# taz.de -- Mögliche Offensive in Rafah: Ägypten droht Israel | |
> Trotz Mahnungen hält Israels Regierung am Vorhaben einer Offensive in | |
> Rafah fest. Kairo erwägt in dem Fall, das Camp-David-Abkommen | |
> auszusetzen. | |
Bild: Unter dem UNRWA-Hauptquartier in Gaza will Israel Hamas-Tunnel entdeckt h… | |
JERUSALEM taz | Ob von Verbündeten, Hilfsorganisationen oder Angehörigen | |
der Geiselfamilien: Jegliche Warnungen an Israels Regierung vor einer | |
Militäroffensive in Rafah im Süden des Gazastreifens verhallen derzeit | |
wirkungslos. „Wer uns sagt, nicht nach Rafah zu gehen, sagt uns im Grunde: | |
Verliert den Krieg“, sagte Ministerpräsident Benjamin Netanjahu am | |
Wochenende dem US-Sender ABC-News. „Wir werden die verbleibenden | |
Hamas-Bataillone in Rafah kriegen.“ | |
In der Stadt an der Grenze zu Ägypten drängen sich Schätzungen zufolge um | |
die eineinhalb Millionen Menschen unter katastrophalen Bedingungen auf | |
engstem Raum. Eine Offensive wäre nicht ohne schwere Konsequenzen für die | |
humanitäre Situation in dem Küstenstreifen umzusetzen. Doch nicht nur das: | |
Israels Vorhaben stellt bereits jetzt die internationalen Beziehungen des | |
Landes, die Wirtschaft sowie den Zusammenhalt der israelischen Gesellschaft | |
auf die Probe. | |
Mahnungen zur Zurückhaltung kommen von Israels engsten Verbündeten. „Eine | |
Offensive der israelischen Armee auf Rafah wäre eine humanitäre Katastrophe | |
mit Ansage“, schrieb die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock am | |
Wochenende auf der Plattform X (vormals Twitter) und forderte eine | |
Feuerpause. „Die Menschen in Gaza können sich nicht in Luft auflösen.“ Au… | |
die US-Regierung äußerte sich deutlich: „Wir glauben, dass eine | |
Militäroperation zum jetzigen Zeitpunkt eine Katastrophe für diese Menschen | |
wäre“, sagte der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrats, | |
John Kirby. „Wir würden das nicht unterstützen.“ | |
Folgen könnte ein Vorstoß auch für die regionale Stabilität haben. Das | |
benachbarte Ägypten erwägt laut einem Bericht der Nachrichtenagentur AP, im | |
Falle einer Offensive israelischer Truppen in Rafah, den Friedensvertrag | |
zwischen beiden Ländern auszusetzen. Ägypten hatte mit dem | |
Camp-David-Abkommen als erster arabischer Staat Israel anerkannt und 1979 | |
Frieden geschlossen. Dessen Aussetzung wäre ein schwerer Schlag für Israels | |
Sicherheit. Berichten zufolge verlegte die ägyptische Armee 40 Panzer und | |
Truppentransporter an die Grenze nach Gaza. Kairo hatte mehrmals betont, | |
dass eine Massenflucht von Palästinensern auf den Sinai nicht infrage | |
komme. | |
## Auch wirtschaftlich steigt der Druck auf Israel | |
Ein hochrangiges Mitglied der Hamas teilte über das Medienportal der | |
Terrorgruppe am Sonntag mit, dass eine israelische Operation in Rafah | |
das Ende der Verhandlungen über einen Austausch von Gefangenen bedeuten | |
würde. Saudi-Arabiens Außenministerium forderte am Samstag in einer | |
Erklärung eine Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrats, um „Israel | |
daran zu hindern, eine drohende humanitäre Katastrophe zu verursachen“. | |
Dennoch setzte das israelische Militär seine Angriffe auf Rafah am | |
Wochenende fort. Am Samstag wurden laut medizinischen Kreisen bei | |
Luftangriffen auf zwei Häuser mehr als 20 Menschen getötet. Nach Angaben | |
der Hamas-Gesundheitsbehörden, die sich nicht überprüfen lassen, wurden | |
seit Kriegsbeginn bereits mehr als 28.000 Menschen in Gaza getötet. | |
Tausende weitere werden unter den Trümmern vermutet. | |
Viele der Vertriebenen in Rafah sind bereits mehrmals während des Kriegs | |
geflohen und wissen nicht mehr, wohin. Hinzu kommt, dass die Menschen von | |
der Flucht und dem seit mehr als vier Monaten andauernden Krieg geschwächt | |
sind. Laut Hilfsorganisationen breiten sich wegen des Mangels an | |
Nahrungsmitteln, sauberem Wasser und Medikamenten Atemwegs- und | |
Durchfallerkrankungen aus. Viele Kliniken arbeiteten gar nicht mehr oder | |
könnten wegen Überbelastung kaum noch helfen. | |
Israels Regierungschef Netanjahu hat vor diesem Hintergrund die Armee | |
angewiesen, einen Plan auszuarbeiten, um den Vertriebenen Schutz zu | |
gewähren. Im Norden von Rafah gebe es noch unbebaute Flächen, auf denen | |
Zivilisten vor einer Offensive Zuflucht finden könnten. Man werde der | |
Zivilbevölkerung „einen sicheren Korridor gewähren, damit sie das Gebiet | |
verlassen kann“, sagte er ABC-News. | |
Auch wirtschaftlich steigt der Druck auf die Regierung. Am Freitag stufte | |
Moody’s als erste große Ratingagentur die Kreditwürdigkeit Israels von A1 | |
zu A2 herab. Zur Begründung führte sie den „militärischen Konflikt mit der | |
Hamas“, sowie das „Risiko einer Eskalation“ mit der Hisbollah im Libanon | |
an. Auch die Analysten der zweiten großen Ratingagentur S&P Global Ratings | |
drohten mit einem solchen Schritt. Netanjahu spielte die Abwertung am | |
Samstag herunter: Die Bewertung seines Landes werde wieder steigen, „wenn | |
wir den Krieg gewonnen haben“. | |
Israels Zentralbankchef Amir Yaron forderte die Regierung hingegen auf zu | |
reagieren. Er sehe die Ursachen vor allem in der „Ungewissheit über den | |
Zeitpunkt und die Art und Weise des Kriegsendes“. Israels Wirtschaft | |
belasten bereits die Einberufung von zu Hochzeiten fast 300.000 | |
Reservisten, das Ausbleiben von Touristen sowie die Evakuierung der | |
Grenzregionen zum Libanon und zu Gaza. | |
## Neue Demonstrationen von Geisel-Angehörigen | |
Auch reißt der harte Kurs der Regierung Gräben innerhalb der israelischen | |
Gesellschaft auf. Am Samstag demonstrierten erneut Tausende Menschen in Tel | |
Aviv, Haifa und anderen Orten für Verhandlungen. Am Sonntag forderten | |
Angehörige von Geiseln vor der Knesset, dem israelischen Parlament in | |
Jerusalem, [1][einen Deal mit der Hamas]. „Anstatt sich um die Geiseln zu | |
kümmern, führt die Regierung eine Kampagne gegen uns“, sagte Ila Metzger, | |
die Schwiegertochter des 80-jährigen Yoram Metzger, der zusammen mit rund | |
130 weiteren Geiseln noch immer in Gaza festgehalten wird. 31 der Geiseln | |
sollen dabei nicht mehr am Leben sein. | |
Unterdessen gibt es neue Vorwürfe gegen [2][das palästinensische | |
UN-Hilfswerks UNRWA]. Israels Armee legte am Wochenende neue Indizien vor, | |
die dessen Verbindungen zur Terrororganisation Hamas nahelegen. Einer | |
Gruppe von Journalisten wurde in Gaza-Stadt ein Tunnelsystem gezeigt, das | |
sich unter dem Hauptquartier des Hilfswerks sowie einer UNRWA-Schule | |
erstreckt. Übereinstimmenden Berichten zufolge befanden sich in den Räumen | |
Batterielager und Serverräume. Bei der Anlage soll es sich um ein Rechen- | |
und Kommandozentrum der Hamas gehandelt haben. Zudem seien in den | |
UN-Gebäuden an der Oberfläche Waffen und Sprengstoff gefunden worden. | |
Die Einrichtung führt demnach nicht nur unter dem UNRWA-Gelände hindurch, | |
sondern ist laut der Armee über einen Kabelschacht im Boden des | |
UNRWA-Hauptquartiers mit der Oberfläche verbunden. Der Chef der | |
UN-Organisation, Philippe Lazzarini, teilte am Samstag mit, seine | |
Organisation habe keine Kenntnis davon gehabt und die Einrichtung bereits | |
am 12. Oktober geräumt. Eine Untersuchung der Standorte in Gaza sei zuletzt | |
im September 2023 abgeschlossen worden. Außenminister Israel Katz wies | |
Lazzarinis Worte als „absurd“ zurück und forderte erneut dessen Rücktritt | |
als UNRWA-Chef. | |
Das UN-Hilfswerk war zuletzt wegen Vorwürfen gegen rund ein Dutzend | |
Mitarbeiter in die Kritik geraten. Diese hatten sich nach israelischen | |
Angaben am 7. Oktober an dem Hamas-Überfall auf Israel beteiligt. Mehrere | |
westliche Staaten hatten daraufhin vorübergehend ihre Zahlungen an das | |
UNRWA eingestellt, darunter die größten Geldgeber, die USA und Deutschland. | |
Insgesamt arbeiten rund 13.000 Angestellte für die Organisation in Gaza. | |
11 Feb 2024 | |
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## AUTOREN | |
Felix Wellisch | |
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