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# taz.de -- Die Wahrheit: Sex mit Einhörnern
> Bücher kaufen hat etwas von Pornos ausleihen – zumindest wenn einen die
> verehrte Buchhändlerin manchmal mit einem kritischen Blick mustert.
Als es in früheren Zeiten noch Postkutschen und Schellackplatten gab, da
standen in sogenannten Videotheken immer diese verschwitzten Typen herum,
die offenkundig noch bei ihrer Mutti wohnten. Sie hielten Videokassetten in
der Hand und lasen angestrengt die Rückseite der Hülle, als wäre dort ein
schwieriges Gedicht abgedruckt.
Wie peinlich, dachte man sich, während man selbst mit „Drei Mösen tanken
Super“ extrem unauffällig zur Kasse ging – ein Kraftakt der
Kontaktvermeidung, der ziemlich anstrengend war, so dass ich zu Hause von
meiner Mutter stets gefragt wurde, warum ich so verschwitzt sei.
Früher war eben nicht alles besser. Amazon ist für Schamphobiker ein wahrer
Segen geworden. Beispielsweise kann ich jetzt halt auch Klopapier über
Amazon bestellen. Mir schien es immer höchst seltsam, an der Kasse zu
stehen mit Wurst, Brot, Klopapier auf dem Laufband – die ganze
Verwertungskette. Noch schlimmer ist es allerdings, mit nichts weiter als
Klopapier der Verkäuferin gegenüberzutreten. Die Absicht ist unverkennbar.
Bei der Buchhändlerin meines Vertrauens erwerbe ich gern philosophische
Bücher von Hegel bis Adorno. Sobald sie mir dann ein Werk ans Herz legt,
erhalte ich nicht bloß ein Buch, sondern obendrein die Wertschätzung einer
Frau, in deren Augen ich zweifelsohne ein gebildeter Mensch bin, selbst
wenn ich es anschließend oft gar nicht bis nur ein bisschen gelesen habe.
Triviale Lektüre ordere ich allerdings lieber bei Amazon, um sie nicht zu
enttäuschen. Beim Buchkauf offenbart sich eben verschämt der Geschmack, und
die verehrte Händlerin mustert mich schon manchmal mit kritischem Blick.
Ich will sie ja weiterhin unterstützen, aber wie erwerbe ich, jetzt ganz
rein hypothetisch gedacht, in ihrem Laden einfältige Regionalkrimis wie
„Der Sichelmörder von Zerbst“ oder blutige Psychothriller wie „Im schwar…
Herbst der Tränen“? Oder herbe Erotikklassiker wie „Mit strenger Hand“ o…
gleich Gaga-Genremischungen, in denen Sex mit Vampiren, Einhörnern und
Formwandlern geschildert wird? Schon klar: Wer lange genug in einer
Beziehung lebt, sollte zwar wissen, wie Sex mit jemandem ist, der seine
Form gewandelt hat. Aber manchmal will man so etwas eben einfach lesen.
Mein Vorschlag an den lokalen, den stationären Buchhandel: eine
Schmuddelecke in jedem hinteren Teil des Ladens, mit komplett separatem
Eingang und selbstverständlich Selbstbedienungskasse für den kontaktfreien
Einkauf. Oder, was die eigene Person angeht: Ich suche mir ein Käuferdouble
aus meinem Bekanntenkreis, das stellvertretend für mich in den Buchladen
geht. Eine Person, die absolut gar keinen Ruf mehr zu verlieren hat, weil
sie von anspruchsvoller Literatur noch gar nie eine Ahnung hatte.
Könnte natürlich sein, dass mein Bekanntenkreis der Auffassung ist, die
geeignetste Person, um solche Bücher zu kaufen, das bin ich.
6 Mar 2024
## AUTOREN
Christian Kreis
## TAGS
Kolumne Die Wahrheit
Konsum
Buch
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Porno
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