# taz.de -- „Eine Frage der Chemie“ auf Apple TV+: Aggregatzustand von Brat… | |
> Den Erfolgsroman „Eine Frage der Chemie“ gibt es jetzt als TV-Serie. | |
> Warum sie dem Buch gerecht wird – zumindest weitgehend. | |
Bild: Brie Larson als Elizabeth Zott | |
Elizabeth Zott hat schon als Buchfigur begeistert. Die Heldin von „Eine | |
Frage der Chemie“, Debütroman der US-amerikanischen Autorin Bonnie Garmus | |
und das zweitmeistverkaufte Buch Deutschlands 2022, schafft es auf den | |
Bildschirm: In acht Folgen erscheint die Serie auf [1][Apple TV.] | |
Sie erzählt von einer Chemikerin in den 1960er Jahren, die [2][im | |
Wissenschaftsbetrieb] durch Frauenfeindlichkeit keinen Fuß fassen kann und | |
gezwungen ist, ihr Geld mit einer nachmittäglichen Kochsendung im Fernsehen | |
zu verdienen. | |
Da Elizabeth (Brie Larson) innerlich Chemikerin bleibt, erklärt sie nicht | |
nur, wie die knusprigste Bratenkruste gelingt, sondern auch den Wechsel der | |
Aggregatzustände und sie bewirkt damit eine nationale Bildungs- und | |
Anerkennungskampagne für die übersehene Hausfrau. „Gehaltvolles Essen“ | |
verspricht sie ihren Zuschauerinnen. | |
Gehalt hat auch die Umsetzung des Romans fürs Fernsehen. Kaum eine Figur | |
ist angemessener erzählt als eine Chemikerin, der Schwafelei zuwider und | |
jedes unnötige Wort zu viel ist. Daher ist die ausführliche Erzählung der | |
Geschichte in acht Teilen überraschend. Showrunner Lee Eisenberg nutzt das | |
üppige Zeitkontingent klug und baut die Thematik des Civil Rights Movement | |
um die Kerngeschichte herum, obwohl sie im Roman bis auf wenige Sätze nicht | |
thematisiert wird. | |
Die bietet der fast unantastbaren Zott mehr Ambivalenz als im Buch: „I wore | |
pants on national TV and I finally feel like I’m making a difference“, | |
erzählt sie ihrer Nachbarin, die gerade dafür kämpft, dass die Schwarze | |
Community ihrer Nachbarschaft nicht aus ihren Häusern vertrieben wird. | |
## Kaum böse Frauen | |
Nichtig erscheint hier Elizabeths Mikroaufbegehren [3][als weiße Frau] mit | |
Uniabschluss – die Serienfigur Elizabeth ist hier ebenso ignorant wie | |
intelligent und erweitert die Buchfigur um Fehltritte. | |
An anderer Stelle verflacht die Verfilmung: Gab es im Roman auch weibliche | |
Boshaftigkeiten, werden in der Apple-Produktion am Ende alle Frauen | |
Verbündete. Verschwunden etwa die Kolleginnen, die Elizabeth aus Neid | |
demütigen. Frauen können in dieser Serie naiv sein, nicht aber gemein. So | |
rutscht viel Glattes und Schönes an Stellen, an denen das Böse angemessener | |
gewesen wäre. | |
Die Chance, die große Verfehlung des Romans zu beheben, wurde nicht | |
ergriffen. Etwa, dass ausgerechnet Elizabeth, deren Unabhängigkeit ihr | |
unbestechlichster Wert ist, am Ende durch eine millionenschwere Angehörige | |
ihres Lebensgefährten zurück in die Wissenschaft findet. | |
Auch allzu Plakatives aus der Buchvorlage hätte berichtigt werden können. | |
Die Naturwissenschaftlerin, die so weltfremd ist, dass sie Kaffee im | |
Bunsenbrenner zubereitet? Na ja. Nicht verkneifen konnte man sich, die | |
Heldin vor Zuschauerinnen über den Menstruationszyklus referieren zu | |
lassen. | |
Dies verzerrt die pragmatische Chemikerin, die Frauenrechte für ein | |
selbstverständliches Naturgesetz hält und stets einfordert. Die originellen | |
Dialoge und hinreißenden Kochszenen sind hingegen ein Mehrwert. | |
25 Oct 2023 | |
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## AUTOREN | |
Marie-Sofia Trautmann | |
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