt
eine christliche Palästinenserin mit ihrer Tochter auf dem Arm, die aus
Ostjerusalem gekommen ist. „Doch weil Israel die Checkpoints ins
Westjordanland geschlossen hält, konnten viele Menschen von dort nicht
kommen.“
Trotz des bunten Treibens in der Altstadt [1][ist der Krieg im nahe
gelegenen Gazastreifen überall zu spüren]. Die muslimische Bevölkerung hat
auf die Lichterketten zu Ramadan verzichtet und die christlichen
Osterprozessionen finden weitgehend ohne Musik statt.
## Stellen seit Monaten unbesetzt
Seit Oktober wurden in Gaza nach Angaben des von der Hamas geleiteten
Gesundheitsministeriums mehr als 32.000 Menschen getötet. [2][Noch immer
werden dort mehr als 130 israelische Geiseln festgehalten. Unklar ist, wie
viele von ihnen noch leben.]
Wer in diesen Tagen an die Tür der evangelischen Probstei klopft, dem wird
von Probst Joachim Lenz persönlich geöffnet. Drinnen sind der Empfang und
die Büros verwaist. „Die meisten unserer Freiwilligenstellen sind seit
Monaten nicht mehr besetzt“, sagt Lenz. Zum Palmsonntagsgebet seien 35
Menschen gekommen. „Normalerweise ist das nach Weihnachten die größte Messe
mit bis zu 400 Besuchern.“
Nicht nur die geschlossenen Checkpoints und der Krieg seien schwer zu
ertragen, auch die Stimmung in Jerusalem selbst sei angespannt, sagt Lenz.
In der Altstadt leben jüdische Siedler und deren Angriffe auf Christen
hätten seit Oktober massiv zugenommen. Am stärksten treffe es die
armenischen Priester, die stets offen ein Kreuz tragen.
„Aber wenn ich in Amtskleidung auf die Straße gegangen bin, wurde ich auch
schon häufiger angespuckt“, sagt Lenz. Zudem habe die Zahl der Waffen in
den Händen jüdischer Zivilisten stark zugenommen. Eine nahe Thoraschule sei
kurz nach dem Überfall der Hamas am 7. Oktober mit Sturmgewehren
ausgerüstet worden. Manche Gemeindemitglieder würden erwägen, das Land zu
verlassen.
## Forderung nach einem Waffenstillstand
Neben der Probstei betritt am Gründonnerstag Sally Azar die Erlöserkirche
in Jerusalem zum Gottesdienst. Sie trägt eine weiße Robe mit einer
purpurnen Stola. Die junge Palästinenserin hat ihr Vikariat in Deutschland
absolviert und ist seit einem Jahr als erste palästinensische Frau Pastorin
der evangelisch-lutherischen Kirche im Heiligen Land.
„In den vergangenen Monaten war Hoffnung zu haben für uns alle schwer“,
sagt sie. „Wir denken immer, es kann nicht mehr schlimmer werden und dann
kommt die nächste traurige Nachricht.“ Dennoch sei die Botschaft von Ostern
eine der Hoffnung auf Veränderung und auf einen Sieg des Lebens über den
Tod. Dafür müsse als erstes der Krieg aufhören. „Wir fordern gemeinsam mit
den anderen Kirchenoberhäuptern von Jerusalem einen sofortigen und
dauerhaften Waffenstillstand.“
Zum Gottesdienst sind etwa 50 Menschen gekommen. Auf englisch, arabisch,
deutsch und dänisch erzählen Azar und ihre Kolleginnen und Kollegen vom
letzten Abendmahl. Wie Jesus dabei alle an einen Tisch geladen habe, was
heute in dieser Region oft nicht mehr möglich oder gewollt sei. „Trotzdem
glaube ich, dass es genau das braucht“, sagt der arabische Pastor Fursan
Zumot nach dem Gottesdienst bei einer Prozession zum Ölberg. „Es gibt in
diesem Land keine Zukunft ohne Koexistenz.“
29 Mar 2024
## LINKS
[1] /Purim-Feierlichkeiten-in-Israel/!5997578
[2] /Angehoerige-ueber-Geiseln-in-Gaza/!5998541
## AUTOREN
Felix Wellisch
## TAGS
Israel
Ostern
Jerusalem
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Schwerpunkt Nahost-Konflikt
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