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# taz.de -- MyGruni-Demonstration am Wannsee: Umverteilung auf Schwanenwerder
> Satirisch unterwegs auf Schwanenwerder: Nach den Grunewaldvillen nehmen
> MyGruni-Aktivisten den Reichtum auf Insellage in den Blick.
Bild: Eine gut gelaunte Demonstration auf der Reicheninsel
Berlin taz | Ein Waldspaziergang mit Polizeibetreuung: Rund einhundert
Menschen ziehen am Samstagmittag mit Bollerwagen, Sekt und Musik vom
S-Bahnhof Nikolassee zur Wannseeinsel Schwanenwerder. Einige tragen
Bademäntel, Schwimmreifen oder Luftmatratzen mit sich herum, andere halten
Schilder hoch, auf denen „FKK-Spaß statt Nobel-Tristesse“ steht oder
„Sozialer Wohnungsbau mit Seeblick – jetzt!“
Angemeldet wurde die Demonstration als „Springbreak auf Schwanenwerder“ vom
„Quartiersmanagement Schwanenwerder“. Dahinter steckt [1][die aktivistische
Gruppe MyGruni], die seit einigen Jahren am 1. Mai auch im Villenviertel
Grunewald unterwegs ist. Sie fordert unter anderem bezahlbaren Wohnraum und
Bildung sowie eine gerechtere Umverteilung von Reichtum.
## Gut gelaunte Demonstration
Eingestimmt vom „antikapitalistischen Jodelduo“ Esels Alptraum zieht die
gut gelaunte Demonstration auf die Reicheninsel. Die Demonstrant*innen
fordern einen freien Uferzugang, der für die Öffentlichkeit auf der Insel
nicht möglich ist, und bezahlbares Wohnen auf Schwanenwerder. Statt dem
angekündigten „Halligalli“ gibt es satirische und hintergründige
Redebeiträge rund um die Insel sowie einen Soundtrack aus erlesenen Songs
rund um Strand, Urlaub und gutes Leben von Punk (Slime) bis Schlager-Trash
(Cindy & Bert).
„Wir haben eine extreme Wohnungskrise in der gesamten Stadt, überall wird
nachverdichtet“, sagt Frauke Geldher von MyGruni zur taz. „Wir finden,
nirgendwo könnte man besser nachverdichten als hier auf Schwanenwerder.
Hier ist nämlich noch viel Platz, hier gibt es auch Leerstand und hier
könnte man richtig schönen sozialen Wohnungsbau mit Seeblick machen.“
Die Demonstration umrundet die kleine Insel auf der einzigen Straße,
Bewohner*innen allerdings lassen sich dabei nicht sehen. Trotz der
stets präsenten Polizei wird die Stimmung im Zug ausgelassen, die Reden
werden launischer, was möglicherweise mit einem gestiegenen Sektkonsum
zusammenhängen könnte.
Das Jodelduo stimmt einen selbst komponierten antikapitalistischen Schlager
an, die Menge singt lauthals mit: „Hurra! Denn Umverteilung ist da!“
## Unternehmer und Bankiers
In mehreren Redebeiträgen wird auf den historischen Hintergrund des
satirischen Spektakels verwiesen: 1882 wird die Insel von einem
Industriellen aufgekauft, aufgeschüttet und parzelliert. Bald lassen sich
reiche Unternehmer und Bankiers in eigens errichteten Villen nieder,
weswegen die Insel bald „Bonzenwerder“ genannt wird.
„Hier zeigt die Geschichte, ähnlich wie in Grunewald, dass sich reiche
Leute abschotten, um nicht mit dem Rest des Lebens konfrontiert zu werden“,
findet Frauke Geldher. „Diese soziale Segregation und Elitenbildung der
Superreichen kann man in Schwanenwerder total gut beobachten.“
Wohlhabende jüdische Bewohner*innen werden ab 1933 vertrieben,
stattdessen siedeln sich NS-Größen auf der Insel an, darunter Joseph
Goebbels. In einer [2][„Reichsbräuteschule“] der SS werden junge Frauen
gedrillt. Nach dem Krieg zieht der Zeitungsverleger Axel Springer auf die
Insel.
„Es geht auch darum, den Blick auf die ungerechte Vermögensverteilung zu
richten“, sagt Frauke Geldher. „Als armer Mensch muss man alles über sich
preisgeben, man lebt eng zusammen und hat gar nicht die Möglichkeit,
richtig privat zu sein. Reich zu sein bedeutet, man kann sich verstecken
hinter hohen Zäunen, auf großen Grundstücken. Reiche müssen sehr wenig von
sich zeigen, haben einen Schutzraum. Und wir sagen, wir lassen die Reichen
nicht in Ruhe, sondern wir gucken da drauf, was machen denn die
Vermögenden? Wer hinterzieht die Steuern? Bei Kriminalität denken die
meisten an den Görli, niemand an Schwanenwerder. Diese ungleichen Maßstäbe
sind das Problem.“
7 Apr 2024
## LINKS
[1] /1-Mai-in-Berlin/!5592035
[2] https://de.wikipedia.org/wiki/Br%C3%A4uteschule
## AUTOREN
Darius Ossami
## TAGS
Wannsee
Umverteilung
Demonstration
Schwerpunkt 1. Mai in Berlin
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