# taz.de -- Regierungsbildung in den Niederlanden: Omtzigt zieht den Stecker | |
> Die Koalitionsgespräche mit dem Rechtspopulisten Wilders sind gescheitert | |
> – vorerst. Als Grund nennt der Chef der Sozial-Konservativen den | |
> Staatshaushalt. | |
Bild: Pieter Omtzigt, NSC, spricht am 29. November 2023 mit Journalisten in Den… | |
AMSTERDAM taz | Mehr als zwei Monate nach den niederländischen | |
Parlamentswahlen sind die Verhandlungen über eine neue Regierung vorerst | |
gescheitert. Am Dienstagabend verkündete Pieter Omtzigt, Chef des | |
sozial-konservativen Nieuw Sociaal Contract (NSC), nicht weiter über eine | |
Mehrheitskoalition verhandeln zu wollen. Angehören sollte dieser die | |
[1][rechtspopulistische Freiheitspartei (PVV)], die liberal-rechte | |
bisherige Regierungspartei VVD sowie die Bauern-Bürger-Bewegung (BBB). Die | |
PVV hatte die Wahlen im November deutlich gewonnen, der neu gegründete NSC | |
als viertgrößte Partei ein starkes Ergebnis erzielt. | |
Als Begründung für das Scheitern nannte Omtzigt den Zustand des | |
Staatshaushalts, über den man erst kürzlich aktuelle Informationen erhalten | |
habe. In einem Brief an die Parteimitglieder schreibt er, „sehr | |
erschrocken“ über die Finanzlage zu sein. Auf keinen Fall wolle man der | |
Bevölkerung „Versprechen machen, von denen man schon zuvor weiß, dass es | |
leere sind. Existenzsicherheit erschafft man nicht aus Luftschlössern.“ | |
Im Parteiprogramm des NSC ist das Thema „Existenzsicherheit“ zentral, wobei | |
Bürger*innen ein Recht auf die Erfüllung von Grundbedürfnissen wie | |
medizinische Versorgung, Energie und gesunde Ernährung haben. Es ist einer | |
der Gründe für den schnellen Aufstieg der Partei und ihren [2][Zulauf aus | |
allen Ecken des politischen Spektrums]. Omtzigt ist zugleich aber kein | |
Verfechter von Schulden. | |
Offenbar ist der Haushalt ein Rettungsanker, um seine Partei aus der sich | |
anbahnenden Mitte-rechts-Konstellation zu lösen – zumindest vorerst. Sowohl | |
im NSC, vielfach als Zentrumspartei beschrieben, als auch bei Omtzigt | |
persönlich gibt es seit Beginn der Verhandlungen Vorbehalte gegen eine | |
Koalition mit den [3][Rechtspopulist*innen]. Grund sind deren | |
Ansichten zu Moscheen oder Koranschulen, die laut Omtzigt gegen das | |
verfassungsmäßige Gleichheitsprinzip und die Religionsfreiheit verstoßen. | |
PVV-Chef Wilders hatte nach der Weihnachtspause allerdings umstrittene | |
Gesetzespläne seiner Partei demonstrativ zurückgezogen, um damit | |
Kompromissfähigkeit zu zeigen. | |
## Minderheitskoalition wird wahrscheinlicher | |
Seither hatten sich die Verhältnisse am Verhandlungstisch deutlich | |
verschlechtert – zwischen Wilders und Omtzigt, aber auch mit Dilan | |
Yeşilgöz, der noch amtierenden Justizmininsterin und Spitzenkandidatin der | |
liberal-rechten VVD. Yeşilgöz hatte nach der Wahlschlappe ihrer seit 2010 | |
regierenden Partei zunächst angekündigt, kein Teil der besagten | |
Rechtskoalition sein, sondern nur eine entsprechende Minderheitsregierung | |
unterstützen zu wollen. Die Standpunkte Yeşilgöz' wie Omtzigts zeigen: | |
Beide Parteien sind bezüglich der Zusammenarbeit mit den | |
Rechtspopulist*innen tief gespalten. | |
Und nun? Ronald Plasterk, der die Verhandlungen leitet und über deren Stand | |
dem Parlament nächste Woche berichten muss, nannte Omtzigts Begründung | |
„verworren“. PVV, VVD und BBB wollen am Mittwochabend mit Plasterk die Lage | |
erörtern. Der NSC lehnte eine Einladung ab und will den Bericht Plasterks | |
abwarten. | |
Omtzigt sagte am späten Dienstagabend außerdem: Der NSC stünde offen für | |
Verhandlungen über eine Minderheitskoalition. Klar ist damit nur: Die | |
kommissarisch tätige Regierung Mark Ruttes bleibt wohl noch länger im Amt. | |
7 Feb 2024 | |
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## AUTOREN | |
Tobias Müller | |
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