| # taz.de -- Hamburg-Krimi „Der Schattenmann“: Des Heimkinds mörderische Ra… | |
| > Jan Jepsen und Kester Schlenz „Der Schattenmann“, angesiedelt auf der | |
| > Elbinsel Kalteofe, rührt an alte Traumata. Und beinahe versteht man den | |
| > Täter. | |
| Bild: Idyllisches, aber nicht authentisches Krimi-Setting: Historische Villa au… | |
| Hamburg taz | Dies ist weit mehr als ein Krimi. Denn eigentlich ist „Der | |
| Schattenmann“ von Jan Jepsen und Kester Schlenz eine Abhandlung darüber, | |
| wie man mit Machtlosigkeit umgeht. Wie, zum Beispiel, in den 1970ern | |
| misshandelte, [1][missbrauchte] und in Medikamentenexperimenten gequälte | |
| Heimkinder mit dieser Erfahrung leben können. | |
| Der Protagonist dieses auf der Hamburger Elbinsel Kaltehofe spielenden | |
| Krimis hat beides versucht, vergebens. Auch Geld, [2][„Entschädigung“] | |
| würde ihm nicht helfen, das Gefühl der Wut und Ohnmacht, das ihn noch als | |
| 60-Jährigen auffrisst, zu lindern. Also beginnen diese auf den ersten Blick | |
| disparaten Morde. Die Opfer: alte Leute, die scheinbar nichts gemeinsam | |
| haben und qualvoll sterben. Einer verdurstet gefesselt neben einem | |
| gefüllten Glas Wasser. Ein anderer erfriert – fixiert unter dem eiskalten | |
| Wasserstrahl seiner Dusche. Ein weiterer verhungert, mit den Händen an die | |
| Werkbank seiner Holzwerkstatt genagelt, in völliger Dunkelheit. Und einen | |
| findet die Polizei gar auf blutige Weise kastriert vor. | |
| Erst spät zeigt sich, dass all diese Leute in den 1970ern in einem | |
| „Fürsorgeheim“ auf Kaltehofe gearbeitet haben, wo nicht nur psychiatrisch | |
| kranke, sondern auch uneheliche und „asozialen“ Eltern entzogene Kinder | |
| lebten. Recht- und lobbylos, waren sie den Erwachsenen ausgeliefert: | |
| Pflegepersonal, Arzt, Koch, Handwerker. Der Arzt zum Beispiel flößte den | |
| gesunden Kindern zu Testzwecken Psychopharmaka mit schweren Nebenwirkungen | |
| ein. Einige überlebten es nicht und wurden auf dem Gelände verscharrt. Koch | |
| und Handwerker vergewaltigten Kinder, PflegerInnen ließen sie hungern, | |
| dürsten, frieren, im dunklen Kammern „zur Besinnung kommen.“ | |
| ## Der Stoff ist bekannt und schockiert immer neu | |
| All dies Erlittene gärt in der Hauptfigur des Buchs, und erfunden ist nur | |
| der Schauplatz, die Elbinsel Kaltehofe. Andernorts, etwa in der Psychiatrie | |
| Schleswig, hat es all dies real gegeben. [3][Günter Wulfs] Buch „Sechs | |
| Jahre in Haus F: Eingesperrt, geschlagen, ruhiggestellt. Meine Kindheit in | |
| der Psychiatrie“ hat die beiden Krimi-Autoren nach eigenem Bekunden zu | |
| ihrem Roman inspiriert. | |
| Auch andere einstige Heimzöglinge melden sich zunehmend öffentlich zu Wort. | |
| Der Stoff ist also bekannt – und rührt auch diesmal tief an, bildet das | |
| Genre „Krimi“ doch den geeigneten Rahmen für Identifikation mit dem Opfer | |
| angesichts der vom Staat ungesühnten Taten – einerseits. Andererseits | |
| schaffen die Autoren Raum für die Debatte über den Umgang mit nicht zu | |
| löschendem Trauma. | |
| Der kann variieren. Der Mörder findet schließlich, im Gefängnis, inneren | |
| Frieden, weil die Schuld derer, die ihn peinigten, gesühnt scheint. Sein | |
| Freund dagegen, der Gleiches erlitt, hält die Rache für überzogen. Trotzdem | |
| bleibt er mit dem Täter befreundet, weil er dessen – immer krankhafteren – | |
| Wahn zwar nicht gutheißt, aber versteht. | |
| Das Fazit? Ein wichtiges, packendes Buch, das, qua Genre, vielleicht | |
| weitere Kreise über das Leiden dieser Heimkinder informiert. Genau darauf | |
| zielen die Autoren, wie sie im Nachwort ausführlich erklären. Überflüssig | |
| wirken allerdings die Parallelhandlungen um [4][Drogenschmuggel] im | |
| Hamburger Hafen und einen Mörder aus einem Vorgängerroman der Autoren. | |
| Diese Handlungsstränge wirken deutlich hinein montiert, lenken vom | |
| zentralen Thema ab und bringen keinen Erkenntnisgewinnn. | |
| 9 Dec 2023 | |
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| ## AUTOREN | |
| Petra Schellen | |
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