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# taz.de -- Deutschlands Nahost-Strategie: Fatale Iranpolitik
> Deutschland unterstützt indirekt durch Milliardengeschäfte den Terror des
> Iran gegen Israel. Die Staatsräson bleibt so hohle Rhetorik.
Bild: Iran konnte Israel bereits regional isolieren
Die deutsche Iran- und Nahostpolitik ist mitverantwortlich für die Angriffe
auf Israel vom 7. Oktober: Die Mordaktionen der Hamas, des Islamischen
Dschihad und der PFLP („Volksfront zur Befreiung Palästinas“) waren [1][nur
durch jahrelange Unterstützung aus Teheran] möglich, und die Voraussetzung
für diese Unterstützung waren unter anderem die Milliardengeschäfte
deutscher Unternehmen mit dem iranischen Regime, die in den vergangenen
Jahrzehnten von ausnahmslos allen deutschen Parteien und Regierungen
gefördert wurden.
Es sind die Zahlungen, die Waffenlieferungen und die Ausbildung aus Iran,
welche eine palästinensische Terrorgruppe in die Lage versetzt hat, den
schlimmsten Massenmord an Juden seit der Schoah zu begehen: eine
Vernichtungsaktion dschihadistischer Gruppen und ein Pogrom unter
Beteiligung von Teilen der palästinensischen Zivilbevölkerung, ein
koordinierter militärischer Angriff und ein antisemitischer und misogyner
Blutrausch, bei dessen Beschreibung die Worte versagen.
Das Ermöglichen der Schlagkraft der dschihadistischen Mörderbanden im
Gazastreifen durch Iran ist seit Langem bekannt. Der Drahtzieher der
Gewaltorgie vom 7. Oktober, Yahya Sinwar, bedankte sich bereits 2019
öffentlich für die Unterstützung aus Teheran: „Ohne Irans Unterstützung f…
den Widerstand in Palästina hätten wir diese Fähigkeiten nicht erreicht.
Iran hat uns mit Waffen, Equipment und Expertise unterstützt.“ Es wird
geschätzt, dass der Islamische Dschihad in der letzten Dekade etwa 700
Millionen US-Dollar aus Iran erhalten hat und die Hamas weit über 1,5
Milliarden Dollar. Deutlich höhere Summen gehen seit Jahren an die
Hisbollah im Libanon, die Nordisrael seit dem 8. Oktober mit über 2.000
Raketen angegriffen hat.
Über den genauen Zeitpunkt der Attacke vom 7. Oktober dürfte die Führung in
Teheran nicht informiert gewesen sein. Vor dem Massaker hatte die
Hamas-Führung ihr Agieren aber kontinuierlich mit den Ajatollahs und der
Islamischen Revolutionsgarde Pasdaran koordiniert.
Wenige Monate vor dem 7. Oktober fand ein hochrangig besetztes Treffen von
Hamas-Chef Ismael Hanijeh mit dem obersten geistlichen Führer Ali Chamenei,
dem iranischen Präsidenten Ebrahim Raisi und dem Vorsitzenden des
iranischen Nationalen Sicherheitsrates in Teheran statt. Mit dabei war auch
Saleh al-Arouri, der nach dem 7. Oktober in Beirut getötete
stellvertretende Leiter des Hamas-Politbüros, der von Israel für den von
iranischen Revolutionsgardisten unterstützten Ausbau der militärischen
Infrastruktur der Hamas im Libanon verantwortlich gemacht wurde.
## Vernichtungsaktion wurde als vorbildliche Tat gepriesen
Das iranische Regime finanziert seine Politik maßgeblich durch den
Außenhandel mit europäischen Ländern. Auch 2023 belief sich das
Handelsvolumen der EU-Staaten mit Iran auf über 4 Milliarden Euro, und die
Deutsch-Iranische Industrie- und Handelskammer konnte vor wenigen Wochen
freudig verkünden, dass Deutschland weiterhin „der wichtigste
Handelspartner Irans in Europa“ ist. Zudem hat das Ajatollah-Regime durch
das Atomabkommen von 2015 – das von der deutschen und europäischen Politik
vehement unterstützt wurde, aufgrund seiner gravierenden Mängel die
Gefahren des [2][iranischen Nuklearwaffenprogramms] aber nicht beseitigen
konnte – Milliardenzahlungen aus eingefrorenen Geldern erhalten.
Das heißt: Die deutsche Iranpolitik und der Handel mit Iran finanzieren
indirekt den Terror gegen Israel. Die Weigerung der Bundesregierung, die
iranischen Revolutionsgarden auf jene Terrorliste zu setzen, auf die sie
schon seit Jahrzehnten gehören, lässt dem Regime weiterhin freie Hand –
auch nach dem 7. Oktober.
Das iranische Regime ist immer noch mit Zentren, Moscheen und
Kulturvereinigungen in Deutschland präsent. [3][Die Vernichtungsaktion vom
7. Oktober] wurde in sämtlichen Medien des Regimes als vorbildliche Tat
gepriesen – aber zu keinem Augenblick wurde in Deutschland erwogen,
zumindest den Botschafter eines solchen Regimes aus dem Land zu werfen und
neue umfassende Sanktionen zu verhängen, die den ökonomischen Lebensnerv
Irans treffen und letztlich auf den Sturz des Regimes zielen müssten.
Solange es zu keiner 180-Grad-Wende in der deutschen Politik gegenüber dem
Holocaustleugner-Regime in Iran kommt, ist das ganze Gerede von der
Sicherheit Israels als Teil der deutschen Staatsräson genauso hohle
Rhetorik wie die formelhaften Beschwörungen eines „Nie wieder“ und „Wehr…
den Anfängen“.
Der 7. Oktober hat eine Illusion zerplatzen lassen, die in den vergangenen
15 Jahren auch Teile des israelischen Sicherheitsestablishments gehegt
haben – mit fatalen Konsequenzen. Auf lange Sicht kann sich Israel nicht
mit hochgerüsteten antisemitischen Terrorarmeen direkt an seinen Grenzen
abfinden.
Sie lassen sich nicht dauerhaft abschrecken, und ganz egal, wie man sich
ihnen gegenüber verhält, weichen sie keinen Millimeter von ihrem erklärten
Ziel ab, den jüdischen Staat zu vernichten. Dementsprechend wurde die
Netanjahu-Regierung schon vor Jahren von israelischen Analysten
unterschiedlichster Couleur dafür kritisiert, die Hamas in Gaza gewähren zu
lassen und nicht präventiv gegen die immer bedrohlichere Bewaffnung der
Hisbollah im Libanon vorzugehen.
## Israel seinen Feinden ausliefern?
Nun ist es in der israelischen Politik nahezu Konsens, dass die Hamas, die
kurz nach dem 7. Oktober verkündet hat, derartige Aktionen jederzeit
wiederholen zu wollen, militärisch komplett zerschlagen werden muss und in
jedem Zukunftsszenario für den Gazastreifen keine Rolle spielen darf.
Darauf zielt das derzeitige militärische Vorgehen der israelischen Armee,
und jegliche wohlfeile Forderung nach einer bedingungslosen Beendigung der
Kampfhandlungen muss sich den Vorwurf gefallen lassen, Israel seinen
Feinden ausliefern zu wollen.
Gegen den israelfeindlichen Pseudopazifismus, dem jede konsequente Reaktion
des israelischen Militärs als „unverhältnismäßig“ gilt, sollte man an e…
Satz des ehemaligen Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in Deutschland,
Paul Spiegel, erinnern. Spiegel meinte zu Zeiten der Zweiten Intifada, in
der über 1.000 Israelis ermordet wurden, hinsichtlich der Kritik an den
israelischen Antiterrormaßnahmen: „Hinter dem Ruf nach Frieden verschanzen
sich die Mörder.“
Dieser von den Existenzbedingungen Israels abstrahierende Ruf nach Frieden
wird in Zukunft noch lauter werden, insbesondere dann, wenn auf den Krieg
gegen die Hamas einer gegen die Hisbollah und gegen die iranischen
Revolutionsgarden folgen sollte. Niemand vermag, die weitere Entwicklung
vorherzusagen, aber gegenwärtig findet sich in Israel kaum jemand, der
nicht davon ausgeht, dass der Krieg gegen die Hamas der Beginn einer
größeren Auseinandersetzung mit dem iranischen Regime und der Hisbollah
darstellt.
Das iranische Regime wird seine in den vergangenen Jahren erlangten
Machtpositionen in arabischen Ländern, mit dem es einen „Ring of Fire“ um
Israel legen will, nicht von allein aufgeben. Es kann nur militärisch
zurückgedrängt werden. Und das antisemitische Regime in Iran kann wohl nur
gestürzt werden, wenn die Macht der Revolutionsgarden im Land und in der
Region gebrochen wird.
Die Hisbollah wird keine einzige ihrer 150.000 auf Israel gerichteten
Raketen verschrotten. Die „internationale Gemeinschaft“ wird keinen Finger
rühren, um die in UN-Resolutionen geforderte Entwaffnung der Hisbollah
umzusetzen. Vermutlich wird sie nicht einmal dafür sorgen, dass jene
UN-Resolution von 2006 endlich umgesetzt wird, die zumindest einen Rückzug
der Hisbollah nördlich des Litani-Flusses vorsieht – was Israel, aus dessen
nördlichen Gebieten seit dem 7. Oktober fast Hunderttausend Menschen
evakuiert werden mussten, derzeit täglich fordert.
## Regionalmacht mit prekärer Sicherheitslage
Es ist wahrscheinlich, dass die nächsten Monate und Jahre von heftigen
kriegerischen Auseinandersetzungen Israels mit seinen Feinden geprägt sein
werden, die mit ihrer aktuellen Eskalation auch die arabisch-israelische
Annäherung und die weit gediehenen saudisch-israelischen Gespräche
sabotieren wollten. Es deutet sich bereits an, dass sich Israel durch die
Erfahrung des 7. Oktobers genötigt sieht, zu einem Verhalten
zurückzukehren, dessen Notwendigkeit Max Horkheimer bereits anlässlich des
Sinai-Krieges in den 1950er Jahren betont hat: Israel muss sich zeitweise
aggressiv und präventiv verhalten, weil es keine Weltmacht, sondern
lediglich eine Regionalmacht mit dauerhaft prekärer Sicherheitslage ist.
Dazu kommt, dass gegenüber islamfaschistischen Gegnern klassische
Abschreckungspolitik sehr viel schlechter funktioniert als gegenüber mehr
oder weniger säkularen arabischen Nationalisten – was bedeutet, dass Israel
ab einem gewissen Punkt gar nichts anderes übrig bleibt, als auf die
Beseitigung der militärischen Macht der antisemitischen Gegner zu setzen.
Wer perspektivisch Frieden oder auch nur eine Entspannung der Situation und
eine Verbesserung der Lebensbedingungen im Nahen Osten möchte, muss die
Bekämpfung der Feinde des Friedens unterstützen – und das sind die Hamas,
die Hisbollah, die proiranischen Milizen in Irak, Syrien und Jemen sowie
das iranische Regime mit seinen Revolutionsgarden und seinem
Nuklearwaffenprogramm. Eine 180-Grad-Wende in der deutschen und
europäischen Iran- und Nahostpolitik müsste auch bedeuten, Israel bei der
Bekämpfung der Hisbollah und der Strippenzieher in Teheran in jeglicher
Hinsicht zu unterstützen – gegebenenfalls auch militärisch.
Wer das anders sieht, meint es weder mit der Solidarität mit dem
angegriffenen Israel noch mit der Verteidigung individueller Freiheit ernst
– und mit dem Antifaschismus schon gar nicht.
9 Apr 2024
## LINKS
[1] /Hoecke-und-Hamas/!6000116
[2] /Abkommen-auf-der-Kippe/!5860232
[3] /Essay-zum-Angriff-der-Hamas/!5967960
## AUTOREN
Stephan Grigat
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