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# taz.de -- Prozess wegen Antisemitismus-Vorwurfs: Gil Ofarim schweigt vorerst
> In Leipzig startet das Verfahren gegen den Musiker. Er warf 2021 einem
> Hotelangestellten Antisemitismus vor – und ist nun selbst angeklagt.
Bild: In dem Prozess geht es auch um die Frage: War der Davidstern zu sehen?
Leipzig taz | Am ersten Prozesstag zeigt Gil Ofarim sich zurückhaltend. Mit
gerunzelter Stirn sitzt der 41-jährige Musiker am Dienstag im vollen Saal
des Leipziger Landgerichts, während die Anklageschrift verlesen wird. Die
Staatsanwaltschaft wirft ihm Verleumdung, falsche Verdächtigung, falsche
eidesstattliche Versicherung sowie Prozessbetrug vor.
Gleich zu Beginn darf Ofarim sich äußern, möchte das zu dem Zeitpunkt
allerdings noch nicht tun – wohl auch, weil zuvor einer seiner drei
Strafverteidiger, Alexander Stevens, in seinem wortreichen
Eingangsstatement auf Ofarims Lage eingegangen war: Stevens sprach von
einem Prozess, der von Anfang an vom Kampf um die Wahrheit geprägt gewesen
sei: „Was ist die Wahrheit? Wird es dieser Prozess aufklären? Ofarim hofft
es. Seine Anwälte sind skeptisch.“
Die Suche nach der Wahrheit begann [1][nach einem Vorfall vor zwei Jahren]:
Im Oktober 2021 postet Ofarim ein Video, er filmt sich vor einem Leipziger
Hotel und wirft einem Hotelmitarbeiter vor, ihn antisemitisch diskriminiert
zu haben. Der Angestellte soll gesagt haben, dass Ofarim erst einchecken
dürfe, wenn er seine Kette mit dem Davidstern einpacke. Das Video geht
viral.
[2][Das Hotel beauftragt daraufhin eine Anwaltskanzlei], Ermittlungen
durchzuführen. Gleichzeitig ermittelt auch die Staatsanwaltschaft. Beide
kommen zu dem Ergebnis, dass sich die Situation nicht so zugetragen haben
könne, wie es Ofarim im Video schildert. Nach der Analyse von Aufnahmen von
Überwachungskameras habe der Musiker seinen Davidstern in der Hotellobby
höchstwahrscheinlich nicht sichtbar getragen, zudem habe keiner der
vernommenen Zeugen antisemitische Äußerungen gehört.
## Suche nach der Wahrheit
Aufgrund technischer Probleme sei es an dem Tag zu Wartezeiten an der
Rezeption gekommen. Wie Zeugen berichten, seien zwei Männer hinter Ofarim
in der Schlange bevorzugt worden, woraufhin der Musiker zur Rezeption
gegangen und dem Rezeptionisten gegenüber ausfällig geworden sei. Angeblich
habe Ofarim angekündigt, ein Video zur schlechten Situation im Hotel
hochzuladen.
[3][Im März 2022 klagt die Staatsanwaltschaft Leipzig] den Musiker dann
wegen Vorwurfs der falschen Verdächtigung und Verleumdung an. Das Verfahren
gegen den Hotelmitarbeiter wird eingestellt, dieser tritt nun als
Nebenkläger im laufenden Prozess auf. Bereits am Dienstag ist er als Zeuge
geladen. Der 34-Jährige schildert seine Sicht auf die Geschehnisse des 4.
Oktobers 2021 – und bleibt bei seiner bisherigen Version. Demnach habe
Ofarim ihn „wild gestikulierend“ angesprochen und mit einem viral gehenden
Video gedroht, woraufhin der Hotelmitarbeiter Ofarim den Gästeschein
entzogen habe.
Ofarims Verteidiger Stevens beschreibt die Beweislage gegen seinen
Mandanten als erdrückend, argumentiert aber, dass „das Gefährliche an
solchen Situationen ist, dass sie so schwer nachweisbar sind“. Er
vergleicht die Angelegenheit mit Fällen von Mobbing oder sexualisierter
Gewalt und verweist auf #MeToo-Verfahren – auch hier stehe das Opfer oft
allein gegen mehrere Zeugen, die behaupten, die Tat sei nicht passiert.
Das Ermittlungsverfahren sei laut Stevens unfair abgelaufen, die Ergebnisse
der vom Hotel beauftragten Anwaltskanzlei seien intransparent, insgesamt
handele es sich um eine Inszenierung, die das Hotelmanagement der
Öffentlichkeit verkauft habe. Dabei hätten die Medien Unwahrheiten
verbreitet und damit die öffentliche Meinung maßgeblich bestimmt. Inwieweit
die Ermittlungsergebnisse der vom Hotel beauftragten Anwaltskanzlei in das
Verfahren einbezogen werden, soll nach interner Absprache noch einmal
geprüft werden.
Neben dem Vorwurf, im Oktober 2021 gelogen zu haben, muss sich Ofarim auch
wegen falscher eidesstattlicher Versicherungen sowie Prozessbetrugs
verantworten: Er war an den Landgerichten Köln und Leipzig gegen
Medienberichte vorgegangen. Hierfür hatte er an Eides statt erklärt, nicht
mit einem „viralen Video“ gedroht zu haben. Die Ermittler halten das für
unwahr.
Neun weitere Verhandlungstage sind bis zum 7. Dezember angesetzt. Das
Gericht will unter anderem mehr als 20 Zeugen befragen. Aufgrund der
aktuellen Eskalation im Nahen Osten findet der Prozess unter erhöhten
Sicherheitsvorkehrungen statt; fünf Beamte sichern den Gerichtssaal von
innen ab.
Die Strafkammer erklärte zum Auftakt der Sitzung, sich bewusst zu sein,
dass in Deutschland Antisemitismus überall, offen und verdeckt, anzutreffen
sei.
7 Nov 2023
## LINKS
[1] /Antisemitismus-Vorwurf-gegen-Hotel/!5806635
[2] /Nach-antisemitischer-Anfeindung-in-Leipzig/!5807531
[3] /Falsche-Verdaechtigung-und-Verleumdung/!5845591
## AUTOREN
Charis Mündlein
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