# taz.de -- „Valeria Is Getting Married“ auf DVD: Dicke Luft ist mit im B… | |
> Regisseurin Michal Vinik navigiert ihre Figuren in „Valeria Is Getting | |
> Married“ durch ein Kammerspiel der Hoffnungen und Erwartungen. | |
Bild: Valeria (Dasha Tvoronovich) aus der Ukraine und Eytan (Avraham Shalom Lev… | |
Vorbereitungen zum ersten Date: Valeria kommt gleich am Flughafen in Tel | |
Aviv an. Michael, der Mann von Valerias Schwester Christina (Lena | |
Fraifeld), hat Blumen besorgt, es müssen die richtigen sein, er ist | |
aufgeregter als alle anderen. Kein Wunder, wie man nach und nach versteht: | |
Er hat die Angelegenheit arrangiert, er kassiert sogar eine beträchtliche | |
Vermittlungsgebühr, ist etwas zwischen Online-Menschenhändler und einem | |
Update des traditionellen jüdischen Schadchens (Heiratsvermittlung). | |
Er selbst hat seine Frau online kennengelernt. Auch sie ist, wie die | |
jüngere Schwester Valeria (Dasha Tvoronovich), für diese Ehe aus der | |
Ukraine gekommen, vor ein paar Jahren schon, inzwischen spricht sie sehr | |
flüssig Hebräisch und arbeitet in einem Kosmetiksalon. | |
Es ist nie wirklich kalt hier, wirbt Christina für Tel Aviv, als sie | |
Valeria vom Flughafen abholt. Im Sommer kann es heiß werden, aber es gibt | |
ja den Strand. | |
Jetzt allerdings ist das Wetter nicht gut, es wird in den wenigen Stunden, | |
in denen der Film spielt, nur immer schlechter. Sturzbäche, ein ständiges | |
Grummeln im Hintergrund, nicht verkehrt, das metaphorisch zu nehmen, denn | |
groß ist die Begeisterung bei der ersten Begegnung im richtigen Leben | |
nicht. | |
## Blumen und Handy helfen nicht | |
Dreimal haben Valeria und Eytan geskypt, nun aber kommt das Gespräch nicht | |
in Gang. Da helfen die Blumen nicht, und auch nicht das Smartphone von | |
Samsung, das er ihr, seine Nummer schon einprogrammiert, als | |
Quasi-Verlobungsgeschenk mitgebracht hat. Auch ein paar russische | |
Sprichwörter hat er auswendig gelernt und sagt sie auf. (Das Ganze spielt | |
vor Russlands Totalinvasion.) | |
Mitten hinein geht es, Details der Vorgeschichte schneidet der Film fast | |
vollständig ab, alles soll sich aus der Situation selbst erschließen. Die | |
Kamera von Guy Raz macht dabei die ohnehin engen Räume noch einmal enger, | |
immer nah dran an Gesichtern und Körpern, Spiegel und Sichteinschränkungen | |
für Unschärfen und Schärfeverlagerung nutzend. Eine Weile schließt sich | |
Valeria später im Bad ein, die Semitransparenz der Tür, hinter die auch die | |
Kamera nicht gelangt, steht für die Undurchsichtigkeit der Gesamtsituation. | |
Die dicke Luft, die bald herrscht, ist so die ganze Zeit mit im Bild. | |
Christina ist nicht unglücklich, das Leben, das sie in Israel hat, ist | |
nicht schlecht. Das sagt sie selbst, und so scheint es. Kinder hätte sie | |
gerne, das hat bisher nicht geklappt. Die direkte Frage der Schwester, ob | |
sie ihren Mann liebt, kann sie dann aber doch nicht bejahen. Yaakov | |
Zada-Daniel spielt die unterschwellige Aggressivität des Mannes sehr gut. | |
Lena Fraifeld porträtiert eine Frau in schwieriger, nach allen Seiten | |
moderierender Lage. Ein Moderieren, das auch ein Übersetzen ist, zwischen | |
Hebräisch und Ukrainisch: Sie will für die Schwester das Beste, und das ist | |
bei allen Versprechen, die Israel bietet, womöglich dann doch nicht der | |
nette, aber farblose Eytan. Aber sie darf den eigenen Mann nicht verärgern, | |
noch hat sie nicht die israelische Staatsbürgerschaft. | |
Auf engem Raum, in knapper Zeit navigiert Regisseurin Michal Vinik ihre | |
Figuren durch ein Kammerspiel der Hoffnungen und Erwartungen. Über die | |
Vergangenheit der Schwestern erfährt man wenig. Einmal erzählt Valeria auf | |
das Drängen der anderen eine Anekdote aus der Kindheit, etwas mit Küken, | |
eine wirkliche Pointe hat die Sache nicht. Die materielle Situation, die | |
für alle Beteiligten im Hintergrund steht, ist präsent nur als der Druck, | |
der auf allen lastet. Es spricht für Michal Vinik, dass man sich beim | |
Zusehen sehr bald nicht mehr als Unbeteiligter vorkommt. Die dicke Luft | |
atmet man mit. | |
7 Dec 2023 | |
## AUTOREN | |
Ekkehard Knörer | |
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