# taz.de -- FLINTA*-Fußballteam in Bremen: Das Ergebnis ist scheißegaaal | |
> In der Bremer Wilden Fußballliga spielt ein FLINTA*-Team seine erste | |
> Saison. Sportlich kann es nicht mithalten. Und doch passt es gut zur Idee | |
> dahinter. | |
Bild: Wichtiger als Erfolge im Fußball: ein vertrauter Umgang und das Drumherum | |
BREMEN taz | Mit einem 0:25 haben die Schrotflintas in der [1][Wilden Liga | |
Bremen] am Samstagabend ihr bestes Ergebnis der Wintersaison erzielt. | |
„Heute wurde geschrotet“, schreien die Spieler*innen in ihrem Kreis nach | |
der Partie gegen FC Wahda. Nach dem Abklatschen mit den Gegner geht Vici | |
Hamborg, eine der Mitbegründer*innen des FLINTA*-Teams, noch einmal zu | |
den jungen Männern rüber. Hinterher erklärt sie: „Wir dachten, die hätten | |
zwischendurch über uns gelacht. Aber war wohl nicht so, die wirkten gerade | |
sehr korrekt.“ | |
Den Anschein machte es durchaus: Die Gegner tricksen am Ende des Spiels | |
grinsend rum, versuchen, an [2][den Schrotflintas] per Ballhochhalten | |
vorbeizukommen, schließen frei vor dem Tor nicht mehr ab, sondern spielen | |
drei Pässe mehr als nötig. Als ihr Torwart sich auch noch hinsetzt, kommt | |
von einer der Auswechselspieler*innen: „Sein Ernst?“ | |
Manche sind genervt, auch von den eigenen vergebenen Chancen, von denen es | |
durchaus einige gab. „Wir machen gar kein Scheiß-Spiel“, lautet | |
zwischenzeitlich die richtige Feststellung. Die Schrotflintas hauen sich | |
rein, sind aber technisch unterlegen und meist einen Schritt zu spät. | |
Einige haben mehr Erfahrung als andere, doch das hilft nicht. Die | |
Motivationsschreie und -gesänge von Spielfeldrand reißen trotzdem nicht ab: | |
„Geht denen auf den Sack!“ | |
## Von der Kneipe auf den Platz | |
An einem Kneipenabend hatte Vici Hamborg gemeinsam mit Freund*innen die | |
Idee für ein FLINTA-Fußballteam. FLINTA* steht für Frauen, Lesben, inter, | |
nicht-binäre, trans und agender Menschen. An die Teilnahmen bei der Wilden | |
Liga haben sie damals nicht gedacht. Im Mai 2023 schickte Hamborg dann eine | |
Rundmail über einen großen Verteiler in Bremen. Wochen später bestand die | |
Chatgruppe aus mehr als 50 Leuten, inzwischen sind es 120. „Das hat sich | |
verselbstständigt, immer wieder kommen neue Leute zum Training“, sagt | |
Hamborg. Das Chaos am Spielfeldrand, von dem Hamborg erzählt, hat sich beim | |
vierten Saisonspiel am Samstag erstmals gelegt: Alle Positionen sind | |
doppelt besetzt, die Wechsel laufen reibungslos. Wer rauskommt, pumpt meist | |
ordentlich. „Wir müssen öfter trainieren“, schnauft eine der Schrotflinta… | |
Hamborg hat als Kind auf dem Dorf gespielt, eine Mädchenmannschaft gab es | |
aber nicht. Deswegen war sie gemeinsam mit einer befreundeten Person bei | |
den Jungs. „Die haben uns einfach ausgeblendet und gespielt, als wären sie | |
zu neunt. Das hat mir die Lust am Sport genommen.“ | |
Sich einem bereits bestehenden Team in der Wilden Liga anzuschließen, kam | |
für Hamborg nicht infrage – obwohl auch gute Freunde dabei sind. „Ich habe | |
trotzdem keine Lust, mit denen im Team zu spielen. Das ist ein komplett | |
anderes Spiel.“ Es gehe ihr nicht um offensichtliches Sprücheklopfen, eher | |
um ein Gefühl; „wie man miteinander umgeht und redet“. | |
Ein unangenehmes Spiel hat Hamborg bislang erlebt. „Die Gegner waren | |
schnell genervt und gereizt, wenn wir die besonderen Regeln der Wilden Liga | |
nicht kannten; zum Beispiel, dass der Ball beim Einwurf eingerollt und | |
nicht eingeworfen wird.“ Die Angst vor blöden Sprüchen sei bei Hamborg | |
schon dagewesen, bislang habe es die aber nicht gegeben. | |
Gegen Stümper 02, Harpune und Erasmus fielen die Niederlagen noch | |
deutlicher als am Samstag aus. Die Schrotflintas stehen auf dem letzten | |
Tabellenplatz mit einer Tordifferenz von 3:120. Dass ihr Team so hoch | |
verliert, ist Hamborg aber egal. „Ich hatte nie einen Anspruch, zu | |
gewinnen.“ Vor allem nicht so kurz nach der Gründung. „Wir werden bestimmt | |
auch noch besser.“ Das ganze Drumherum sei für sie ohnehin überzeugender. | |
## Kein Bock auf Fußball-Hierarchien | |
Zum Drumherum zählt das gemeinsame Fußballschauen. „Wir gehen ins Stadion. | |
In einem vertrauten Rahmen ist es angenehmer, sich dort zu bewegen.“ Auch | |
bei den Werderfrauen waren die Schrotflintas schon. | |
Ende der Siebziger gründeten sich die ersten alternativen Ligen. In der | |
Achtzigern wurden es dann immer mehr [3][Wilde Ligen, auch Bunte Ligen | |
genannt]. Die Gruppen entstanden aus der linken Szene. Man hatte kein Bock | |
mehr auf den Fußball in hierarchisch organisierten Vereinen unter dem Dach | |
des ebenso hierarchischen DFB – stattdessen auf mehr Selbstorganisation, | |
weniger Konkurrenz- und Leistungsdruck. Schiris und Trainer*innen gibt | |
es nicht. | |
Die Bremer Liga gibt es seit 31 Jahren. Simon Rau ist seit 2016 dabei. Er | |
ist Kapitän seines Teams Mahatma Gondi und regelmäßig beim Plenum der | |
Wilden Liga. Neue Teams müssen dorthin gehen, sich vorstellen, am besten | |
mit einem Namen und genug Mitspielenden. Dann wird abgestimmt, ob das Team | |
teilnehmen darf, erzählt Rau. „Allerdings habe ich noch nie erlebt, dass | |
dagegen gestimmt wurde.“ | |
In der Winterliga, die auf kleinen Kunstrasenplätzen sechs gegen sechs | |
gespielt wird, sind derzeit 18 Teams. „Viel mehr geht nicht“, sagt Rau. Mit | |
mehr Teams müsse man dann eine zweite Liga gründen. Die Sommerliga wird auf | |
einem Großfeld gespielt, elf gegen elf. Parallel läuft noch ein | |
Pokalwettbewerb. | |
## Liga wird weiblicher und diverser | |
Die Schrotflintas kommen gut an, sagt Rau. „Wir freuen uns, dass wir | |
[4][weiblicher und diverser werden] und neuer Wind in die Liga kommt.“ Dass | |
sie sportlich bislang nicht halten können, hält er für unproblematisch. Die | |
Liga sei auch kompetitiv, „aber nicht auf Teufel komm raus“. Hier und da | |
findet sich in der Wilden Liga noch der Typ Vereinsspieler. Das sei aber | |
die Minderheit, sagt Rau. „Manche brauchen ein bisschen, um den Gedanken | |
der Wilden Liga zu checken und zu leben. Und wenn das Mindset nicht stimmt, | |
dann gerne zurück in den Vereinsfußball.“ | |
Wie es mit den Schrotflintas jetzt weitergeht, wird sich erst noch zeigen. | |
Hamborg spricht von einem Interessenskonflikt: „Wir wollen niedrigschwellig | |
bleiben, auf der anderen Seite brauchen wir Struktur.“ Positionen auf dem | |
Spielfeld, Trikotnummern, vielleicht einen festen Kern. „Das sind wilde | |
Prozesse. Darauf habe ich mich nicht vorbereitet.“ | |
15 Jan 2024 | |
## LINKS | |
[1] https://www.wildeligabremen.de/ | |
[2] https://www.instagram.com/schrotflintas/ | |
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## AUTOREN | |
Alina Götz | |
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