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# taz.de -- Untersuchung in den Niederlanden: Nichts gesehen, nichts gehört
> Der öffentlich-rechtliche Rundfunk in den Niederlanden hat große Probleme
> mit Machtmissbrauch. Es geht um sexuelle Übergriffe und körperliche
> Gewalt.
Bild: Fleur Gräper, niederländische Staatssekretärin für Kultur und Medien,…
Hilversum, eine Kleinstadt vor den Toren Amsterdams, gilt in den
Niederlanden als Synonym für das verzweigte System des
öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Umgeben von Wäldern liegen dessen Studios
und Büros im dortigen Media Park, einem Archipel mit eigenem Bahnhof,
Gastronomie und Fitnessclub. Dass dort offenbar auch eine eigene düstere
Betriebskultur mit Einschüchterungen und sexueller Belästigung im großen
Stil gepflegt wird, machte Anfang Februar eine Untersuchungskommission
bekannt.
Ihr Bericht trägt den Titel „Nichts gesehen, nichts gehört und nichts
getan“. Der Vorsitzende, Ex-Minister Martin van Rijn, erklärte bei der
Präsentation, die Kommissionsmitglieder seien „erschrocken“ über die Anza…
Betroffener von sogenannten „grenzüberschreitendem Verhalten“. Gemeint sind
damit etwa Bedrohung, Diskriminierung, Gewalt, Mobbing oder sexuelle
Übergriffe.
Aus mehr als 2.500 von Mitarbeiter*innen ausgefüllten Fragebögen und
gut 200 persönlichen Interviews geht hervor, dass drei Viertel im letzten
Jahr Opfer oder Zeug*innen entsprechenden Verhaltens waren. Hinweisen
dafür sei aber nicht ernsthaft nachgegangen worden. Genannt wurden Fälle
von Mitarbeiter*innen, die gewürgt, zu Boden gedrückt oder denen ins
Gesicht gespuckt wurde. Andere erhielten ungefragt Nacktfotos, wurden in
Po, Brüste oder Geschlechtsteile gekniffen oder ungefragt auf den Mund
geküsst.
14 der 204 Seiten des Berichts befassen sich mit der populären Talkshow „De
wereld draait door“, hinter deren Kulissen es oft zu verbaler Gewalt,
Anschreien und Drohungen, bisweilen auch zu körperlicher Gewalt kam. Auch
sei es dort „normal“ gewesen, dass weibliche Angestellte in niedrigeren
Positionen Sex mit ihren männlichen Chefs hatten. Bei der Anstellung oder
Vertragsverlängerung von Frauen habe deren Äußeres und ihre „sexuelle
Verfügbarkeit“ eine Rolle gespielt, erklärten ehemalige Mitarbeiter*innen.
Sexismus sei in der Redaktion weit verbreitet gewesen: Dies habe sich vor
allem durch die ständige Suche nach sexuellem Kontakt und „unangebrachtem
Gockel-Verhalten“ geäußert.
## Dutzende Burn-outs
Die Situation im Umfeld der Talkshow führte zur Einstellung der Kommission,
nachdem die Tageszeitung Volkskrant 2022 in einer Recherche eine
„Angstkultur“ und „strukturell grenzüberschreitendes Verhalten“
festgestellt hatte. Im Zentrum standen die extremen Wutanfälle von
Star-Moderator Matthijs van Nieuwkerk, der mit mehreren
Abschlussredakteuren seine Mitarbeiter*innen drangsalierte. Das führte
zu Dutzenden Burn-outs und psychischen Beschwerden wie Angstanfällen. Die
Spitze des zuständigen Senders wurde gewarnt, [1][griff jedoch nicht ein.]
Besondere Aufmerksamkeit bekommt auch die Sport-Redaktion des Senders NOS,
die Anfang 2023 zurückgetreten war. Über 20 Jahre lang hätten Mobbing,
Sexismus und Einschüchterung dort zum Alltag gehört, so eine interne
Inventarisierung. Frauen seien als „frei laufendes Wild“ oder „Beute“
gesehen worden. Als Maßnahme empfiehlt die Kommission, die Aufsicht des
Rundfunks zu verbessern und Moderatoren Begleitungen zur Seite zu stellen.
Der Report steht nicht für sich alleine. In den letzten Jahren reißen
Berichte über allerlei Fälle „grenzüberschreitenden Verhaltens“ nicht ab.
Weil es oftmals um sexuelle Übergriffigkeiten ging, wurde 2022 von einer
„zweiten #[2][MeToo-Welle]“ gesprochen, die neben der medialen auch die
Show- und Sportwelt erfasste. Vor allem die Talentshow „The Voice of
Holland“ machte mit schweren Missständen von sich reden, auch Show- und
Sportstars fielen vom Sockel.
Das Bild einer liberalen, fortschrittlichen Gesellschaft, offen und mit
flachen Hierarchien, für das die Niederlande lange bekannt waren, wird
damit erneut [3][nachhaltig in Frage gestellt.] Auch der jahrelange
Aufmarsch der Rechtspopulist*innen konterkariert das einstige Image.
Für sie dürfte der jüngste Report ohnehin wie gerufen kommen, denn das
öffentlich-rechtliche Rundfunksystem ist in rechten Kreisen als woke,
salonsozialistische Geldverschwendung verpönt.
12 Feb 2024
## LINKS
[1] /Harvey-Weinstein-und-die-US-Demokraten/!5454182
[2] /Vorwuerfe-gegen-Wolfgang-Fellner/!5902414
[3] /Rechtsrutsch-in-den-Niederlanden/!5976377
## AUTOREN
Tobias Müller
## TAGS
sexueller Missbrauch
Niederlande
Rundfunk
Sexuelle Gewalt
Geert Wilders
Kolumne Flimmern und Rauschen
Deutsche Welle
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