| # taz.de -- Hausprojekt in Friedrichshain: Mieten bei den Besetzern | |
| > Eigentümer Padovicz vermietet eine Wohnung im Hausprojekt Scharni 29. | |
| > Dabei steht dem Bezirk das Belegungsrecht zu. | |
| Bild: Haus mit Besetzergeschichte in der Scharnweberstraße 29 | |
| Berlin taz | Eine 3-Zimmer-Wohnung mitten in Friedrichshain, 963 Euro, | |
| frisch renoviert. Für Berliner Verhältnisse kein schlechtes Angebot. Kein | |
| Wunder also, dass der Annonce auf dem Immobilienportal Biddex Dutzende | |
| Interessenten folgten. Am Freitag vor einer Woche standen sie dann | |
| plötzlich vor dem Haus. [1][Scharnweberstraße 29, Hausprojekt]. Dass hier | |
| 15 Menschen leben, die sich dem kollektiven Wohnen verschrieben haben, | |
| hatte der Anzeigentext verschwiegen. | |
| Für die Bewohner:innen sei das vollkommen überraschend gewesen, erzählt | |
| Susanne S., Teil der Gemeinschaft des 1990 besetzten und später | |
| legalisierten Hauses. Bis dahin war man davon ausgegangen, selbst über die | |
| neuen Mitbewohner:innen zu entscheiden. Das ist auch ihr vertraglich | |
| fixiertes Recht. Doch die Rechnung erfolgte ohne ihren Vermieter: | |
| [2][Gijora Padovicz], bekannt für seinen rabiaten Umgang mit Mieter:innen, | |
| Eigentümer und Feindbild vieler Friedrichshainer Häuser mit | |
| Besetzervergangenheit. | |
| 2001 hatte Padovicz die Scharni 29 gekauft, schon damals ein Wohnprojekt. | |
| 2006 wurde es mit Fördergeldern aus dem Programm Soziale Stadterneuerung | |
| saniert. Das Land und die Investitionsbank Berlin (IBB) gaben Geld unter | |
| drei Bedingungen: ausschließliche Vermietung an Inhaber:innen eines | |
| Wohnberechtigungsscheins, festgesetzte Mietobergrenze und ein | |
| Belegungsrecht der Bewohner:innen. Dieses hatte Padovicz durch Weigerung, | |
| einen entsprechenden Vertrag zu unterschreiben, direkt unterlaufen. Was | |
| blieb, war ein im Fördervertrag verankertes Vorschlagsrecht des Bezirks | |
| Friedrichshain-Kreuzberg. | |
| Noch am Freitagmorgen teilte der Bezirk auf taz-Anfrage mit: „Bezirk und | |
| IBB gehen davon aus, dass sie ihr Benennungsrecht weiterhin ausüben.“ Eine | |
| Freigabe der Wohnung zur selbstständigen Vermietung, wie von der | |
| Hausverwaltung gefordert, habe man abgelehnt. Stattdessen habe man die | |
| Eigentümer per Brief aufgefordert, die Wohnung zur Besichtigung | |
| freizugeben. Vier Bewerber:innen aus dem Umfeld des Hauses standen | |
| bereit. Eine Antwort blieb die Padovicz-Hausverwaltung jedoch schuldig. | |
| ## Wohnung vergeben | |
| Und dann kam, was kommen musste. „Freitagmittag trafen wir dann | |
| zufälligerweise die neuen Mieter*innen im Haus bei der | |
| Wohnungsübergabe“, sagt Susanne S. Es habe sich um eine junge Familie mit | |
| Baby gehandelt. „Aber was nützt das schon, wenn sie quasi in unserem | |
| Wohnzimmer leben – und ständig auch uns fremder Besuch vorbeikommt?“, fragt | |
| sie. Zwar ist die Wohnung im ersten Stock für sich geschlossen, doch in den | |
| weiteren Etagen findet das Leben mit offenen Türen statt. | |
| Der Bezirk hatte für einen solchen Fall erklärt: „Die IBB kann | |
| gegebenenfalls gegen die Vorgänge rechtlich vorgehen.“ Gleichzeitig habe | |
| eine Bezirksmitarbeiterin noch am Freitag mitgeteilt, dass die | |
| Hausgemeinschaft das nun wohl akzeptieren müsse, erzählt S. Doch im Haus | |
| will man die Hoffnung nicht aufgeben: „Noch kann der Bezirk oder Padovicz | |
| der Familie eine Ersatzwohnung organisieren.“ | |
| Wenn es anders kommt, bleibt den Bewohner:innen kaum mehr übrig, als | |
| sich zu arrangieren. So war es auch schon 2011. Damals wurde das | |
| Erdgeschoss, das von ihnen als Wohnzimmer und für einen Schenkladen genutzt | |
| wurde, polizeilich geräumt. Padovicz vermietete die Räume anschließend als | |
| zwei Wohnungen. Diese allerdings können betreten werden, ohne dabei in den | |
| Fluren der Hausgemeinschaft zu stehen. | |
| 14 Jul 2024 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Scharni29-teilgeraeumt/!5125491 | |
| [2] /Kuendigung-vor-Gericht/!5984342 | |
| ## AUTOREN | |
| Erik Peter | |
| ## TAGS | |
| Padovicz | |
| Hausprojekt | |
| Besetzung | |
| Friedrichshain-Kreuzberg | |
| Schwerpunkt Gentrifizierung in Berlin | |
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