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# taz.de -- Konsequenzen nach AfD-Geheimtreffen: „Cancel Culture“-Vorwurf g…
> Die aufgedeckten Deportationspläne haben Folgen: AfD-Chefin Weidel trennt
> sich von ihrem Referenten Hartwig. Höcke ist auf der Flucht nach vorn.
Bild: Hat sich nach bekannt gewordenen Geheimtreffen von ihrem persönlichen Re…
Berlin taz | Den vierten Tag in Folge sind zivilgesellschaftliche Gruppen
und Bündnisse für die Demokratie und [1][gegen rechts auf die Straßen
gegangen]. Nachdem am Montagabend Tausende unter anderem in Essen und
Leipzig demonstriert haben, ist kein Ende in Sicht. Weitere Demos sind in
zahlreichen Städten für die nächsten Tage angekündigt.
Am Mittwoch will sich ein neues Bündnis aus 120 Organisationen in Berlin
vorstellen, das unter dem Motto „Wir sind die Brandmauer“ firmiert und am
3. Februar eine Menschenkette um den Bundestag plant. In München rufen
[2][über 90 Organisationen] zu einer [3][Großdemo am Sonntag] auf.
Hintergrund ist das von Correctiv aufgedeckte [4][Potsdamer Geheimtreffen]
im November 2023 zwischen Unternehmern, AfD-Politiker*innen und Neonazis,
bei dem Pläne für millionenfache Deportationen auch von Deutschen mit
Migrationshintergrund diskutiert wurden.
Der rechtsextreme Ideologe Martin Sellner hatte diesen vermeintlichen
„Masterplan“ in einer Potsdamer Villa am Lehnitzsee vorgestellt. Die Idee
unter dem verharmlosenden Stichwort „Remigration“ sei wohlwollend
diskutiert worden – auch von anwesenden Mitgliedern der CDU und der
Werteunion.
## Konsequenzen in der AfD sind vielschichtig
Während die Union Ordnungsmaßnahmen und Parteiausschlussverfahren gegen
Teilnehmer*innen durchsetzen will, sind die Konsequenzen bei der AfD
vielschichtiger: Weite Teile der AfD, darunter auch Bundestagsabgeordnete,
bekräftigen erst recht Forderungen unter dem Label „Remigration“ und damit
schon länger in der Partei und im neonazistischen Vorfeld diskutierte
Konzepte.
Bekannt geworden ist mittlerweile, dass [5][Parteichef Tino Chrupalla] bei
einem ähnlichen Treffen des rechtsextremen Zahnarztes Gernot Mörig dabei
gewesen sein soll. Ebenso gibt es Hinweise, dass das Geheimtreffen in
Potsdam eine regelmäßige Runde war.
Björn Höcke und weitere Fraktionsvorsitzende aus den völkisch dominierten
östlichen Landesverbänden nutzten die Aufmerksamkeit für eine Offensive,
indem sie Wesentliches von Sellners Deportationsplänen und der neurechten
Verschwörungslegende vom Bevölkerungsaustausch wiederkäuten.
In einem am Dienstag vorgelegten Statement forderten sie wie zum Trotz eine
„großangelegte Rückführungsinitiative“ sowie „Assimilationsdruck auf
nichtintegrierte Ausländer“. Das Staatsangehörigkeitsrecht müsse
zurückgedreht werden – kurzum: „Deutschland muss wieder deutscher werden.�…
## Weidel trennt sich von Hartwig
Die Parteispitze war demgegenüber unter großem öffentlichen Druck aber auch
um Schadensbegrenzung bemüht: Alice Weidel hat sich am Dienstagabend
[6][von ihrem persönlichen Referenten Roland Hartwig getrennt] – „mit
sofortiger Wirkung und in gegenseitigem Einvernehmen“, wie es hieß. Hartwig
hatte am Treffen teilgenommen und sollte zugesagt haben, dass er die
Ergebnisse – also die verfassungswidrigen Deportationspläne – in die
Parteispitze tragen wolle. Der 69-Jährige ist seit 2013 in der AfD, saß
letzte Legislatur als Abgeordneter im Bundestag und war früher Chefjurist
der Bayer AG.
Weidels persönlicher Sprecher wollte der taz gegenüber keine nähere
Begründung für die Trennung abgeben. Schon im Bundesvorstand am Montagabend
hatte sich abgezeichnet, dass eine für beiden Seiten gesichtswahrende
Lösung gesucht werde – gut möglich also, dass Hartwig trotz allem weiter in
der AfD eine Rolle spielt.
Aus [7][Vorstandskreisen] wird teils ein „Verlust für die Partei“ beklagt.
Auch ist zu hören, dass Hartwig möglicherweise „bestimmte Projekte“ weiter
betreuen solle. Der in der AfD wirkmächtige rechtsextreme Stratege Götz
Kubitschek schrieb: „Weidels Entscheidung ist Altparteienverhalten“, und
warf der Parteichefin „Cancel Culture“ vor.
Konsequenzen zumindest von außerhalb der Partei [8][drohen auch Ulrich
Siegmund], dem AfD-Fraktionsvorsitzenden aus Sachsen-Anhalt. Weil er beim
Treffen dabei war, droht ihm die Abwahl als Vorsitzender des
Sozialausschusses im Landtag. Ein fraktionsübergreifender Antrag der
anderen Fraktionen ist in Vorbereitung. Siegmund soll sich allerdings noch
gegenüber dem Ältestenrat erklären. Die Abwahl wäre erst in einigen Wochen
möglich und erfordert eine Zweidrittelmehrheit.
## Keine Konsequenzen für Bundestagsabgeordnete Huy
Zunächst keine ernsten Folgen drohen der AfD-Bundestagsabgeordneten Gerrit
Huy, einer ehemaligen Managerin unter anderem von Daimler-Benz, die
ebenfalls in der Potsdamer Villa dabei war. Ihr parlamentarischer
Geschäftsführer der AfD-Bundestagsfraktion, Bernd Baumann, nahm sie am
Dienstag bei einer Pressekonferenz im Reichstag in Schutz: „Gemeingemacht
hat sie sich mit nichts. Das hat nicht die geringste Konsequenz für
irgendwas.“
Baumann war sichtlich darum bemüht, die Recherche herunterzuspielen, und
tat so, als würde er Sellner nicht kennen, kaum etwas über das Treffen
wissen, und sprach von einer „Kampagne“ und einem „Tiefpunkt des
Journalismus“. Er selbst nannte die Zusammenkunft ein „normales
Privattreffen“, betonte aber gleichzeitig, dass er selbst nicht
teilgenommen hätte.
Huy werde sich nun in der Fraktionssitzung erklären, so Baumann. Ansonsten
war er darum bemüht, die [9][AfD als Rechtstaatspartei zu inszenieren]. Für
ihn gelte: „Wer einen deutschen Pass hat, ist Deutscher, mit allen Rechten
und Pflichten.“
Huy selbst sieht das offenbar anders: Beim Geheimtreffen hat sie [10][laut
der Correctiv-Recherche] betont, dass sie das von Sellner skizzierte Ziel
schon länger verfolge. Sie habe gar ein „Remigrationskonzept“ mitgebracht,
als sie vor sieben Jahren in die Partei eingetreten sei.
Deswegen argumentiere die AfD nicht mehr gegen die doppelte
Staatsbürgerschaft, weil man dann die deutsche Staatsbürgerschaft wieder
wegnehmen könne – so könnte man Zuwanderer mit einem deutschen Pass in eine
Falle locken, wie Correctiv Huy von dem Treffen zitiert.
## Juristische Organisationen verurteilen Pläne scharf
Das öffentliche Entsetzen über die verfassungswidrigen Pläne beim Potsdamer
Treffen ist weiter groß: Am Dienstag gaben sieben juristische
Organisationen von Bundesrechtsanwaltskammer und Juristinnenbund, über
Deutschen Richterbund bis zum Republikanischen Anwält*innenverein RAV
eine [11][gemeinsame Stellungnahme] ab, in der sie den
rechtsextremistischen „Masterplan“ aufs Schärfste verurteilten.
Was im kleinen Kreis nahe Potsdam entworfen worden sei, sei ein „Angriff
auf die Verfassung und den liberalen Rechtsstaat“. Massenhafte
Deportationen von Menschen aus Deutschland dürften nie wieder Realität
werden, die gesetzliche Legitimation solcher Fantasien müsse mit allen
juristischen und politischen Mitteln verhindert werden – „dieses Treffen
darf sich in der Rückschau nicht als ‚zweite Wannseekonferenz‘ entpuppen�…
so die juristischen Organisationen einhellig.
Auch werden Forderungen lauter, die im Grundgesetz angelegten
[12][Instrumente] der [13][wehrhaften Demokratie] einzusetzen: Es gibt
viele Stimmen, die ein AfD-Verbot fordern. Eine [14][Petition unter dem
Stichwort „Höcke stoppen!“] verlangt, dem Thüringer Landesvorsitzenden und
Kopf der völkischen Strömung Grundrechte und damit die Wählbarkeit zu
entziehen. Die Petition hat vor allem nach der Correctiv-Veröffentlichung
binnen kurzer Zeit sehr viele Unterstützer*innen gefunden und kommt
nun, Stand Dienstagmittag, auf knapp eine Million Unterzeichnende.
## Distanzierungen bei VDS und Pottsalat
Andere Teilnehmer*innen des Potsdamer Treffens abseits der AfD haben
bereits drastischere Konsequenzen zu spüren bekommen: Das Vorstandsmitglied
des Vereins Deutsche Sprache (VDS), Silke Schröder, hatte in einem
sprachlich etwas holprigen Statement ihren Rücktritt erklärt.
Auch [15][teilnehmenden CDU-Mitgliedern], teils aus der Werteunion, drohen
Konsequenzen und [16][der Parteiausschluss]. Die Universität Köln will den
Status des [17][Juristen Ulrich Vosgerau] als Privatdozent prüfen – der
hatte ebenfalls am Treffen teilgenommen.
Hans-Christian Limmer, ein rechter Investor, der die Einladung zum Treffen
unterschrieben hat, aber selbst nicht dabei war, ist mittlerweile aus
mehreren Unternehmen geflogen: Der [18][Salat-Lieferdienst Pottsalat] hat
angegeben, dass Limmer nicht mehr Miteigentümer sei. Ähnlich ist es bei der
[19][Burger-Kette Hans im Glück], wo Limmer ebenfalls Gesellschafter war.
Auch Backwerk, das Limmer mitgründete, hat sich von rechtsextremen Inhalten
und dem ehemaligen Gründer distanziert.
16 Jan 2024
## LINKS
[1] /Proteste-gegen-die-AfD/!5982930
[2] https://twitter.com/muenchen_bunt/status/1746947099135000943
[3] https://www.sueddeutsche.de/muenchen/muenchen-demonstration-rechts-sonntag-…
[4] https://correctiv.org/aktuelles/neue-rechte/2024/01/10/geheimplan-remigrati…
[5] /Parteichef-Tino-Chrupalla-wohl-dabei/!5986087
[6] https://www.zdf.de/nachrichten/politik/deutschland/afd-weidel-geheimtreffen…
[7] https://twitter.com/tilsteff/status/1747024074138910813
[8] https://www.mdr.de/nachrichten/sachsen-anhalt/landespolitik/abwahl-siegmund…
[9] /Die-AfD-und-der-Rechtsstaat/!5960088
[10] https://correctiv.org/aktuelles/neue-rechte/2024/01/10/geheimplan-remigrat…
[11] https://www.drb.de/newsroom/presse-mediencenter/nachrichten-auf-einen-blic…
[12] https://www.gesetze-im-internet.de/gg/art_18.html)%20der%20Wehrhaften%20De…
[13] https://www.gesetze-im-internet.de/gg/art_21.html
[14] https://weact.campact.de/petitions/wehrhafte-demokratie-hocke-stoppen
[15] https://www.welt.de/politik/deutschland/plus249484236/Werte-Union-in-der-K…
[16] https://www.zeit.de/politik/deutschland/2024-01/cdu-nrw-parteiausschlussve…
[17] https://portal.uni-koeln.de/universitaet/aktuell/presseinformationen/beric…
[18] https://www.instagram.com/pottsalat/p/C17M19GtkFe/
[19] https://hansimglueck-burgergrill.de/pressemitteilung/
## AUTOREN
Gareth Joswig
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