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# taz.de -- Diplomatie mit Pandas: Es hat sich ausgekuschelt
> Pit und Paule sind in Berlins Zoologischem Garten zur Welt gekommen und
> wahre Stars in der Hauptstadt. Nun müssen sie nach China ausreisen.
Bild: In diplomatischer Mission: Die Pandas Pit und Paule feiern ihren vierten …
BERLIN taz | Kindergartenkinder tummeln sich vor dem Pandagehege des
Berliner Zoos. Es ist Mitte November und eine der letzten Möglichkeiten,
Pit und Paule zu bestaunen. Die Sonne bricht durch die Wolken, aus
Lautsprechern dudelt traditionelle chinesische Flötenmusik. Gerade gibt es
nichts zu sehen für die Kinder, denn die Pandazwillinge liegen im
Innenbereich. Auch Papa Bär ruht. Pandas schlafen 16 Stunden am Tag,
bewegen sich kaum. Nun geht es für Pit und Paule auf eine weite Reise. Die
Pandazwillinge, die in Berlin geboren sind, fliegen Mitte Dezember nach
China.
Schon seit Anfang des 20. Jahrhunderts verschickt China Pandas als Zeichen
der Freundschaft in alle Welt. Doch die Zeiten, in denen das Land die Tiere
verschenkt hat, sind vorbei. Mittlerweile verleiht das Land sie nur noch.
Pandas sind, so die gängige Wahrnehmung, flauschig, süß, friedfertig und
absolut liebenswert. Sie symbolisieren Freude, Freundschaft und Frieden.
Nicht nur in westlichen Zoos ist der Panda ein Symbol der Annäherung, der
Diplomatie.
„China strebt in internationalen Angelegenheiten das Image einer
friedlichen und nicht bedrohlichen Kraft an“, sagt Genia Kostka,
Institutsleiterin für Chinastudien und Professorin für China-Politik an der
Freien Universität Berlin. „Deshalb benutzt China symbolisch den Panda, als
großes Tier, das von Natur aus friedlich ist, als ein außenpolitisches
Instrument.“
Während Pit und Paule an Bambusbündeln knabbern, blickt Norbert Zahmel
durch das Glas wehmütig zu ihnen herüber. Langsam muss er Abschied nehmen.
„Sie sind ja irgendwie schon wie die eigenen Kinder“, sagt der Tierpfleger,
„also übertrieben gesagt.“ Er lächelt.
Die traditionell in der Provinz Sichuan im Südwesten Chinas lebenden Pandas
sind von Geburt an so etwas wie chinesische Staatsbürger – egal ob sie in
Berlin oder Toronto zur Welt kommen. Dass Pit und Paule irgendwann nach
China geholt werden – auch das war von Geburt an klar.
Begonnen hat ihre Geschichte genau an dem Ort, an dem Zahmel nun steht. Vor
sechs Jahren war hier ein wahres Spektakel inszeniert worden. Die
Leih-Pandas und späteren Eltern von Pit und Paule sind da in Berlin
vorgestellt worden. Die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel und Xi
Jinping, Präsident der Volksrepublik China, reichen sich im Angesicht der
Pandas die Hand. Über 300 Journalistinnen aus der ganzen Welt dokumentieren
die Szene.
Die Tiere sind geleast, für zunächst 15 Jahre. Kosten: eine Million
US-Dollar pro Jahr. Teuer, könnte man meinen. Doch sie sorgen für einen
Riesenandrang. Allein im ersten Monat nach ihrer Ankunft zählt der Zoo
350.000 Besucher. Als zwei Jahre später Pit und Paule zur Welt kommen, ist
der Trubel kaum geringer. Die Zeit titelt: [1][„Jubel in der Hauptstadt“]
und der [2][Guardian aus London jubiliert]: „Berliner Zoo feiert seltene
Geburt von Panda-Zwillingen“. Nun geht das Berliner Zwillings-Märchen also
zu Ende.
Auch anderswo müssen sich die Zoos von ihren Pandas verabschieden. China
zieht seine Leihpandas aus Washington D.C. ab. 2019 hatte San Diego seine
Pandas abzugeben, der in Memphis musste seine Tiere dieses Jahr
zurückschicken und Atlanta verliert seine Pandas im kommenden Jahr. Dann
gibt es keine Pandas mehr in den USA.
Expertinnen vermuten beim Abzug der Tiere aus den USA politische Gründe.
Auch China-Expertin Kostka sagt: „Pandas werden von China dazu benutzt,
wirtschaftliche Abkommen zu honorieren. Wie nach 2015 mit Deutschland.
Diese Panda-Diplomatie wurde auch auf Katar ausgedehnt, im Nahen Osten
macht China viele Energiegeschäfte.“ Seit Oktober 2022 leben zwei Pandas in
einem Gehege 50 Kilometer nördlich von Katars Hauptstadt Doha. Thuraya und
Suhail heißen sie.
## Zahmel: „Das Politische versuchen wir auszublenden“
Läuft auch in Deutschland die Zeit der Panda-Diplomatie aus? Das Verhältnis
zu China ist schwierig geworden. Über den Hamburger Hafen wurde laut
gestritten, als ein Teil davon an eine chinesische Reederei verkauft wurde.
Die Verwendung von Software des chinesischen Technologiekonzerns Huawei
beim Ausbau des 5G-Mobilfunknetzes könnte von der Bundesregierung untersagt
werden. Was meint Tierpfleger Zahmel dazu? „Das Politische versuchen wir
auszublenden“, sagt er, die Reproduktion der Pandas habe oberste Priorität.
Schließlich galten sie bis vor kurzem noch als vom Aussterben bedroht.
Geht es wirklich nicht um mehr? China selbst ist in vielen Bereichen
jedenfalls alles andere als flauschig. Uiguren in Umerziehungscamps, der
Tibet-Konflikt, das militärisches Kräftemessen im Südchinesischen Meer, der
Konflikt um Taiwan, der brutale Kampf gegen die Demokratiebewegung in
Hongkong, die Gängelung von Regimekritikerinnen auch in Deutschland.
Und dann sind da die Pandas. Unpolitisch und unwiderstehlich. Kurz mal
streicheln? Der Panda ist ein Raubtier, kein Pfleger würde sich mit ihm in
den Käfig verirren wollen. Veganer? Der Panda ist evolutionär ein
Fleischfresser. Das angeblich flauschige Fell? Rau, spitz und drahtig.
Finger weg also von den Pandas? Schluss mit dem Kuschelkurs? Das Prinzip
„Wandel durch Handel“ gilt spätestens seit Russlands Angriffskrieg auf die
Ukraine als gescheitert. Chinas Präsident Xi möchte noch in seiner
Lebenszeit Taiwan „nach Hause“ holen. Im Mai erklärte
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen: „Ich glaube, wir müssen
De-Risking betreiben.“ Bedeutet: Risiken minimieren, indem Europa nicht
mehr in China investiert und den Export von militärischen Gütern
kontrolliert.
Im Berliner Zoo streifen an diesem Vormittag Besucher zwischen den
Tiergehegen. Silke und ihre Freundin Nicole aus Heidelberg, beide Mitte 40,
versuchen seit einer Stunde vergeblich, einen Panda zu erspähen.
Schließlich drehen sie ab. „Affenhaus erst mal?“
## Das Leasing für Meng Meng und Jiao Qing läuft 2032 aus
„China spürt bereits jetzt erste Auswirkungen europäischer
De-Risking-Maßnahmen“, sagt Expertin Kostka. Abrupte Entflechtungen wie
jüngst das Ende der Gaslieferungen aus Russland sind schmerzhaft.
Deutschlands Wirtschaft ist in erheblichem Maß auf China angewiesen.
Deutsche Autobauer setzen einen großen Anteil ihrer Fahrzeuge in China ab.
Derweil wird der außenpolitische Ton ruppiger. Sowohl die deutsche
Außenministerin Annalena Baerbock als auch der US-Präsident Joe Biden
bezeichnen Xi Jinping als Diktator. Diese klare Kritik aus Deutschland
steht im Kontrast zur Zurückhaltung von früher.
Einer der Pandazwillinge hat es sich derweil zwischen Bambussträuchern
bequem gemacht, Handykameras werden gezückt, Fotos geschossen. Pit und
Paule sind nur noch kurze Zeit zu sehen. Das Leasing für Meng Meng und Jiao
Qing, die Eltern von Pit und Paule, läuft im Jahr 2032 aus. Doch China kann
seine Pandas jederzeit zurückholen. So musste Panda Tai Shan unverzüglich
den Zoo von Washington D.C. verlassen, nachdem Barack Obama den Dalai Lama
im Weißen Haus empfangen hatte. 2012 drohte China auch Wien mit dem
Panda-Abzug nach einem Empfang für die tibetische Heiligkeit. Österreich
buckelte, entschuldigte sich, bekannte sich zur „Ein-China-Politik“. Die
Pandas durften bleiben.
Der Berliner Zoo hat in dieser Hinsicht erst mal nichts zu befürchten. Die
[3][bei Regierungspressekonferenzen zu hörende Sprachregelung] im
Auswärtigen Amt dazu lautet so: „Deutschland erkennt im Rahmen ihrer
Ein-China-Politik die Volksrepublik China als einzigen souveränen Staat in
China an.“
Der Berliner Zoo wäre übrigens auch ohne Pandas der artenreichste der Welt.
9 Dec 2023
## LINKS
[1] https://www.zeit.de/news/2019-09/02/zwei-panda-babys-im-berliner-zoo-geboren
[2] https://www.theguardian.com/world/2019/sep/02/berlin-zoo-celebrates-rare-bi…
[3] https://www.auswaertiges-amt.de/de/newsroom/-/2545960
## AUTOREN
Daniel Hinz
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