# taz.de -- Bildband über HSV-Legende Uwe Seeler: Uns Uwe und vieles mehr | |
> Der Fotoband über den herausragenden Hamburger Fußballer Uwe Seeler ist | |
> zugleich eine formidable Chronik Nachnazideutschlands. | |
Bild: Ein Star, ohne einer sein zu wollen: Uwe Seeler (l.) erhält 1970 von Sep… | |
Möglicherweise erschließt sich nicht allen Besuchern von Heimspielen des | |
HSV, warum so viele besonders warm applaudieren, wenn der | |
HSV-Kaderangehörige Levin Öztunali eingewechselt wird. Mit diesem Spieler | |
verbindet sich jedoch immer auch der Name „Uwe Seeler“, denn Öztunali ist | |
der über alles geliebte Enkel [1][des im vorigen Jahr verstorbenen | |
Fußballhelden] aus Hamburg. | |
In der gewissen Liebe zum 27-Jährigen verbirgt sich immer auch die mehr | |
oder weniger stille Ultraverehrung zu Seeler, „Uns Uwe“ genannt. „Uns“ … | |
Beifügung zum Namen des Stürmers des HSV verdankt sich natürlich einer | |
Erfindung von Hamburger Boulevardmedien, weil Seeler völlig zurecht als | |
seine wichtigste Lebensleistung einmal bezeichnete, „immer normal“ | |
geblieben zu sein. Aber das „Uns“ ist insofern immer auch wahrhaftig. | |
Immer beim HSV unter Vertrag, nie seine Wurzeln im Arbeitersport | |
verleugnend und stets darauf bedacht, keine Capricen oder Allüren zu | |
kultivieren, was er sich allerdings nicht vornehmen musste, denn er war | |
einfach charakterlich unbegabt, seinen Sport nach Marketinggesichtspunkten | |
auszurichten. | |
Seeler, der nie Weltmeister wurde, [2][1966 mit seinem Team im | |
Wembleystadion] der gastgebenden Mannschaft unterlag und 1974 beim | |
WM-Turnier in der Bundesrepublik nicht mehr im Nationalteam spielte, war | |
immer populärer als singuläre Figur wie alle weltmeisterlichen Spieler: | |
weil er wie kein anderer seines Berufs verehrt wurde – weil er so wirkte | |
(und Fußball spielte), als sei er kein Abgehobener, kein Arroganzling, | |
kein, was bei ihm für ein Missverständnis, Star. | |
## Aufnahmen in sozialen Rahmungen | |
Gut ein Jahr nach seinem Tod ist der prächtiger kaum zu denkenden Bildband | |
mit, so auch der Untertitel, „ikonischen Bildern“ Uwe Seelers erschienen. | |
Der schmucke Band ist allerdings viel mehr als ein aufgeföntes Stück | |
Bilderbuch zu einem weit über Norderstedt (Städtchen bei Hamburg in dessen | |
Speckgürtel) hinaus legendären Fußballspielers. | |
Die Fotos, überwiegend vom in der Nachkriegszeit berühmten Fotografen Otto | |
Metelmann, arrangiert mit eigenen Aufnahmen von dessen Sohn Thomas, | |
geschossen, zeigen nicht allein einen Sportler in der Rolle des kämpfenden | |
und erfolgsgierigen Künstlers, sondern sie sind zugleich auch eine Chronik | |
des Nachnazideutschlands, des bundesdeutschen „Wirtschaftswunders“, der | |
ökonomischen Aufstiegsversprechen (die im Proletariat besonders intensiv | |
verstanden wurde, Uwe Seeler wusste was davon) [3][und der kriegsversehrten | |
Orte] (und Stadien). | |
Man sieht Menschen, die nicht, wie heutzutage, makellose Zahnreihen | |
aufweisen, die nicht vor Interviews abgepudert wurden und sich selbst als | |
singuläre Existenzen inszenieren. Ähnlich wie die Fotografien Josef | |
Darchingers knipste Otto Metelmann selten das Antlitz, die Körperlichkeit | |
Seelers allein, er setzt ihn in soziale Rahmungen, ohne dass die Aufnahmen | |
stilisiert wirken. | |
Die Vermutung liegt nicht so fern, dass dieses Fotobuch bestens geeignet | |
ist, aus der Perspektive heutiger Fußballinteressierter, besonders Kinder, | |
mit den Mythen bundesdeutscher Friedlichkeit und also „Normalisierung“ (auf | |
europäisches Maß) vertraut zu machen. Uwe Seeler war der letzte Spieler des | |
HSV, quasi vor der Professionalisierung aller Aspekte im Fußball | |
schlechthin, der seinen Verein, von 1946 bis 2022, nie verließ. | |
Man traut sich kaum, diese kitschigen Attribute mit ihm in Verbindung zu | |
bringen, aber er war: leutselig, authentisch und bodenständig. Seine Fans | |
liebten all dies mehr als den allerletzten sportlichen Erfolg. Das zeigt | |
dieses Fotobuch, nicht mehr, nicht weniger. | |
Otto und Thomas Metelmann: Uwe Seeler. Ikonische Bilder eines Idols. 256 | |
Seiten, 160 Fotos, Verlag Die Werkstatt, Bielefeld 2023, 68 Euro. | |
18 Dec 2023 | |
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## AUTOREN | |
Jan Feddersen | |
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