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# taz.de -- Essays von selbsternannten AfD-Experten: Hört auf zu labern
> Seit den Demos gegen rechts fabulieren täglich Typen über die Folgen
> dieser – ohne wirkliche Kenntnis. Dabei gibt es genug Expert:innen.
Bild: Die Analysen der Demos sind meist voller Banalitäten und Binsen
Deutschland taumelt durchs Demomärchen und jeden Tag erscheint [1][ein
anderer Essay von irgendeinem Typen,] der sich mehr oder weniger oder gar
nicht mit AfD und Antifaschismus auskennt, dafür aber immer sehr genau
weiß, welche Effekte die Demos haben werden. Sichtbar sind bislang vor
allem zwei: Die Teilnehmenden fühlen sich danach gut und die Autoren
schreiben danach viele „Analysen“.
Weil keine der bisherigen Strategien vermocht hat, den Aufstieg der AfD zu
stoppen, brauchen wir dringend eine selbstkritische Debatte. Eine solche zu
liefern, [2][gaukelte der Essay „Schluss mit Faktenchecks“] in der
aktuellen wochentaz vor. Verfasst wurde er vom Chefredakteur des
verdienstvollen „Volksverpetzers“, eines Blogs, der die Rechten seit Jahren
genauer beobachtet als der Verfassungsschutz. Voller Vorfreude stürzt man
sich in die Lektüre.
Doch dann das: Die AfD profitiere von Trollhorden. Echt jetzt? Das weiß
spätestens seit [3][der ZDF-Doku „Lösch Dich“] von 2018 sogar mein Opa.
„Narrative, Framings, Fake News …“ Hilfe! Nur Schlagwörter, kaum ein
Gedanke! Stattdessen Binsen, die von Autonomen bis hin zu Anwälten längst
Konsens sind: Ein Verbot sollte versucht werden, doch damit verschwinde das
Gedankengut der AfD nicht. Ach nee! Auf erstes Semester Soziologie folgt
bürgerliches Blabla – „Wir sind Demokraten, wir wollen bei den Fakten
bleiben.“ Gähn. Keine Spur von einer Vision.
Wer sich nach dem Feuerwerk aus Allgemeinplätzen bis zum Ende durchbeißt,
bleibt ratlos zurück: keine Faktenchecks mehr, okay. Aber kommt man der AfD
durch die Wahrheit nun bei oder nicht? Beide Aussagen finden sich auf der
Seite. Aber hey! Es hat bestimmt jeder schlecht verdienende Journalist
Verständnis dafür, dass man(n) – wenn man schon mal eine unausgereifte Idee
hat – gleich noch deren Gegenteil behauptet. Zack, wieder fünf Zeilen mehr
vollgeschrieben.
## Dieser Rant ist überfällig
Doch das war nur die neuste Enttäuschung, dieser Rant hier ist seit Wochen
fällig. Überall, in Talkshows und Zeitungen, lauern sie, die
AfD-Krisen-Profiteure. Sie mögen ernsthaft besorgt sein und die besten
Absichten verfolgen. Den Faschismus werden sie nicht aufhalten. Nicht auf
diesem Niveau. Denn während auf Protestplakaten der Reim wichtiger sein mag
als Begriffsmeierei: In einer Analyse sollte man „Nationalsozialismus“,
„Faschismus“, „Rechtsextremismus“ nicht synonym verwenden. Welche
Definition man auch bevorzugt, der Punkt ist: Man(n) sollte eine haben.
Schlimm sind aber auch diejenigen Akademiker, die zwar Begriffe richtig
hinbekommen, aber dafür sonst nichts. Dank ihnen durften wir in einem
anderen taz-Beitrag über den Aufstieg der AfD lernen, dass sich die
repräsentative Demokratie in der Krise befindet – tatsächlich? – und
Menschen Ängste haben. Wow! Tell me more! Und danach geh bitte zu einer
Politgruppe und organisier mal irgendwas Praktisches! Texte lesen alleine
reicht leider nicht, um die Gesellschaft zu verstehen.
Besonders fleißig sind gerade auch wieder die „Politikberater“. Sie
bereichern zwar nicht, indem sie selbst forschen und die Ergebnisse teilen,
denn sie haben ja keine, aber immerhin geben sie sich Mühe, Vorschläge für
den antifaschistischen Praxisbetrieb, etwa im Osten, abzugeben.
Der Punkt ist klar, die Lage ist ernst. Statt Floskeln, alter Weisheiten
und monokausaler Erklärungen brauchen wir: neue Ideen! Und Autor:innen, die
komplexe wissenschaftliche Erkenntnisse verständlich erklären, ohne den
Bezug zu Politik und Straße völlig verloren zu haben. Ja, das ist schwer.
Also bitte gebt euch mehr Mühe oder überlasst anderen das Feld.
## Es gibt Expertise
Denn es gibt Expert*innen, die dazu in der Lage sind. Franziska Schutzbach
hat vor ein paar Jahren die Rhetorik der Neuen Rechten exzellent
auseinandergenommen und Empfehlungen für den Umgang damit ausgesprochen.
Was sie wohl gerade umtreibt? Elke Rajal erforscht Gegenstrategien zu
Rechtsextremismus und könnte sicher fundiertere Aussagen über deren Wirkung
treffen als manch anderer. Oder man fragt Lena-Maria Böswald, die
Digitalexpertin von „Machine Against The Rage“, was sie denkt. Das Portal
analysiert das Netzwerk rund um die AfD auf Grundlage riesiger Datensätze
und bereitet es visuell anschaulich auf.
Praktische Tipps gegen Verschwörungserzählungen und vielleicht auch für die
Organisierung gegen rechts am Arbeitsplatz könnten
Gewerkschafter*innen wie Ferda Berse geben. Wichtige Stimmen, die in
Strategiedebatten nicht fehlen dürfen, sind Fantifa-Gruppen, also
antifaschistische Frauen und Queers. Und auch der Instagram-Account von
@ruth_lol, der es schafft, eine:n mit Memes über Antisemitismus zum Lachen
zu bringen, erscheint gehaltvoller als die essayistischen Ergüsse, die
einige Autoren gerade in die Welt spritzen.
Was auch immer man am Ende von ihren Ansätzen halten mag: Um diese
überhaupt kennenzulernen, sollten wir ihnen schleunigst Platz in der
Zeitung gewähren – bevor sich das Zeitfenster einer Republik, die sich
angeblich gerade für Antifaschismus interessiert, wieder schließt.
Ach, und noch was, liebe Kolleg*innen: Analysen, Essays und
Meinungsbeiträge lohnen sich finanziell mehr als andere Formate. Also keine
Scheu, macht euch einfach zehn Minuten Gedanken – das wären mehr, als viele
andere dafür aufwenden – und schickt eine Mail mit eurem Textangebot!
16 Feb 2024
## LINKS
[1] /Berichterstattung-ueber-AfD/!5988538
[2] /Umgang-mit-der-AfD/!5988634
[3] https://www.zdf.de/funk/loesch-dich-11860
## AUTOREN
Lotte Laloire
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