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# taz.de -- Farc-Waffenstillstand in Kolumbien: Ein Schritt zum „totalen Frie…
> Die Farc-Splittergruppe Estado Mayor Central (EMC) und die Regierung in
> Kolumbien vereinbaren Waffenstillstand. Friedensgespräche sollen
> beginnen.
Bild: Der kolumbianische Hochkommissar für den Frieden und ein Farc-Generalsta…
Bogotá taz | Nach Stunden des Wartens bei 40 Grad stürmen Bauern die Bühne
in der kolumbianischen Kleinstadt Tibú, an der Grenze zu Venezuela, und
schreien ihre Wut heraus: „Wir bewegen uns nicht fort von hier, solange die
Regierung nicht den Waffenstillstand dekretiert! Wir sind nicht 40 Stunden
gereist, und dann wird aus dem Waffenstillstand nichts!“ Da unterbricht das
kolumbianische Staatsfernsehen die Übertragung – und spielt stattdessen
Grimms Märchen ein. Was am Sonntag in Tibú passiert ist, lässt sich am
besten mit Chaos beschreiben.
Am Ende wurde am Sonntag ein beidseitiger, zehnmonatiger Waffenstillstand
zwischen Regierung und der Farc-Splittergruppe Estado Mayor Central (EMC)
und der Beginn von Friedens-Gesprächsrunden offiziell vereinbart. Der
Waffenstillstand soll am 16. Oktober beginnen, die Friedensgespräche sollen
auch in einer Woche starten.
Rund 5.000 Menschen waren in die Gemeinde an der Grenze zu Venezuela
gereist, die bekannt für den Koka-Anbau ist – und zuletzt für die Krise der
Koka-Bauern, die ihre Ware nicht mehr losbekommen und Hunger leiden.
## EMC begreift sich als „die wahre Farc“
Der EMC ist ein Teil der Farc-Guerilla, der das historische
Friedensabkommen mit dem kolumbianischen Staat 2016 nicht unterschrieben
hat. Die Gruppe nennt sich EMC-FARC-EP und begreift sich als die wahre
Farc. Ihr Anführer nennt sich „Iván Mordisco“. Seit 2016 hat sie ihre Mac…
rasant ausgedehnt. Rund 3.400 Kämpferïnnen und Milizionäre sollen
mittlerweile zu ihr gehören – mehr als zehnmal so viele wie damals. Ihr
Einflussgebiet erstreckt sich über mehrere Amazonas-Departamentos im Süden
Kolumbiens, dazu die Grenzregion zu Ecuador und die Pazifikküste hoch bis
Cauca. Und im Osten des Landes die für den Drogenhandel ebenfalls wichtige
Grenzregion zu Venezuela.
Bei Tibú kämpft der EMC mit der ELN-Guerilla immer noch um die
Vorherrschaft – während die ELN-Guerilla mit dem Staat seit August
offiziell bereits im Waffenstillstand ist. Das bringt den Menschen in der
Region aber wenig, solange die Gruppen weiter untereinander kämpfen und sie
zwischen die Fronten geraten.
Die Regierung des [1][linken kolumbianischen Präsidenten Gustavo Petro] hat
versprochen, mit allen verbliebenen bewaffneten Gruppen zu verhandeln, um
endlich den „totalen Frieden“ zu erreichen. Der bilaterale Waffenstillstand
mit dem EMC ist ein Schritt dazu.
## Umstrittenes Dekret bis zur letzten Minute
Dass der schwierig würde, hatte sich schon in der Woche davor abgezeichnet.
Da hatten die beiden Delegationen sich bei Gesprächen in Bogotá
vorgetastet. Zwei Mitglieder der EMC-Delegation sagten der taz wenige Tage
vor Tibú, dass die Regierung das unterschriftsreife Dokument fürs
Waffenstillstandsdekret eigenmächtig abgeändert habe.
„Das Problem ist, dass keine Juristïnnen von Anfang an dabei sind“, sagt
Padre Eliécer Soto, der den Prozess für die katholische Kirche begleitet.
So ging das Dokument fürs Dekret an die Übergeordneten – und die hätten
dann zum Beispiel aus dem „Ende der Militäroperationen“ ein „Ende der
Militäraktionen“ gemacht. Statt des besprochenen zehnmonatigen landesweiten
Waffenstillstands schlug die Regierung vergangene Woche zudem einen
regionalen, stufenweisen Waffenstillstand vor, beginnend mit der
Grenzregion zu Venezuela. Das warf die Vorarbeit über den Haufen. Das
Misstrauen ist auf beiden Seiten groß.
Die [2][EMC-Unterhändler] kritisierten auch, dass die Militäroperationen im
Cañón del Micay weitergingen. Gefangene mit Verletzungen seien nicht
medizinisch versorgt worden und hätten Gliedmaße verloren. Sie fühlten sich
nicht ausreichend geschützt während der Gespräche. Vertrauen habe man nur
in die internationalen Beobachter wie UN, EU, Kirche und Rotes Kreuz.
Umgekehrt kam es schon einen Tag nach der gemeinsamen Verkündung vom Plan
zum Waffenstillstand zum ersten Bombenangriff des EMC -Mitte September
wurde er angekündigt. Sieben Polizisten wurden dann bei einem Anschlag am
20. September verletzt.
## Waffenstillstand soll am 16. Oktober beginnen
Am Sonntag blieben in Tibú die Stühle neben der EMC-Delegation, auf denen
die Regierungsdelegation Platz nehmen sollte, lange leer. Deren Anführer
[3][Camilo González Posso] musste gerufen werden. Er versuchte bis zuletzt
herbeizuschaffen, was sich die Menschen so wünschen: endlich
Waffenstillstand.
Und wo war der Friedensbeauftragte der Regierung? Danilo Rueda tauchte erst
auf, nachdem die wütenden Bauern die Bühne gestürmt hatten – und
überbrachte eine mit dem Präsidenten abgestimmte Botschaft. Das Dekret für
den Waffenstillstand will die Regierung nun am 16. Oktober veröffentlichen
– und damit formell die Gespräche für den Friedensdialog eröffnen. Dann
soll auch der Waffenstillstand beginnen. Bis dahin sollen die „offensiven
Operationen“ der Regierung gegen den EMC schon einmal ausgesetzt werden.
Ein Schrittchen.
9 Oct 2023
## LINKS
[1] /Polizeigewalt-in-Kolumbien/!5961495
[2] /Friedenssuche-in-Kolumbien/!5936738
[3] /Farc-nach-der-Betancourt-Befreiung/!5179534
## AUTOREN
Katharina Wojczenko
## TAGS
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