Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Dresdner Lokalzeitungen in der Krise: Da hilft nur Galgenhumor
> Seit der Madsack-Verlag die „Sächsische Zeitung“ gekauft hat, herrscht
> schlechte Stimmung unter den betroffenen Journalisten. Ihre Zukunft ist
> ungewiss.
Bild: Madsack hat die „Sächsische Zeitung“ übernommen
DRESDEN taz | „Macht Madsack seinen größten Fisch kaputt oder lassen sie
ihm Lebensraum?“ Eine Stimme aus der Redaktion der [1][Sächsischen Zeitung
(SZ)] spiegelt die skeptische, aber nicht ganz hoffnungslose Gefühlslage
nach dem [2][am 10. Januar verkündeten Verkauf ihrer Dresdner
DDV-Mediengruppe] an den in Hannover ansässigen Großkonzern Madsack wider.
In Dresden und im ostsächsischen Raum betrifft sie neben der SZ und ihren
Regionalredaktionen auch die Morgenpost-Boulevardblätter in [3][Dresden]
und Chemnitz und das Onlineportal Tag24. Eigner waren bisher zu 60 Prozent
RTL und Bertelsmann und zu 40 Prozent die SPD-Presseholding DDVG. Das
Kartellamt muss noch zustimmen.
Bei dem anhaltenden Trend zu Medienmonopolen hat mancher SZ-Mitarbeiter
zwar schon mit einer mehr oder weniger feindlichen Übernahme gerechnet. Der
aktuelle Coup aber war nicht durchgesickert und hat fast alle überrascht.
Er wirkt wie ein Appell an das Selbstbewusstsein. Denn das frühere
SED-Organ im Bezirk Dresden hat den Verkauf durch die Treuhand im Jahr 1991
gut überstanden und sich behauptet. Zwar ist die gedruckte Auflage auf
knapp 163.000 Exemplare gesunken. Aber mit monatlich etwa 16 Millionen
Abrufen steht die Onlineversion saechsische.de auch im Madsack-Imperium
sehr gut da. Ein Berliner Büro unterhält die Sächsische Zeitung nicht mehr,
kooperiert dafür mit dem Tagesspiegel und bei Ratgeberseiten mit der Freien
Presse. Sonst macht das Blatt noch alles selbst, und der Stolz darauf ist
zu spüren.
## Auslaufmodell
Wird die Redaktion der vorderen Seiten künftig erhalten „oder stülpen sie
uns den Rahmen über?“, lautet deshalb die zentrale Frage. Madsacks
Redaktionsnetzwerk Deutschland versorgt bereits rund 20 Zeitungen des
Konzerns mit einem Mantel. Beim Landesverband Sachsen des Deutschen
Journalistenverbands verweist man auf die Blaupause der ebenfalls von
Madsack übernommenen Leipziger Volkszeitung. Geschäftsführer Lars Radau
erinnert daran, dass auch dort die Vollredaktion abgebaut wurde.
Seinen Ableger Dresdner Neueste Nachrichten (DNN) hat Madsack schon länger
auf Lokales, Sport und Kultur gestutzt. Gleichwohl werden die bis zu drei
Kulturseiten beim Dresdner Bildungsbürgertum geschätzt. Auf
Zukunftsaussichten wollen die Kollegen dort noch weniger angesprochen
werden als zuvor. Denn allen ist klar, dass mit dem SZ-Verkauf an den
DNN-Eigentümer die Dresdner Konkurrenzsituation entfallen ist, die dem
Blatt noch eine gewisse Reputation und den Redakteuren Motivation verlieh.
Madsack hat die DNN nie zu einem zumindest ernsthaften SZ-Konkurrenten
aufgebaut. Die Druckauflage ist seit 1998 um zwei Drittel gesunken und
beträgt derzeit offiziell noch 12.728 Exemplare. Verzweifelt kämpft das
Blatt mit einem ordentlichen Onlineauftritt um Abonnenten. Bei
untertariflichen Honoraren in der Größenordnung von 30 Cent pro Druckzeile
schreiben nur noch wenige freie Enthusiasten für das Blatt. Mit Galgenhumor
wehrt man sich bei den DNN gegen das Gefühl, ein Auslaufmodell zu sein.
## Kartellamt entscheidet
So weit sind SZ-Redakteure noch nicht. Man macht sich zwar keine
Illusionen, auch nur ansatzweise über das Schicksal von Verlag und Zeitung
mitbestimmen zu können. Aber Zukunftsängste und die Sorge um die künftige
Zeitungsqualität werden etwas gemildert durch die „Erfahrung mit
Regionalzeitungen“, die Madsack zugeschrieben wird. Konzerngeschäftsführer
Thomas Düffert war immerhin von 2006 bis 2010 auch DDV-Geschäftsführer,
also beim SZ-Verlag. „Es hätte schlimmer kommen können“, ist deshalb aus
der Redaktion beim Vergleich mit anderen denkbaren Käufern zu hören.
Für Lars Radau vom DJV Sachsen ist es schon schlimm genug gekommen. „Wir
befürchten eine Zentralisierung und einen Kompetenz- und Personalabbau nach
dem Beispiel der Leipziger Volkszeitung.“ Den DJV haben Informationen
erreicht, das Kartellamt mache den Verkauf der Madsack-Zeitungen DNN und
Döbelner Allgemeine zur Bedingung für seine Zustimmung zu dem großen Deal.
Wie in Dresden wird auch im mittelsächsischen Döbeln aus der bisherigen
Konkurrenz zum SZ-Blatt Döbelner Anzeiger plötzlich eine Dopplung. „Mir
fehlt aber die Fantasie, wer einen Titel in dieser Lage noch kauft“, sagt
Radau mit ironischem Unterton.
Was politische Untertöne angeht, fiel bislang auf, dass auf Pegida- und
anderen Pöbeldemonstrationen stets nur Redakteure der Sächsischen Zeitung
namentlich beschimpft und bedroht wurden, nie jemand aus dem
Madsack-Imperium. Dabei ging es meist auch gleich gegen die Medienmacht der
SPD wegen ihrer 40-prozentigen Beteiligung. Mit diesem Label ist nun in
Dresden zwar Schluss, aber die Sozis halten über die DDVG ja weiterhin 23,1
Prozent Beteiligung an Madsack.
29 Jan 2024
## LINKS
[1] /Saechsische-Zeitung-und-die-AfD/!5473788
[2] /Medienvielfalt-in-Deutschland/!5984894
[3] /Verhandlung-in-Dresden/!5984234
## AUTOREN
Michael Bartsch
## TAGS
Lokaljournalismus
Madsack
Dresden
Kolumne Flimmern und Rauschen
Dresden
Madsack
## ARTIKEL ZUM THEMA
Konzentration in der Presse: Was nicht zusammengehört
Im lokalen Mediengeschäft mischen längst andere Player mit als nur die
üblichen Verdächtigen: Auch T-Online baut seine Regionalberichterstattung
aus.
Medienvielfalt in Deutschland: Madsack macht den Sack zu
Die Mediengruppe Madsack aus Hannover übernimmt die sächsische
DDV-Mediengruppe – und besitzt nun alle Dresdner Lokalblätter.
Zeitungsanzeigen der AfD: Ärger mit Parteiwerbung
Die Frankfurter Rundschau und Madsack-Titel haben AfD-Anzeigen gedruckt.
Während erstere in Zukunft verzichten wollen, sehen letztere kein Problem.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.