Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Die Wahrheit: Traktoren wenden in der EU
> Wenn europäisches Fördergeld auf den Dorfplatz fließt, gibt es dort
> plötzlich Pflastersteine und neue Laternen, aber keine Bushaltestelle
> mehr.
Die Bagger vor unserem Haus betrachteten wir zunächst mit Belustigung – wer
hat die hier denn geparkt, mitten im Nirgendwo? Unser Dorf ist so klein,
dass ich gleichzeitig am Rand und in der Dorfmitte wohne; das soll mir erst
mal jemand nachmachen. Doch das Lachen verging uns schnell.
Seit Wochen weckt uns nämlich morgens um 7 Uhr nicht mehr die Amsel,
sondern Bob der Baumeister. „Das hat uns keiner gesagt!“, kreischten wir.
Und wurden belehrt, dass es eine Bürgerversammlung gegeben hatte, zu der
extra eingeladen wurde. „Da waren wir in Urlaub!“, jammerte ich, aber wenn
ich ehrlich bin, muss ich zugeben, dass ich Zettel in meinem Briefkasten
grundsätzlich für Einberufungen zum Schützenfest oder zum Feuerwehrball
halte. Vor beidem habe ich Angst und werfe sie deshalb ungelesen weg.
Also erfuhren wir alles von den Nachbarn: Die sonst wenig geschätzte EU hat
einen Haufen Geld spendiert für die Neugestaltung der Dorfmitte. Leider
wird dafür die Bushaltestelle direkt vor den Eingang der Nachbarn verlegt.
Die ursprüngliche Planung muss außerdem geändert werden, weil niemand
bedacht hatte, dass auf eine Hofzufahrt auch Traktoren passen müssen,
vielleicht sogar mit Anhängern. Wendekreis, dieses Wort war in der EU
bisher unbekannt.
Eigentlich wird nun alles aussehen wie vorher, nur mit Pflastersteinen
statt kaputtem Asphalt, neuen Laternen und ohne Bushaltestelle. Unser Teil
der Straße liegt allerdings nicht mehr ganz im Augapfel der EU, deshalb
wird hier nur neu asphaltiert, und zwar auf unsere Kosten. „Das muss ich
doch vorher wissen!“, fauche ich den Gemeindemitarbeiter an, der offenbar
schriftliche Kommunikation für überschätzt hält. „Warum? Zahlen müssen S…
ja sowieso“, meint er ungerührt zu seiner aufmüpfigen Untertanin.
Beim Treffen auf der Baustelle erfahren wir außerdem, dass die
gegenüberliegende Straßenseite schon mehr als sechs Monate schnelles
Internet hat. Bei uns liegt zwar der Anschluss, doch die Freischaltung
lässt seit Jahren auf sich warten. Ein Vorzeigeprojekt des Landkreises
Celle und des Telefonunternehmens Vodafone! Jaja, leider können nicht alle
gleichzeitig … Softwareprobleme … blablabla. Viel Spaß weiterhin mit Ihren
5 mbit! Schnitzen Sie sich Ihr Internet doch einfach selbst.
Demnächst wird wegen der Bauarbeiten auch noch die Zufahrt zu unserem
Grundstück für längere Zeit gesperrt und damit der Zugang zur E-Ladesäule.
Wo wir dann den nötigen Strom tanken sollen? „Das haben wir gar nicht
bedacht“, gibt sich Herr Zahlenmüssenjasie kleinlaut. „Das ist ja ganz neu,
so was!“
Ich freue mich schon auf die Einweihung des Dorfplatzes. Der letzte
Schandfleck wird dann unser kaputter Holzzaun sein, doch wir werden uns
nicht lumpen lassen und ihn zur Feier des Tages mit dem ungenutzten
Glasfaserkabel umwickeln. Lang lebe die Europäische Union!
10 Apr 2024
## AUTOREN
Susanne Fischer
## TAGS
Kolumne Die Wahrheit
Europäische Union
Dorf
Internet
Kolumne Die Wahrheit
Kolumne Die Wahrheit
Kolumne Die Wahrheit
Kolumne Die Wahrheit
Schwerpunkt AfD
Kolumne Die Wahrheit
## ARTIKEL ZUM THEMA
Die Wahrheit: Europameisterin im Sofahüpfen
Die Fußball-EM führt zu außergewöhnlichen Leistungen in den Bereichen
Chipsessen oder Staatsführung. Da muss manch andere Aktivität zurückstehen.
Die Wahrheit: Wozu ist man Ringer?
Unterwegs nach und in Köln, dieser Zentrale des rheinischen Frohsinns, den
es in aller Lakonie und unter allen Umständen zu umschiffen gilt.
Die Wahrheit: Auferstehung einer Anschlussreisenden
Wenn einen als perfekte Person die böse Welt pausenlos mit
Niederträchtigkeiten traktiert, dann kann es schon auch an der Deutschen
Bahn liegen.
Die Wahrheit: Der toteste Unort der Welt
Wichtige Kultur- und Wissenschaftsmenschen bevölkern gern Tagungen und
Symposien und verschwinden in einsamen Tagungshotels, Verwesung
inbegriffen.
Die Wahrheit: Käsehure in Betaversion
Der Winter zieht sich krankheitsbedingt dahin. Da kann man ruhig auf dem
Sofa die Rolle der Künstlichen Intelligenz übernehmen und Fragen
beantworten.
Die Wahrheit: Ja! Ja! Neuja!
Zwischen Weihnachten und Neujahr darf keine Wäsche gewaschen werden, besagt
ein Aberglaube. Und was geschieht, wenn die Regel nicht beachtet wird?
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.