| # taz.de -- Der Kanzler und der Ramadan: Die Türen bleiben zu | |
| > Zum Beginn der muslimischen Fastenzeit hat Olaf Scholz sich zum Gazakrieg | |
| > geäußert. Zu einer angemessenen Ansprache hätte Ehrlichkeit gehört. | |
| Bild: Palästinenserinnen in Deir al-Balah im zentralen Gazastreifen schmücken… | |
| Auf Instagram heißt die Video-Rubrik, in der Olaf Scholz regelmäßig zu | |
| einer bestimmten Frage eine Rede hält: [1][„Kanzler kompakt“.] Diesmal war | |
| das Thema der Beginn des muslimischen Fastenmonats Ramadan. Kompakt | |
| zusammengefasst war diese Rede etwas fade, eine Durststrecke an Empathie | |
| und politischen Visionen. Denn nachdem Olaf Scholz darauf hinwies, wie | |
| schön er es immer fand, an [2][Zeremonien des Fastenbrechens] teilzunehmen | |
| – also lecker und reichlich zu essen –, ging er direkt auf die Lage in | |
| Israel und Palästina ein. Und genau darin lag das Problem dieser Rede. | |
| „Musliminnen und Muslime sind in diesen Tagen mit ihren Gedanken und | |
| Gefühlen sicherlich besonders bei den Frauen und Männern und Kindern im | |
| Nahen Osten“, sagte Scholz vor der Kamera. Das stimmt. Schaut man sich die | |
| Stimmung in vielen muslimischen Communitys an, kann man sie als betrübt, | |
| traurig und besorgt beschreiben. Die Menschen sind wütend und ratlos, | |
| fragen sich, wie das Leid in Israel und Palästina, insbesondere im | |
| zerbombten Gazastreifen gestoppt werden kann. Die besinnliche Zeit im | |
| Ramadan könnte diese Emotionen in den Communitys verstärken. | |
| [3][Nach mehr als 30.000 Toten in Gaza] wäre es als Kanzler auch seltsam | |
| gewesen, diese Trauer nicht anzusprechen. Nur klafft zwischen der betonten | |
| Empathie in „Kanzler kompakt“ und der konkreten Außenpolitik der | |
| Bundesregierung eine große Lücke: | |
| In der Rede behauptet Olaf Scholz, vieles dafür zu tun, um den Menschen in | |
| Gaza zu helfen. Doch nicht nur Musliminnen und Muslime sehen, dass dies | |
| nicht der Fall ist. Nur ein aktuelles Beispiel: Deutschland und die | |
| Europäische Union unterstützen Pläne für Hilfslieferung nach Gaza über den | |
| Seeweg. Diese Pläne sind laut Expert*innen aufwendig, langsam und | |
| ineffektiv. Die USA haben angekündigt, einen temporären Hafen vor der Küste | |
| von Gaza errichten zu lassen. Wenn es gut läuft, würden diese Arbeiten zwei | |
| Monate in Anspruch nehmen. Dabei brauchen die schutzlosen | |
| Bewohner*innen des Gazastreifens jetzt und unverzüglich die nötigen | |
| Hilfsgüter. | |
| ## Wenig außenpolitisches Gewicht | |
| Es gibt sogar einen effektiven anderen Weg, um schnell Hilfe zu leisten: | |
| den Landweg über Ägypten und Israel. Es wird auch von der Bundesregierung | |
| so getan, als wäre die Rettung der Menschen in Gaza eine technische Frage. | |
| Dabei zählt hier allein der politische Wille und Druck auf die Regierungen | |
| in Ägypten, um den Grenzübergang Rafah zu öffnen, auf die Hamas, um alle | |
| noch lebenden israelischen Geiseln unverzüglich freizulassen, und besonders | |
| auf Benjamin Netanjahu und seine rechtsextremen Koalitionspartner in | |
| Israel, um endlich den Krieg zu beenden und koordinierte, humanitäre Hilfe | |
| zuzulassen. Die deutsche Bundesregierung hat diesen politischen Willen in | |
| den vergangenen Wochen und Monaten nicht gezeigt. Auch wenn der Kanzler | |
| behauptet, sich mit Nachdruck für einen Waffenstillstand und mehr | |
| humanitäre Hilfe einzusetzen. | |
| Zur Wahrheit gehört auch, dass Deutschland nur wenig außenpolitisches | |
| Gewicht im Nahen Osten besitzt. Der Kern des Fastenmonats Ramadan ist | |
| Ehrlichkeit und (Selbst-)Reflexion. Wenn sich Scholz schon für so eine Rede | |
| entschieden hat, wäre es angemessen gewesen, sich eben ehrlich zu machen | |
| und festzustellen: Deutschland hat bisher zu wenig getan, um die | |
| Zivilist*innen im Gazastreifen zu schützen. | |
| Die Bilder von abgemagerten Kindern, von zerfetzten Körpern von | |
| Zivilist*innen, von verzweifelten Menschen, die sich im Gazastreifen auf | |
| der Flucht im Kreis drehen, weil ihnen nichts anders übrig bleibt, sind | |
| auch ein Ergebnis des Scheiterns der internationalen Diplomatie. Diese | |
| verstörenden Bilder werden den Ramadan dieses Jahr prägen. Deutschland hat | |
| seinen Anteil an diesem politischen Scheitern. | |
| Olaf Scholz verurteilte zum Ende seiner Rede erneut die | |
| [4][Deportationsfantasien] und den Rassismus deutscher Rechtsextremisten | |
| und bewunderte zugleich in „Kanzler kompakt“, dass viele Muslim*innen im | |
| Ramadan „ihre Wohnungen für Gäste“ öffnen würden. Eine angemessene | |
| Ramadan-Ansprache hätte auch darin bestehen können, dass Olaf Scholz eine | |
| humanitäre Evakuierung des Gazastreifens für Kinder, Frauen, Senior*innen, | |
| Zivilist*innen, für all jene, die sich in Sicherheit bringen müssen und | |
| wollen, angekündigt hätte. | |
| Scholz hätte im von ihm beschriebenen Ramadan-Spirit die Türen Deutschlands | |
| öffnen können, um Menschenleben zu retten. Er hat es nicht getan, weil | |
| zwischen „Kanzler kompakt“ und der politischen Realität dieser | |
| Bundesregierung nun mal diese eine riesige Lücke klafft. | |
| 11 Mar 2024 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.bundesregierung.de/breg-de/mediathek/kanzler-kompakt | |
| [2] /Ramadan-und-Gazakrieg/!5997096 | |
| [3] /-Nachrichten-im-Nahost-Krieg/!5997084 | |
| [4] /Demos-gegen-rechts/!5994547 | |
| ## AUTOREN | |
| Mohamed Amjahid | |
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