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# taz.de -- Die Wahrheit: Ausstieg aus der BRD
> Der wahre Hausbesuch: Daheim bei König Peter „der Erste“ Fitzek in seinem
> trüben Reichsbürgerreich, das von der Sezession gepeinigt wird.
Bild: Ein Leben für die Krone: Peter „der Erste“ Fitzek
„Grüß Gott“, schleudert uns Peter „der Erste“ Fitzek entgegen und rei…
Tür seiner Jugendstilvilla im Erzgebirge energisch auf und fast aus den
Angeln. An seinem Hauptsitz empfängt uns der pferdeschwänzige Herrscher des
Reichsbürger-Fantasiestaats „Königreich Deutschland“. „Salve“, erwide…
höflich. Vermutlich meint er sich mit dem Gottesgruß.
Was Peter „der Erste“ Fitzek nicht weiß: Wir sind keine rechtsesoterischen
Neubürger, sondern haben von einem Informanten aus der erzgebirgischen
Getränkehändlerszene erfahren, dass es bei König Peter gerade nicht rund
läuft. Er soll demnach derzeit am eigenen Reich erfahren, dass man den
Geist der Sezession nur schwer wieder in die Flasche bekommt. Ob das wohl
stimmt?
Nach dem Begrüßungshandauflegen sprechen wir die kolportierten
Abspaltungsbewegungen im Reich vorsichtig an. Peter „der Erste“ Fitzek
zeigt sich unbesorgt. „Alexander, Dschingis Khan, Napoleon, Hit… na ja,
also alle großen Männer haben ihre Reiche überdehnt“, bekundet er
zuversichtlich. Dass er in seinen Reichsaußenstellen eigenwillige Satrapen
wie Jörg einsetzen musste, der kurz darauf das „Kaiserreich
Großdeutschland“ ausrief und damit adelsprotokollarisch nun über ihm als
König steht, stört ihn nicht. Im Gegenteil.
„Alex, antreten!“, ruft er nach draußen. „Alex wollte mal selbst König
sein, aber das habe ich ihm schnell wieder aus dem Kopf geschlagen, nicht
wahr? Er führt euch gerne herum.“ Breitbeinig verlässt Peter „der Erste“
Fitzek das Zimmer, nicht ohne den bedröppelt dreinschauenden Alex mit einer
Watschen auf die Wange daran zu erinnern, das mit dem Führen bitte nicht
wieder zu ernst zu nehmen.
## Klo mit Glückssymbol
Als erste Amtshandlung zeigt uns Alex das Klo. Dort treffen wir die vom
einen aufs andere Bein trippelnde Sandra unter einem großen hinduistischen
Glückssymbol: „Manfred hat mal wieder das Damenklo okkupiert und zur
autonomen Androkratie erklärt.“ Das bliebe nun für die nächste viertel bis
dreiviertel Stunde so, je nachdem wie gut der Sportteil des Engel Magazin
sei.
Erst einmal bringen wir unsere Taschen aufs Zimmer. Fast dort angekommen
hält uns im Flur ein bulliger Mann auf: „Das ist eine freie Reichsfurt. Die
Passage kostet vier Seelenschuld.“ – „Wirklich, Herbert?“, erwidert Alex
genervt. „Gestern waren es noch zwei Seelenschuld, vorgestern drei
Engelskreuzer und davor wolltest du bloß Jodtabletten.“
Herbert, der gegen seinen ausdrücklichen Wunsch nicht anonym bleibt, weil
ein Datenschutzgesetz im Königreich nicht existiert, blickt geknickt zu
Boden: „Es ist halt auch bei uns Inflation.“ Alex wirft ihm ein paar Zettel
mit dem draufgekritzelten Wort „Reichskreuzer“ vor die Füße. Dann zieht er
uns an dem Wegelagerer vorbei.
König Peter „der Erste“ Fitzeks Untertanen leben in jeder Ecke des
Reichsbürgerreichs rücksichtslos ihre ganz eigenen Vorstellungen eines
rechten Lebens aus. So leider auch später direkt vor unserem Bett, wo
unsere zerzauselte Zimmergenossin nachts beginnt, auf der Suche nach dem
Erdmittelpunkt mitten im Zimmerboden zu graben. Im zweiten Stock ein
aussichtsloses Unterfangen.
## Frühstück mit Schimmel
Immerhin finden wir dank ihres beruhigend röhrenden Orgonit-Filters schnell
wieder in den Schlaf. Und am nächsten Tag unseren Weg zum Frühstück, wo
Heilschimmelzüchter Fred auf der Suche nach einem Mittel gegen seinen
chronischen Husten schon den achten Pilzstamm in die morschen
Jugendstilfachwerkwände der Küche pflanzt. Nicht alle hätten solch einen
grünen Daumen wie er, verrät Fred uns zufrieden vor sich hin röchelnd.
Andere vermieteten Teile des Schlosses über Arier-BnB oder seien in
Königsberg gemeldet, um im Reich keine Abgaben zahlen zu müssen. „Aber geht
es mal um echte Arbeit, sind immer alle gerade damit beschäftigt, die
Sicherheitsorgane der BRD zu unterwandern“, entrüstet er sich.
Peter „der Erste“ Fitzek paradiert derweil in halboffenem Bademantel
Richtung Kaffeemaschine. Auf die vielen Querköpfe in seinen Reihen
angesprochen, antwortet er lakonisch. „Ist der König aus dem Haus, tanzen
die Mäuse halt auf dem Tisch. Kommt er aber wieder, hagelt es
Ordnungsschellen aufs Nabel-Chakra.“
Er weiß, wovon er als Königsberger Karateka spricht. Und würden alle
Reichsstricke reißen, könne man ja immer noch einen „Staatenbund“ bilden.
„Aber nicht wie die EU!“, schiebt er schnell nach. Ihm schwebe „das Heili…
Römische Reich“ vor, „ein klasse Beispiel für Kooperation und
Verwaltungseffizienz“.
Bevor wir undercover doch noch auffliegen und König Peter „der Erste“
Fitzek uns malträtiert, nehmen auch wir uns lieber ein Vorbild am Heiligen
Römischen Reich und verschwinden, ohne dass es jemand merkt. Beim nächsten
Besuch besetzen wir dann einfach die Liegenschaften auf Balkonien.
13 Dec 2023
## AUTOREN
Ernst Jordan
## TAGS
Reichsbürger
Königshaus
Esoterik
Norddeutschland
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Blitzer
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Schwerpunkt Klimawandel
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