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# taz.de -- Missbrauch in der katholischen Kirche: Zu wenige Durchsuchungen
> Laut einer Umfrage gab es in den deutschen Bistümern bis Anfang 2023
> keine Durchsuchungen im Zusammenhang mit Missbrauch. War das zu
> zurückhaltend?
Bild: Auch in Köln ist die Staatsanwalt im Zusammenhang mit Missbrauch oft unt…
Köln epd/taz | Die Zentralen der 27 katholischen Bistümer in Deutschland
sind laut einer Umfrage des WDR unter den zuständigen Staatsanwaltschaften
im Zusammenhang mit Missbrauchsvorwürfen in den vergangenen Jahren nicht
durchsucht worden. Eine erste [1][staatsanwaltliche Durchsuchung in
München] erfolgte danach erst Anfang 2023. Wie der WDR am Montag in Köln
berichtete, sei bis zu diesem Zeitpunkt seit der Enthüllung von
Missbrauchsfällen durch katholische Kleriker 2010 keine der
Ermittlungsbehörden in dieser Hinsicht aktiv geworden.
Der Mainzer Strafrechtsprofessor Jörg Scheinfeld kritisierte dies. Die
Staatsanwaltschaften hätten die Bistümer durchsuchen lassen sollen, sagte
er dem WDR. Man könne sich nicht darauf verlassen, dass Bischöfe freiwillig
Akten herausgäben, mit denen sie sich möglicherweise selbst belasten
würden.
Im Jahr 2018 war die sogenannte MHG-Studie im Auftrag der Deutschen
Bischofskonferenz von Wissenschaftlern der Universitäten Mannheim,
Heidelberg und Gießen veröffentlicht worden. Die Forscher waren Hinweisen
auf Missbrauchsfälle zwischen 1946 und 2014 in allen katholischen Diözesen
in Deutschland nachgegangen. Unter der Annahme eines Dunkelfelds
beschäftigten sich die Wissenschaftler mit 1.670 beschuldigten Klerikern,
die 3.677 Kinder und Jugendliche missbraucht haben sollen.
## Rein juristisch keine Fehler
Aufgrund dieser Zahlen erstatten sechs Strafrechtsprofessoren Anzeige gegen
Unbekannt, um die Staatsanwaltschaften zum Handeln zu bewegen. Zu ihnen
gehörte der Strafrechtler Rolf Herzberg aus Wuppertal. Im WDR verwies er
auf den Fall eines inzwischen verurteilten Pfarrers des Erzbistums Köln.
Die Staatsanwaltschaft Köln hätte weiter ermitteln können, auch nachdem
zwei betroffene Nichten des Geistlichen ihre Anzeige zurückgezogen hatten.
Rein juristisch sei vielleicht kein Fehler gemacht worden, sagte Herzberg.
Doch dass die Zeuginnen nicht aussagen wollten, habe nicht die „handfesten
Tatsachen“ beseitigt. Der Pfarrer wurde schließlich 2022 zu zwölf Jahren
Haft wegen des jahrzehntelangen Missbrauchs von mindestens 15 Mädchen
verurteilt.
Den Vorwurf der Zurückhaltung der Ermittler bei möglichen [2][kirchlichen
Tätern] wies im WDR der nordrhein-westfälische Justizminister Benjamin
Limbach (Grüne) zurück. Die Staatsanwälte gingen bei jedem Anfangsverdacht
gleich vor. Das Legalitätsprinzip, „also die Verpflichtung, bei
[3][Verdacht von Straftaten] einzuschreiten, besteht für alle, unabhängig
von Geldbeutel oder Kardinalshut“, sagte er am Montag dem WDR.
Er könne für frühere Zeiten allerdings nicht ausschließen, dass
Staatsanwälte im [4][Umgang mit Klerikern] vielleicht anders umgegangen
seien als mit anderen Tätern, räumte Limbach ein. „Wichtig ist, dass wir
seit Aufdecken der Riesenskandalserie innerhalb der Kirchen wirklich
konsequent bei jedem Verdacht vorgehen.“ Allerdings seien die Mittel der
Justiz begrenzt, betonte er. Nach weiteren Studien, teilweise im Auftrag
der Bistümer, habe sich gezeigt, dass viele der geschilderten Fälle bereits
verjährt oder die Täter tot sind. Dies betreffe etwa auch die jüngst
bekannt gewordenen Vorwürfe gegen den ersten Ruhrbischof Franz Hengsbach.
25 Sep 2023
## LINKS
[1] /Missbrauchsskandal-in-Muenchen/!5915727
[2] /Missbrauchsvorwuerfe-gegen-Ruhrbischof/!5961403
[3] /Ermittlungen-gegen-Woelki/!5943028
[4] /Missbrauch-in-der-katholischen-Kirche/!5829334
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