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# taz.de -- Finanzkrise des DFB: Die Spareinlage
> Der Deutsche Fußball-Bund ist finanziell schwer gebeutelt. Nun hofft er
> auf eine milde Justiz und eine starke EM, damit das Minus nicht noch
> wächst.
Bild: Verrenkungen für den DFB: David Raum trainiert auf dem Verbands-Campus
Der Deutsche Fußball-Bund, DFB, ist in der Fanszene zwar verhasst, aber
gesamtgesellschaftlich galt die Frankfurter Fußballverwaltung doch als
sicherer Hafen, in dem sowohl kleine Motorboote als auch Yachten und
Trawler verlässlich versorgt wurden. Die Herren von der Otto-Fleck-Schneise
kümmerten sich um Spielbetrieb, DFB-Pokal, den Nachwuchs und die
Nationalmannschaften. Das ist immer noch so.
Aber etwas Grundsätzliches hat sich verändert – was man an den Worten von
Stephan Grunwald, hauptamtlicher DFB-Finanzdirektor, ablesen kann: „Es kann
in den nächsten zehn Jahren nicht so weitergehen“, sagt der Revisor, „weil
es den Verband dann nicht mehr gibt.“
Als der Norddeutsche im März 2022 von DFB-Präsident Bernd Neuendorf nach
Hessen beordert wurde, war das Renommee des Verbandes bereits ordentlich
angeschlagen: WM-Affäre 2006, Razzien in der DFB-Zentrale, Aberkennung der
Gemeinnützigkeit und damit der Steuervorteile für die Jahre 2006, 2014 und
2015, Leistungsknick der Männer-Nationalmannschaft.
In einer seiner ersten öffentlichen Amtshandlungen durfte Stephan Grunwald
den [1][Finanzbericht für das Jahr 2021] vorstellen, und das war kein
vergnüglicher Moment, denn der DFB schrieb ein dickes Minus: 33,5 Millionen
Euro. Kürzlich legte der Verband, der mittlerweile in der Kennedyallee im
DFB-Campus residiert, [2][die Bilanz fürs Folgejahr] vor. Wieder musste
Grunwald eine schlechte Nachricht unters Medienvolk bringen: 4,2 Millionen
Miese, und das auch nur, weil der DFB einen Rentenfonds auflöste und statt
80 Millionen Euro in Wertpapieren jetzt nur noch 36 Millionen hält.
Der Fußballbund, mithin der größte der Welt, ist in Schieflage geraten, und
es braucht mittlerweile schon beschwichtigende Statements von
Verbandsseite, dass es so schlimm dann doch nicht sei. Jan Thielmann,
Leiter des Rechnungswesens, sagte dem Handelsblatt: „Wir sind weit weg
davon, illiquide zu sein.“ Es gibt noch immer ein paar Milliönchen auf
der Habenseite, aber eben auch Verbindlichkeiten bei Banken in Höhe von
fast 72 Millionen Euro.
## Männer und Moneten
Das Geld auf der Seite der Aktiva floss immer verlässlich zum DFB. Der
Garant dafür: die Nationalmannschaft der Männer. Sie war Cashcow und
Bilanzaufhübscher. Auf sie stürzten sich Sponsoren, Zuschauer und
TV-Vermarkter. Während so gut wie alle anderen vom DFB betreuten Sparten
Verluste schrieben, kam durch die Auswahl der Männer Geld ins Portemonnaie.
In der aktuellen Bilanz wird dieses Missverhältnis – warum eigentlich? –
nicht mehr ausgewiesen, aber für das Jahr 2021 wird Folgendes schwarz auf
weiß belegt: Die Männer erwirtschafteten ein Plus von über 70 Millionen
Euro, wohingegen die Frauen, das U21-Auswahlteam und die
Juniorennationalmannschaften ein Defizit von etwa 11 Millionen Euro
anhäuften. Auch die Organisation des Spielbetriebs ist ein
Zuschussgeschäft, während der DFB-Pokal ein leichtes Plus garantiert.
Es braucht keinen Abschluss in Betriebswirtschaft, um zu verstehen, dass
eine leistungsschwache A-Nationalmannschaft der Männer das System der
Quersubventionierung ins Wanken bringt. Bei den Turnieren von Weltverband
Fifa und Kontinentalverband Uefa in den Jahren 2018 bis 2022 hat das
DFB-Team nur 27 Millionen Euro eingenommen, es hätten unter Umständen 34
Millionen mehr sein können. Aber sowohl bei der WM in Russland als auch in
Katar flog die Mannschaft bereits in der Vorrunde raus. Auch in der Nations
League gingen dem DFB-Team, das unter Niveau kickte, viele Millionen
verloren.
„Der Zustand ist wirtschaftlich herausfordernd und sportlich schwierig“,
sagt Andreas Rettich, seit September 2023 mit 700.000 Euro vergüteter
Geschäftsführer Sport im DFB. [3][Wenn am 14. Juni dieses Jahres die
Europameisterschaft in Deutschland] mit dem Spiel des Gastgebers gegen
Schottland in München eröffnet wird, [4][dann mag sich die Bundesregierung
ein „Heimspiel für Europa“ wünschen], der Deutsche Fußball-Bund hofft
inständig auf einen großen finanziellen Erfolg des Events. Zwei Milliarden
Euro, wird gemunkelt, setzt die Uefa mit dem Turnier um.
Es wird mit einem Gewinn von 800 Millionen Euro gerechnet. Ein Teil davon
soll in künftigen DFB-Bilanzen auftauchen. Ein Halbfinaleinzug wäre dabei
hilfreich, auch für die Entscheidungsfindung von Generalsponsor Volkswagen.
Der Vertrag mit den Wolfsburgern läuft nach der EM aus – ebenso der
Kontrakt von Bundestrainer Julian Nagelsmann, der nach mäßigem Einstand
angekündigt hat, mehr zu arbeiten, „als wir es jemals gemacht haben“.
Fakt ist: Nur wenn der Ball ordentlich rollt, rollt auch der Rubel.
Immerhin sind dem DFB jene 50 Millionen Euro sicher, die Ausrüster Adidas
jährlich und noch bis 2026 überweist. Teuer hingegen ist der neue Vertrag
mit Nagelsmann (über 4 Millionen) und der alte, immer noch verpflichtende
mit Hansi Flick (über 6 Millionen). Gut bezahlen lässt sich auch
DFB-Präsident Neuendorf, der nach einem Beschluss des DFB-Bundestags aus
dem Jahr 2022 zusätzlich zu den 250.000 Schweizer Franken aus dem Fifa-Rat
noch einmal 246.000 Euro Aufwandsentschädigung vom DFB erhalten darf.
## Campus und Karriere
Auch die Vizepräsidenten bedienen sich mit ihren in Eigenregie festgelegten
wöchentlichen Tagessätzen recht fürstlich. Hinzu kommt, dass die Verwaltung
des Verbandes bei geringerer Leistung des Aushängeschildes geradezu
ausufernd groß geworden ist: Seit 2006 hat sich die Belegschaft
vervierfacht. Mittlerweile arbeiten zwischen 600 und 700 Menschen für den
Fußball-Bund.
Und dann wäre da noch der Campus, dessen Bau auch Stephan Grunwald für
einen Kostentreiber hält. „Die Baukosten zum einen und die jährlichen
Aufwände zum anderen wirken auf den Haushalt des Verbandes für viele
Jahre“, schreibt er in der 22er Bilanz. Anfangs hätte das Prestigeprojekt
auf dem Gelände der ehemaligen Galopprennbahn, das der DFB für 99 Jahre in
Erbpacht von der Stadt Frankfurt übernommen hat, 50 Millionen Euro kosten
sollen. Ausgewiesen werden nun etwas über 170 Millionen Euro, wobei schon
über erste Baumängel im Fitnessraum berichtet wurde.
Die große Fußballhalle verfügt trotz der exorbitanten Preissteigerung nicht
über eine Klimatisierung, und Wohnquartiere für Nationalspieler, die ihr
Trainingslager vor Ort absolvieren, gibt es im Campus auch nicht. Grunwald
gibt zu, dass die heutige DFB-Führungscrew den Campus so nicht mehr bauen
würde, aber die Altlasten, dazu gehört auch ein Millionenkredit, sind nun
einmal da.
Die Neuen haben zehn Arbeitsgruppen installiert, die allerorten
Sparpotenziale ausloten sollen, aber als sie just im Bereich der
Nachwuchsförderung fündig wurden, gab es einen Aufschrei der Entrüstung in
der Öffentlichkeit. Mitschleppen aus den Zeiten von Gerhard
Mayer-Vorfelder, Theo Zwanziger, Wolfgang Niersbach und Reinhard Grindel
müssen sie auch die Folgen einer kreativen Buchführung, als 6,7 Millionen
Euro mutmaßliches Bestechungsgeld in der Rubrik „Betriebsausgaben“ landete.
Der Fiskus reagierte mit dem Entzug der Steuerprivilegien angemessen hart.
Auch 2014 und 2015 „patzte“ der Verband in seinen Steuererklärungen: 4,7
Millionen Euro Einnahmen aus der Bandenwerbung waren falsch deklariert
worden. Wiederum entfiel die Befreiung von der Körperschafts- und
Gewerbesteuer. Der Deutsche Fußball-Bund ging gegen die Entscheide vor,
doch noch immer sind die Verfahren vor dem Finanzgericht Kassel anhängig.
Auch die 2006er-Chose harrt noch einer finalen Entscheidung.
[5][Im März beginnt nun ein Strafverfahren] vor der zweiten großen
Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Frankfurt am Main (AZ 5/2 KLs
11/18). Drei ehemalige DFB-Funktionäre haben sich wegen des Verdachts der
Steuerhinterziehung in einem besonders schweren Fall, siehe WM 2006, zu
verantworten. Die Staatsanwaltschaft hat die Verfahrensbeteiligung des DFB
im Strafverfahren beantragt, „da insoweit die Festsetzung einer Geldbuße in
Betracht komme“, heißt es.
16 Verhandlungstage wurden angesetzt. Wegen der mutmaßlichen
Steuerhinterziehung hat der DFB Rücklagen bilden müssen, denn gingen die
Prozesse verloren, würden Zahlungen fällig. Mit 51 Millionen Euro belasten
diese Rücklagen, quasi eine Sicherheitsreserve, die Verbandsbilanz. Es
scheint aber so zu sein, dass der DFB von einer Rechtsprechung in seinem
Sinne ausgeht.
„Dieser Laden muss aufgeräumt werden“, hat der ehemalige DFB-Präsident
Fritz Keller dem Verband [6][in einem bemerkenswert offenen Interview mit
der Frankfurter Rundschau] nachgerufen. Da sei viel zu viel passiert, was
ein ordentlicher Kaufmann nicht machen darf. Auf Redlichkeit und Solidität
muss sich nun Stephan Grunwald fokussieren; er ist aber auch schon ins
Schlingern gekommen.
Es ging um die Frage, ob die Nationalmannschaft zwischen 2018 und 2022 nun
40, 42 oder nur 39 Länderspiele absolviert habe und wie das korrekt
abzurechnen sei. Vorerst hofft der Zahlenmensch auf ein zweites
Sommermärchen: „Ist die Nationalmannschaft sportlich erfolgreich, dann geht
es auch dem DFB finanziell gut.“
27 Jan 2024
## LINKS
[1] https://www.dfb.de/fileadmin/_dfbdam/275807-Finanzbericht_DFB_2021_RZ.pdf
[2] https://www.dfb.de/fileadmin/_dfbdam/295805-2023-12-19_Finanzbericht_DFB_20…
[3] https://de.uefa.com/euro2024/
[4] https://www.bundesregierung.de/breg-de/aktuelles/countdown-fuer-euro-24-219…
[5] https://ordentliche-gerichtsbarkeit.hessen.de/presse/strafverfahren-gegen-f…
[6] https://www.fr.de/sport/fussball/fritz-keller-ueber-den-dfb-dieser-laden-mu…
## AUTOREN
Markus Völker
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