# taz.de -- Boykott gegen Kunstbuchhandel: Immer auf die Kleinen | |
> Der Kunstbuchhandel Motto Books soll Verlage und Mitarbeitende nicht | |
> bezahlt haben. Über 100 Betroffene melden sich mit einer Kampagne zu | |
> Wort. | |
Bild: Von hier aus macht Alexis Zavialoff hoffentlich keine weiteren, krumme Ge… | |
Berlin taz | Aus einem kleinen Karton zieht Stefan Maneval ein | |
illustriertes Heft hervor. Aufgestellt erinnert es an eine Ziehharmonika. | |
„Mein Kollege und ich haben ewig gebraucht, diese Hefte zu falten. In einer | |
Stunde haben wir gerade mal drei geschafft.“ Stunden, die er als | |
wissenschaftlicher Mitarbeiter in Kiel und Familienvater kaum hat. Wenn er | |
Zeit findet, widmet er sich in seinem Gemeinschaftsbüro in Neukölln | |
zweisprachigen Büchern über arabische Kultur. Für ihn und einige | |
Kolleg:innen ist der [1][Verlag Falschrum Books] ein Herzensprojekt. | |
„Zu speziell, zu schräg“ für den Massenmarkt seien die [2][Bücher] von | |
[3][Falschrum Books.] Filigrane Hefte, die durch einen Bindfaden oder Ringe | |
zusammengehalten werden, oder eben das Faltheft finden unter | |
Liebhaber:innen trotzdem Platz im Bücherregal. | |
Genau diese spezielle Nische bedient der [4][Kunstbuchhändler „Motto | |
Books“] aus Kreuzberg. Inhaber Alexis Zavialoff hat sich auf Kunstbücher | |
jenseits des Mainstreams spezialisiert und veranstaltet bei Motto Books | |
unter anderem auch Kunstausstellungen. | |
Als im Jahr 2019 die ersten Bücher von Falschrum bei Motto Books verkauft | |
werden sollten, fühlte es sich „wie ein toller Erfolg“ an. Eine große | |
Sache. Denn Motto Books stellt auch auf Fachmessen aus. Zavialoff ist gut | |
vernetzt. Die Bücher verkaufen sich gut – auch international. Und zwar so | |
gut, dass Zavialoff bei Falschrum Books nachbestellt. | |
## Zahlungen sind bis heute ausgeblieben | |
Doch die Zahlungen sind bis heute ausgeblieben. Stefan Maneval sagt: „2.000 | |
Euro Schulden sind für einen großen Verlag nicht viel – solche haben | |
sowieso eine Rechtsabteilung. Aber für kleine Verlage wie uns ist das schon | |
viel Geld.“ Laufend ist Maneval wegen diverser Gründe hingehalten worden: | |
Mal seien es die Angestellten bei Motto Books, deren offenen | |
Krankenversicherungsbeiträge Vorrang hätten, mal seien es finanzielle Nöte | |
wegen der Corona-Pandemie gewesen. Zavialoff bittet um Zahlungsaufschub, | |
dem Maneval lange zugestimmt hat. | |
Ähnliche Erfahrungen hätten andere auch gemacht. Über 100 | |
Gläubiger:innen der internationalen [5][Kunst- und Verlagsbranche] | |
haben sich auf Instagram unter dem Hashtag „boycottmotto“ zu Wort gemeldet. | |
Insgesamt solle Zavialoff ihnen über 127.400 Euro nicht gezahlt haben. Die | |
Schulden würden weit bis ins Jahr 2006 zurück reichen, viele davon wohl | |
verjährt. Auch ehemalige Mitarbeitende von Motto Books erheben Vorwürfe. | |
Nach vier Jahren reicht es Stefan Maneval im Februar 2023 endgültig. Damals | |
sei Alexis Zavialoff nicht im Laden gewesen und Maneval habe die | |
Gelegenheit genutzt, seine Restbestände bei Motto Books abzuholen. Nachdem | |
er eine letzte Zahlungserinnerung für bereits verkaufte Bücher verschickt | |
hatte, habe Zavialoff ihm lediglich 161 Euro erstattet. Dieser weigere sich | |
weiterhin, die restliche Schuldsumme zu zahlen. | |
Zu gerichtlichen Klagen kommt es häufig erst gar nicht. Wer ein | |
Klageverfahren einleitet, stößt auf die Geschäftsadresse von Motto Books in | |
der Schweiz. Zwar führt Zavialoff sein Geschäft in Berlin, registriert ist | |
es jedoch in der Schweiz. Laut mehreren Rechtsanwält:innen, die Maneval | |
kontaktiert hatte, haben Klagen daher wenig Aussicht auf Erfolg. Prozess- | |
und Verfahrenskosten müssten Kläger:innen zunächst selbst auslegen – | |
allein das übersteigt schon oft die Schadenssumme. | |
## Kampgane gegen Motto Books auf Instagram | |
Dass Zavialoff nicht zahlen soll, sei in der Kunst- und Verlagsbranche „ein | |
offenes Geheimnis“. Ebenso meinen Einige zu wissen, dass Zavialoff in | |
Deutschland Privatinsolvenz angemeldet habe. „Wenn man als Künstler oder | |
Verleger noch sehr unerfahren und wenig vernetzt ist, weiß man noch nichts | |
vom Ruf von Motto Books. Dann verspricht Zavialoff auch noch, dass er deine | |
Bücher verteilen wird. Generell läuft im Verlagsgeschäft sehr viel auf | |
Vertrauensbasis. Weil auch andere Buchhandlungen auf Kommissionsbasis | |
Bücher annehmen, nimmt man das erstmal hin,“ sagt Maneval. | |
Dass Zavialoff systematischen Betrug betreiben könnte, habe er erst nach | |
vielen Jahren verstanden. Das habe die im September ins Leben gerufene | |
Instagram-Kampagne erst zutage gebracht. | |
Die Instagram-Kampagne zeigt in einem Beitrag Anweisungen dafür, wie man | |
eine Strafanzeige wegen Betrugs bei der Polizei aufgibt. Von diesem | |
Rechtsweg scheinen viele nicht gewusst zu haben. Hinzu kommt, dass | |
Nicht-Deutsche sich mit dem deutschen Strafrecht kaum auskennen. Inzwischen | |
hat auch Maneval eine Strafanzeige erstattet. | |
„Den meisten geht es gar nicht mehr darum, dass sie ihr Geld zurück | |
kriegen“, sagt Maneval. „Das haben sich einige schon abgeschminkt. Sondern | |
darum, zu verhindern, dass Zavialoff weiter auf diese Weise sein Geschäft | |
macht, auf das weitere Leute hereinfallen.“ | |
Auf Anfrage der taz wollte sich Motto Books nicht zu diesen Vorfällen | |
äußern. | |
27 Nov 2023 | |
## LINKS | |
[1] https://www.falschrum.org/ | |
[2] /Buchlaeden-in-Berlin/!5812192 | |
[3] /Nahost-Buchhandlung-in-Berlin/!5744703 | |
[4] http://www.mottodistribution.com/shop/ | |
[5] /Buchhaendlerin-ueber-Instagram/!5898956 | |
## AUTOREN | |
Thy Le | |
## TAGS | |
Buchhandel | |
Einzelhandel | |
Intersektionalität | |
Einzelhandel | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Antisemitismus im Buchladen: Doch kein Safe Space bei „SheSaid“ | |
Jüdinnen:Juden werden in intersektionalen Räumen unsichtbar gemacht. Das | |
zeigt der Soli-Sale eines queer-feministischen Buchladens in Kreuzberg. | |
Buchhändlerin über Instagram: „Wie ein Schaufenster nach draußen“ | |
Seit Jahren heißt es: Der Buchhandel stirbt. Maria-Christina Piwowarski | |
erklärt, warum sie nicht daran glaubt und welche Rolle | |
Influencer*innen-Kampagnen spielen. |