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# taz.de -- Portrait eines Paares: Beide für sich und doch verbunden
> Das Paar im Zug hatte nicht den gleichen Humor. Aber das machte nichts.
> Es reichte, dass sie lachte und er sie für ihr Lachen liebte.
Bild: Wenn die Kopfhörer weg sind und die Zugfahrt vorbei ist: Paar-Harmonie i…
Vorne, in der Spiegelung der Scheibe ist ein Paar zu sehen. Ein Mann sitzt
am Fenster. Eine Frau am Gangplatz. Die beiden wirken wie aufgenommen in
einem impressionistischen Bild, in dem die Umrisse weich und verschwommen
sind. So indirekt in der Spiegelung scheinen sie mehr wie eine Geschichte,
mehr wie das Porträt eines Paares als ein Paar selbst.
Draußen vor ihrem Fenster ist die Nacht schon schwarz. Es ist eine lange
Fahrt im Fernzug, in der jede Person zwischenzeitlich ruhig geworden und in
eine Innenwelt getreten ist.
Beide, der Mann und die Frau, [1][haben Kopfhörer auf], sie sind jeweils
für sich nebeneinander in einer akustisch anderen Welt.
Die Frau lacht immer wieder. Ihr Körper wackelt. Sie prustet. Der Mann
schaut sie mehrmals von der Seite an, während sie sich für sich amüsiert.
Er wirkt fast, als würde er sich ausgeschlossen fühlen von ihrer Welt oder
als hätte er Angst, etwas zu verpassen. Als verspürte er dieses unbestimmte
Gefühl von Neid, wenn man eine Gruppe lauthals lachender Menschen sieht,
die ganz miteinander verbunden scheinen und man weiß nicht warum. Das
Lachen gehört ihnen und ist schön. Und gleichzeitig ist es auch weit weg.
Die Frau ist verbunden mit sich. Sie scheint niemand anderen zu brauchen in
diesem Moment.
Da spricht der Mann sie an: „Kann ich mich mal kurz einklinken, über was du
dich da so bepisst?“
Die Frau hält inne, tritt aus ihrer Welt hinaus. Sie zieht sich einen
Kopfhörer aus ihrem Ohr und reicht ihm den Stöpsel. Dabei hat sie immer
noch ein Lächeln im Gesicht. Sie spult etwas im Audiofile auf ihrem Handy
zurück, sie braucht etwas Zeit, bis sie die Stelle wieder findet, die sie
zum Lachen gebracht hat.
## Aus der Lachwelt gerissen
Sie ist nun nicht mehr in ihrer Welt, in dieser Lachwelt, in der sie sich
so gefreut hat.
„Da.“ Sie drückt auf Play. Der Mann lauscht. Auf seinem Gesicht ist
[2][keine Regung.]
Er hört zu, sie wartet ab. Sie hört die Stelle auch noch einmal, lächelt,
aber lacht nun nicht mehr ausgelassen.
„Das war die Stelle, wo du so gelacht hast?“, fragt der Mann.
Sie nickt.
Die beiden hören noch etwas weiter. Sie lacht wieder, er nun auch etwas.
Da sitzen sie zusammen. Ein Paar in der Spiegelung der Scheibe, verbunden
durch ihre Kopfhörer. Im Lachen getrennt.
Denn der Mann steigt nicht mit darauf ein. Er versteht nicht wirklich, was
so lustig ist. Er taucht nicht ein in das, was die Frau da so geritten hat,
worüber sie sich so gefreut hat.
Dann ist es vorbei.
Er reicht ihr den Ohrstöpsel zurück. Er kennt nun den Grund, der sie zum
Lachen gebracht hat, ohne ihn anscheinend wirklich verstanden zu haben. Die
Frau wirkt für einen Moment noch etwas herausgerissen, sammelt sich kurz.
Dann hört sie wieder allein und auf beiden Ohren. Der Mann setzt sich
andere Kopfhörer auf und hört seine Geschichten.
Minuten vergehen. Der Zug rauscht durch die Nacht. Das Licht leuchtet hart
den Wagen aus. Nur das Quietschen der Bremsen ist zu hören, wenn der Zug
hält. Ansonsten ist es still. Und dann ist es da wieder, das Geräusch.
Die Frau lacht. Sie lacht ihr prustendes Lachen, bei dem ihr Körper in der
Spieglung der Scheibe schaukelt und wackelt. Es ist das Lachen, das ihr
gehört.
Der Mann schaut noch einmal zu ihr. Aber er fragt sie nicht mehr nach einem
ihrer Kopfhörer. Er lässt sie lachen.
Er blickt sie an, und fast könnte man meinen, er denkt in diesem Moment
daran, dass er sie liebt. Dass er einen Menschen liebt, der so lacht.
Die Frau lacht weiter, dann fast erschöpft lehnt sie sich an ihn. Lehnt ihr
wackelndes Lachen an den Mann. Und so sitzen sie da. Das Bild von einem
Paar. Mit ihren Körpern [3][verbunden in ihrem Lachen.]
26 Nov 2023
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## AUTOREN
Christa Pfafferott
## TAGS
Kolumne Zwischen Menschen
Liebe
Paarbeziehungen
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Humor
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