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# taz.de -- Reformideen im Radsport: Berg mit Fanzone
> Die Radsportteams wollen mit Hilfe aus Saudi-Arabien mehr Geld
> generieren. Aus dem Freiluftsport mit Zugang für alle soll ein
> Bezahlmodell werden.
Bild: Noch sind alle ohne Platzkarte da: Alpenetappe bei der Tour de France, hi…
Nizza taz | Regenwolken ballten sich am Himmel über Nizza. Dort endete am
vergangenen Wochenende [1][die Fernfahrt Paris–Nizza]. Die Wolken stehen
symbolisch auch für ein Projekt, das den Radsport verändern kann: One
Cycling. Die Befürworter sehen in ihm den frischen (Geld-)Regen, der für
Wachstum sorgen soll. Die Kritiker halten es mehr mit dem bedrohlichen
Aussehen. One Cycling wird vom saudischen Investmentfonds PIF finanziert.
Das Projekt könnte den Umsonst-und-draußen-Sport in einen Bezahlsport auch
an der Strecke verwandeln.
Die wichtigsten Protagonisten waren allesamt in Nizza zu sehen. Richard
Plugge, Teamchef von Visma – Lease a Bike, feierte im Mannschaftsbus den
Sieg seines Fahrers Matteo Jorgenson bei der Rundfahrt. Auch Patrick
Lefevere lachte. Der Boss von Soudal Quick Step konnte sich über den
Tageserfolg seines Schützlings Remco Evenepoel freuen.
Lefevere und Plugge sind die Wegbereiter des Projekts One Cycling. Beide
schlitterten im Herbst knapp an einer finanziellen Katastrophe vorbei.
Lefevere drohte das Geld auszugehen, um seinen Star Evenepoel,
[2][Weltmeister immerhin, Klassikersieger und Vuelta-Champion], weiter mit
dem branchenüblichen Salär bezahlen zu können. Plugge hatte Probleme, einen
Nachfolger für den ausscheidenden Hauptsponsor Jumbo zu finden. [3][Beide
spekulierten kurz mit einer Fusion]. Die wurde abgesagt.
Nebenprojekt der gescheiterten Fusion ist nun aber One Cycling. Mit Hilfe
von saudischen Investoren soll ab 2026 genügend Geld für eine neue
Rennserie bereitgestellt werden, bei der auch die Teams finanziell
partizipieren. 250 Millionen Euro will der Public Investment Fund (PIF) der
fossilen Monarchie laut der Nachrichtenagentur Reuters bereitstellen.
## Reformen aus Riad
Als Vehikel dafür wurde im letzten August in Riad die Sportinvestmentfirma
SRJ gegründet. Sie soll, so hieß es damals offiziell, „globale Sportevents
erwerben und neue kreieren“. Auch an die Organisation von Fanaktivitäten
sowie die Entwicklung von Sporttechnologien ist gedacht. Einen Chef gibt es
mit dem Australier Danny Townsend bereits.
Der Ex-Fußballer stand im Zentrum eines Shitstorms von Fans, als er in
seiner Funktion als Chef des Sydney FC mit einer Subvention der
Regionalregierung von New South Wales das traditionell an den
bestplatzierten Klub vergebene Austragungsrecht der Finalserie der A-League
eben nach Sydney holen wollte. Der Mann hat also Erfahrung mit staatlichen
Geldern im Profisport. Er scheut sich nicht, Altbekanntes auf den Kopf zu
stellen. Und auch von Gegenwind in der Öffentlichkeit lässt er sich nicht
stoppen.
Gute Voraussetzungen für den neuen Job. Denn One Cycling soll mit einigen
strukturellen Problemen des Straßenradsports aufräumen. Dabei wird aber
auch vielen Akteuren auf die Füße getreten.
Fangen wir mit den positiven Aspekten an. Bisher sind die Rennställe nur
marginal an den Einnahmen der Rennveranstalter beteiligt. Das stört die
Teamchefs. „Die ganze Basis ist fragil. Zu 95 Prozent finanzieren wir uns
aus Sponsoreneinnahmen. Wir haben wenig andere Einnahmen“, sagt etwa Ralph
Denk, Chef von Bora-hansgrohe.
## Widerstand vom mächtigen Tour-Veranstalter
[4][Tourveranstalter ASO], ein Unternehmen der Industriellenfamilie Amaury,
geschätztes Vermögen 300 Millionen Euro, wehrte sich bisher erfolgreich,
vom Kuchen etwas abzugeben. Mit dem saudischen Investor soll sich das nun
ändern. Angedacht sind auch Veränderungen im Rennkalender. Parallelen wie
etwa Paris–Nizza und Tirreno Adriatico sollen aufgelöst werden. „Es ist so,
als würden in der Formel 1 die Rennen von Monaco und Silverstone am selben
Wochenende ausgetragen“, ätzt Teamchef Denk.
Allerdings, so gibt er gegenüber der taz zu, brauche es nicht unbedingt
einen saudischen Investor, um dieses Problem zu lösen. „Dazu braucht es nur
gesunden Menschenverstand“, meint der Oberbayer. Die Hoffnung ist, dass der
neue Player SRJ mit dem saudischen Geld in dieser Hinsicht ein Katalysator
der Vernunft sein könnte.
An der Frage, wie neue Einnahmen für den Radsport generiert werden könnten,
entzündete sich bereits eine kleine Debatte. Denk, der One Cycling
befürwortet, wie auch die Initiatoren des Projekts, stellt sich Fanzonen
mit Eintritt vor. „Bei Bergetappen könnten die ersten beiden Berge frei
zugänglich sein. Am letzten Berg gibt es eine Fanzone mit Eintritt und
Gastronomie und vielleicht auch einem Freigetränk für Fans“, schlug etwa
Denk vor.
Christian Prudhomme, Chef der ASO, brachte sich in dem Zusammenhang als
Verteidiger der Fankultur in Stellung. „Die größte Stärke des Radsports
ist, dass es für die Leute an der Straße ein frei zugänglicher Sport ist.
Das muss so bleiben“, meinte er zum französischen Magazin cyclisme actu. In
Nizza war er auch vor Ort, wollte auf Anfrage der taz aber nicht zu diesem
Thema sprechen. Bei Visma – Lease a Bike, einem der Initiatoren von One
Cycling, verwies man auf den Chef Richard Plugge.
Der steckte aber nicht einmal kurz die Nase aus dem Teambus heraus. Patrick
Lefevere, der andere Initiator, verschwand nach dem Etappensieg seines
Stars Remco Evenepoel in der flämischen Journalistentraube. Rede und
Antwort stand allein Ralph Denk. Er sah es als „Auszeichnung für unseren
Sport, dass sich überhaupt ein Investor dafür interessiert“. Das wirkt ein
wenig so wie Anfang der 1990er Jahre in Ostdeutschland, als ehemalige
volkseigene Betriebe um Investoren buhlten. Ein paar Jahre später waren die
meisten Anlagen stillgelegt. Genaues Prüfen steht also an. Anfragen der taz
beantwortete SRJ bisher nicht.
15 Mar 2024
## LINKS
[1] /Auftakt-des-Profiradrennens-Paris-Nizza/!5576376
[2] /Dominator-bei-der-Spanienrundfahrt/!5875184
[3] /Profiradsport-im-Umbruch/!5962099
[4] https://www.aso.fr/en/
## AUTOREN
Tom Mustroph
## TAGS
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