# taz.de -- Die Wahrheit: Planschen im Pulver | |
> Slowenische Woche der Wahrheit: Ljubljanas das Jucken über alle Maßen | |
> liebender Buchhändler und seine weit verzweigte Familie mit 27 Brüdern. | |
Bild: Kesselarbeiter in der slowenischen Fabrik für Juckpulver von Gregori Ač… | |
Als der slowenische Buchhändler Gregor Ačimomovič in einem Jahr vor unserer | |
bekannten Zeit das zauberhafte Licht der Welt erblickte, war er schon der | |
Mittlere von 27 Brüdern, die vor und nach ihm ebenfalls das Licht der Welt | |
erblickt hatten. Das passte ihm aber ganz und gar nicht, denn seine Brüder | |
sahen nicht nur alle genauso aus wie er, sie hießen auch alle ganz ähnlich. | |
Da gab es unter anderem Gregory Ačimomovič, Gregorius Acimomovíc, Gregor | |
Acimomovic, Greggor Ačimomovič, Gregor Ačimòmovič, Gregoor Ačimomovič, | |
Grögör Ačimomövič (der war schwul), Silvîa Ačimomovič (ein Mädchen mit | |
Vollbart – der Bart war das Einzige, was Silvîa Ačimomovič mit Gregor | |
Ačimomovič gemeinsam hatte), Gregor Akimomowig und Grägör Hatschi – die | |
anderen 16 Brüder konnte Gregor Ačimomovič sich nicht merken, er hatte es | |
aber auch noch nie wirklich versucht. | |
Wenn man alle Brüder rief, kam keiner, weil keiner von ihnen sich sicher | |
war, wer von ihnen eigentlich gemeint war. Aber sie alle teilten eine | |
fanatische Liebe zu Juckpulver. Denn ihr Vater Gregori Ačimomovič besaß in | |
der Stadt Koper eine riesengroße dampfende und lärmende Juckpulverfabrik, | |
die weit über die Grenzen Sloweniens hinaus berühmt war. Schulkinder aller | |
Nationen träumten nicht nur nachts davon, einmal nach Herzenslust in den | |
rostigen Bottichen, in denen Gregori Ačimomovič sein Juckpulver jeden Tag | |
um Mitternacht braute, zu planschen. Ein Privileg, das allerdings den 27 | |
Söhnen Gregori Ačimomovičs vorbehalten war. | |
## Masche für Mädchen | |
Wenn die Brüder sich einmal mit einem oder 27 Mädchen verabreden wollten, | |
dann gaben sie stets mit der väterlichen Juckpulverfabrik an – eine Masche, | |
die bei den Mädchen aber unverständlicherweise gar nicht zog, so dass die | |
Brüder allesamt Singles blieben. Allerdings sahen sie auch allesamt scheiße | |
aus: Gregory Ačimomovič hatte eine komische Frisur, Gregorius Acimomovíc | |
hatte viel zu große Füße, Greggor Ačimomovič besaß nur ein Ohr, während | |
Gregor Ačimòmovič gar keinen Kopf hatte. Dagegen hatte Gregoor Ačimomovič | |
gleich drei unterschiedlich große Köpfe, was auch nicht hübsch war. | |
Gregor Akimomowig sah eigentlich ganz normal aus, wenn man großzügig davon | |
absah, dass er die Physiognomie eines Karpfens und den Körperbau eines | |
Würfelbechers hatte. Er hätte daher auch die besten Chancen auf dem | |
slowenischen Heiratsmarkt gehabt, wenn er nicht so seltsam gerochen hätte. | |
Grögör Ačimomövič, Silvîa Ačimomovič und Grägör Hatschi hatten gar ke… | |
Spiegelbild, weil jeder Spiegel sofort erblindete, sobald er ihrer | |
ansichtig wurde. | |
Über all das war Gregor Ačimomovič hin und wieder ein bisschen traurig, | |
aber meistens erfreute er sich an seinen fröhlich in den Juckpulverkesseln | |
planschenden Sprösslingen, die keine andere Sorge kannten als die, dass es | |
sie ständig überall juckte. | |
So gingen die Jahre ins Land, bis Gregor Ačimomovič seiner Sippe eines | |
Nachts geheimnisvoll verkündete, er wolle jetzt eine Buchhandlung in | |
Ljubljana eröffnen. Vater Gregori Ačimomovič veranstaltete sogleich ein | |
rauschendes Fest, das sieben Jahre währte. Als das Gelage vorbei war, | |
bemerkte Gregor Ačimomovič, dass die feiernden Gäste sämtliche Bücher | |
seiner nagelneuen Buchhandlung zerstört oder mitgenommen hatten. Nur ein | |
einziges Buch des Philosophen Slavoj Žižek stand noch traurig und alleine | |
im Regal. | |
## Geniale Philosophie | |
Aus lauter Gram begann Gregor Ačimomovič, ab sofort wild und frei zu | |
philosophieren. Und was er für geniale philosophische Gedanken hatte: Seine | |
Brüder nannte er fortan „Die kleinen Anderen“, und sich selbst betrachtete | |
er als „Der große Andere“. Na, das war aber ein Hallo in Slowenien! Balkone | |
wurden mit Fähnchen geschmückt, jeden Tag gab es Festumzüge mit | |
Fahnenschlägern vor Gregor Ačimomovičs neuem Nobel-Appartement, und von | |
seinen immensen Einnahmen, die er durch seine wieder aufgefüllte und | |
mittlerweile außerordentlich erfolgreiche Bibliothek erwarb, spendete er | |
die Hälfte an den Verein „Katzenhilfe e. V. Nottuln“. Die andere Hälfte | |
verprasste er großzügig mit Juckpulver und Juckpulverwatte. | |
Je älter er wurde, desto weiser ward er, und bald strömten die Menschen von | |
nah und fern zu seinem prachtvollen, güldenen Appartement, um von seinen | |
erstaunlichen Ansichten zu profitieren. Es gab nur zwei Dinge, die Gregor | |
Ačimomovič ums Verrecken nicht konnte: stumpfe Kalauer fabrizieren und | |
Dichten. Das war aber nicht weiter schlimm, weil er stumpfe Kalauer nicht | |
mochte und die kristallenen Rohranlagen in seinem goldgeschmückten Palast | |
noch nie undicht gewesen waren. | |
Und so lebte und lebt er bis heute, der glückliche slowenische Buchhändler | |
Gregor Ačimomovič, der inzwischen ein schönes Weib errungen hat und hin | |
und wieder – wenn er ganz übermütiger Stimmung ist – mit seinen Brüdern | |
Gregory Ačimomovič, Gregorius Acimomovíc, Gregor Acimomovic, Greggor | |
Ačimomovič, Gregor Ačimòmovič, Gregoor Ačimomovič, Grögör Ačimomövič | |
und all den anderen in den väterlichen Juckpulverkesseln planscht. Eine | |
tolle Familie! | |
18 Oct 2023 | |
## AUTOREN | |
Corinna Stegemann | |
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