# taz.de -- Wahlkampf in Südafrika: Miese Stimmung | |
> Zwei Monate vor den Wahlen gelingt es der ehemaligen Befreiungsbewegung | |
> ANC nicht, eine positive Botschaft zu vermitteln. | |
Bild: Sharpeville, 21. März 1960: eines der brutalsten Massaker der Apartheid-… | |
SHARPEVILLE taz | Besonders viel hat sich nicht verändert in Sharpeville, | |
seit Südafrikas Apartheidpolizei dort vor 64 Jahren ein Massaker | |
anrichtete. Es war am 21. März 1960, als Polizisten in dem unscheinbaren | |
Township das Feuer auf eine Menschenmenge eröffneten, die gegen die | |
drakonischen Passgesetze demonstrierten, wonach Schwarze in Südafrika sich | |
nur mit schriftlicher Genehmigung in einem „weißen“ Gebiet bewegen durften. | |
69 Menschen starben, über 180 wurden verletzt. | |
Heute sind die Straßen von Sharpeville südlich von Johannesburg voller | |
Schlaglöcher und wilder Müllkippen. Wie in allen anderen schwarzen | |
Townships in Südafrika, ein Erbe der Apartheid in dem bis heute | |
ungleichsten Land der Welt, sind auch hier Ausfälle in der Strom- und | |
Wasserversorgung Alltag. „Die meisten Jugendlichen hier haben keine | |
Arbeit“, erzählt ein Gemeinschaftsaktivist. „Manche sind von Drogen | |
abhängig, manche von Banden.“ | |
Daran konnte auch auch [1][Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa] nichts | |
ändern, als ihm am vergangenen Donnerstag in Sharpeville der rote Teppich | |
ausgerollt wurde, um den Jahrestag des Massakers zu begehen. Diesen Tag | |
feiert Südafrika heute als Tag der Menschenrechte. Es ist Wahlkampfzeit. | |
„Das politische Establishment und die Regierung nutzen diesen Tag, um ihre | |
Errungenschaften seit 1994 zu feiern“, sagt Sonezo Zibi, Vorsitzender der | |
neuen Oppositionspartei Rise Mzansi. „Aber wir müssen nur in Sharpeville | |
und anderen abgehängten Gemeinden die Straße entlanggehen, um zu sehen, | |
dass es nicht viel zu feiern gibt.“ | |
## Mordrate steigt | |
Die Verzweiflung in Südafrika hat einen Tiefpunkt erreicht. Korruption | |
[2][in der seit 1994 regierenden ANC-Elite] wird weithin für das Versagen | |
grundlegender staatlicher Dienstleistungen verantwortlich gemacht. Der Tag | |
der Menschenrechte erinnert außerdem an die in Südafrikas Verfassung | |
garantierten Grundrechte auf Leben, Gleichheit und Würde. | |
In Südafrika aber steigt die ohnehin sehr hohe Mordrate, die Ungleichheit | |
wächst mit der Korruption und die Menschenwürde ist fraglich, wenn es nicht | |
einmal in der Metropole Johannesburg garantiertes sauberes Wasser gibt. | |
Dazu kommen seit Jahren andauernde häufige Stromausfälle und die Zunahme | |
von Arbeitslosigkeit und Armut in Afrikas diversifiziertester | |
Volkswirtschaft. | |
„Jeden Tag werden 73 Südafrikaner ermordet“, sagte Mmusi Maimane von der | |
liberalen Oppositionspartei Build One South Africa im Memorial Garden von | |
Sharpeville – die tatsächliche Zahl beträgt sogar 78. „Es wird niemals | |
Menschenrechte in Südafrika geben, solange nicht alle Menschen sicher | |
sind.“ | |
Sharpeville hat wegen des Massakers von 1960 einen besonderen Platz in der | |
südafrikanischen Gedenkkultur. Nelson Mandela setzte als Präsident in | |
diesem Ort mit seiner Unterschrift Südafrikas neue Verfassung in Kraft. | |
„Wir haben viel zu feiern“, sagte jetzt Präsident Ramaphosa bei seinem | |
Auftritt in einem Stadion in Sharpeville und zeichnete ein rosiges Bild von | |
der Lage des Landes. | |
## Oft Stromausfälle | |
Seit 1994, so Ramaphosa, seien Millionen Menschen in Südafrika der Armut | |
entkommen. 80 Prozent der Haushalte hätten nun Häuser, 90 Prozent Strom und | |
Zugang zu Trinkwasser. Aber er musste seine Rede zweimal unterbrechen, weil | |
der Strom ausgefallen war und die Back-up-Generatoren nicht funktionierten. | |
Dabei hatte der staatliche Stromversorger Eskom extra eine Suspendierung | |
der täglichen Stromabschaltungen für den Gedenktag verfügt. Schon am Abend | |
setzten die regulären Stromabschaltungen wieder ein. Und ebenfalls am Abend | |
des 21. März fiel in Teilen des größten südafrikanischen Townships Soweto | |
bei Johannesburg das Wasser aus, angeblich wegen schadhafter Wasserventile. | |
Rand Water, Afrikas größter Wasserversorger und zuständig für die | |
südafrikanische Provinz Gauteng mit 13 Millionen Menschen rund um | |
Johannesburg, warnte vor einem bevorstehenden Zusammenbruch seines | |
Versorgungssystems. Auch in den Provinzen KwaZulu-Natal und Mpumalanga | |
waren einige Ortschaften betroffen. | |
Südafrikas größte Oppositionskraft DA (Democratic Alliance) hat deswegen | |
bei Südafrikas Menschenrechtskommission Beschwerde eingereicht. Der Ausfall | |
der Wasserversorgung sei ein Verfassungsbruch, sagte DA-Chef John | |
Steenhuisen. | |
## Keine absolute Mehrheit mehr | |
Bei einer Wahlkampfrede in Mpumalanga nannte er den ANC „eine Regierung der | |
Menschenrechtsverletzer“ und sagte: „Der ANC hat euch den Zugang zu Strom | |
weggenommen. Er hat euch den Zugang zu menschenwürdiger | |
Gesundheitsversorgung weggenommen. Er hat euch den Zugang zu einer sauberen | |
Umwelt weggenommen, zu einem Leben in Würde, und zum Wasser, das ihr und | |
eure Familien zum Leben braucht.“ | |
Auf Strom- und Wassermangel fokussieren auch andere Parteien ihren | |
Wahlkampf. „Das Land steckt in einer Wasserkrise und die Regierung hat | |
keine Ahnung, was sie tun soll, so wie bei der Stromkrise. Es ist ihr auch | |
egal“, meint Sonezo Zibi von Rise Msanze. Nach Meinungsumfragen dürfte der | |
ANC bei den Wahlen am 29. Mai die absolute Mehrheit einbüßen. Hauptgrund | |
dafür sind die wirtschaftlichen Probleme. | |
26 Mar 2024 | |
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## AUTOREN | |
Tintswalo Baloyi | |
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