Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Kündigung vor Gericht: Die Methode Padovicz
> Der Spekulant kündigt den Mietern von Atelierwohnungen in Friedrichshain
> vor Vertragsende. Viel spricht dafür, dass er Geld mit Geflüchteten
> machen will.
Bild: Mehr als Plattenbauten: Straße der Pariser Kommune in Friedrichshain
Berlin taz | Staatlich subventioniert Häuser zum Spottpreis übernehmen, die
Mieter:innen verdrängen und abermals mit staatlichen Geldern noch viel
höhere Profite herausschlagen. Die Methode [1][Gijora Padovicz] ist in
Berlin berüchtigt.
Seit Jahren arbeitet der Immobilienspekulant – der in den 1990er Jahren zu
Dutzenden meist stark sanierungsbedürftigen Häusern kam – daran,
Altmieter:innen gegen eine gewinnbringendere Klientel auszutauschen.
Das können Touristen in Ferienwohnungen sein oder Geflüchtete in
Doppelstockbetten, deren Unterbringungspauschalen normale Mieten um ein
Vielfaches übersteigen. Zuletzt hatte die Räumung des queerfeministischen
Hausprojekts Liebigstraße 34, ebenfalls im Eigentum von Padovicz, für
Aufsehen gesorgt. [2][Heute leben geflüchtete Familien in dem Haus].
Ein weiterer Fall im System Padovicz wurde am Montag vor dem Landgericht am
Tegeler Weg verhandelt. Dem Verein Choroso e. V., der ein Hinterhaus in der
Straße der Pariser Kommune 36 für sechs Atelierwohnungen gepachtet hat,
hatte Padovicz’ Firma Siganadia im Sommer 2022 lediglich mit Verweis auf
Fehler im Vertrag gekündigt. Nun soll das Gericht entscheiden, ob dies
rechtens ist. Nach kurzer Erörterung der Sachlage und eines möglichen
Vergleichs soll eine Entscheidung darüber Mitte April fallen.
Die Einschätzung des Richters aber war deutlich: „Der Kläger hat gerne
Gelder genommen, Bindungsfristen akzeptiert, von denen er jetzt nichts mehr
wissen will.“ Ergo: Zumindest das Landgericht dürfte der Räumungsklage
nicht zustimmen; ein Gang in die nächste Instanz vor das Kammergericht aber
scheint unausweichlich.
## Haus mit Besetzungsgeschichte
Wie der Mieter und Künstler Ulrich R. der taz sagte, wurde das Gebäude aus
Vorderhaus, Seitenflügel und Hinterhaus nach der Wende besetzt. 1996
verkaufte es die Stadt dem Vernehmen nach nur für eine halbe Million D-Mark
an Padovicz. Die Auflage: Die Bewohner:innen bleiben. Mit
Förderkrediten und Zuschüssen sanierten sie das Haus in Eigenleistung;
„Padovicz hat dafür keinen Cent bezahlt“, so R. Vereinbart wurde für das
Atelier-Hinterhaus ein Pachtvertrag über 28 Jahre für einen symbolischen
Preis von einer D-Mark pro Monat – heute sieben Euro jährlich.
Je nach Interpretation des Pachtvertrages könnten die 28 Jahre allerdings
schon diesen November auslaufen, auch wenn die Bewohner:innen den
Vertragsbeginn auf später, nach der Sanierung und ihrem Einzug, datieren.
Der Richter stellte einen Vergleich in den Raum, der die verzwickte
Gesamtlage auflösen könnte. Demnach würden die Künstler:innen zu
direkten Mieter:innen von Padovicz, allerdings zu angepassten
Bedingungen. Doch die Mieter:innen haben Zweifel. Denn: Padovicz’
lukrative Geschäftsidee sei es, „seine Mietshäuser in
Geflüchtetenunterkünfte umzuwandeln“, wie R. sagt.
Im Vorderhaus würden bereits sechs Wohnungen so genutzt. R. sagt: Die
Übernahme der Unterbringungskosten für Geflüchtete belaufe für eine
sechsköpfige Familie auf mehr als 5.000 Euro monatlich – ein Vielfaches
dessen, was sich durch eine normale Vermietung herausholen lässt. Der
Eindruck, dass sie weichen sollen, hat sich für die Bewohner:innen
zuletzt verstärkt: Seit Mitte November fließt kein Warmwasser, seit 8.
Januar sind die Heizungen auf maximal 17 Grad Raumtemperatur
herunterreguliert. Vertreiben lassen wollen sich die Mieter:innen aber
nicht – den Gerichtssaal verließen sie am Montag mit neuer Hoffnung.
22 Jan 2024
## LINKS
[1] /Widerstand-gegen-Vermieter/!5586627
[2] /Skrupelloser-Vermieter/!5953387
## AUTOREN
Erik Peter
## TAGS
Schwerpunkt Gentrifizierung in Berlin
Padovicz
Padovicz
Padovicz
Liebig34
Mietenwahnsinn
Rummelsburger Bucht
## ARTIKEL ZUM THEMA
Clubsterben in Berlin: Eine Schneise der Verwüstung
Der traditionsreiche Technoclub Wilde Renate soll Ende nächsten Jahres
schließen. Schuld ist noch nicht die A100, sondern ein dubioser Spekulant.
Hausprojekt in Friedrichshain: Mieten bei den Besetzern
Eigentümer Padovicz vermietet eine Wohnung im Hausprojekt Scharni 29. Dabei
steht dem Bezirk das Belegungsrecht zu.
Skrupelloser Vermieter: Liebig 34 wieder räumungsbedroht
Flüchtlingsfamilien, die nach der Räumung in die Liebig 34 zogen, sollen
nun rausgeworfen werden. Nachbarn wollen das verhindern.
Protest gegen Gentrifizierung in Berlin: Heraus zum Kiezspaziergang
Ein Haus im Kunger-Kiez soll in Kürze zwangsversteigert werden. Die
MieterInnen fürchten Verdrängung – denn auch ein berüchtigter Investor
mischt mit.
Ein Jahr Räumung Rummelsburger Bucht: Erinnern und weiter kämpfen
Zum Jahrestag der Räumung des Obdachlosencamps an der Rummelsburger Bucht
demonstrieren Menschen gegen die Pläne eines Investors auf dem Gelände.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.